Sechzehntes Kapitel • An deiner Seite

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Gleich, gleich werden wir gehen. Wir werden nach London fliegen in unseren finsteren Todesserroben und wir werden einstehen für das, was gerecht ist. Und die Dunkelheit wird ein Teil von uns sein. Für immer. Für immer und für das Gute.

Doch ist es das?

Meredith Castor, 18. August 1978

16.

Auch in den folgenden Wochen, in denen Hermine Draco nun öfter auch außerhalb des alten Zeitungsarchives sah, wich das seltsame Gefühl, das sie erfüllte, sobald er ihr näher kam, als bloß ein flüchtiges, grüßendes Lächeln auf dem Gang, nicht. Jedes Mal, wenn er nicht bloß ein weißblonder Schopf am Ende des Korridores war, sondern sich zum Beispiel beim Mittagessen einmal zu ihr setzte, woraufhin Millie sich an ihrer goldgelben Kürbiscremesuppe verschluckte und Hermine dann verschmitzt wissend angrinste. Jedes Mal, wenn er durch den grünlichleuchtenden Gemeinschaftsraum auf sie zusteuerte, wenn sie gerade bei ihren Hausaufgaben saß und eine spitze, aber nicht unhöfliche Bemerkung darüber fallen ließ, dass sie wirklich jede freie Minute mit Schulaufgaben verbrachte. Jedes Mal, wenn er verärgert die Augenbrauen zusammenzog und mit dem Ansatz eines belustigten Grinsens für sie ins Kreuzfeuer geriet, wenn Pansy sie mit einem hochnäsigen Blick bedachte und versuchte, Hermine aus den Gemächern der Slytherins zu verscheuchen. Jedes Mal, wenn er in Zaubertränke oder einmal sogar in Verteidigung gegen die dunklen Künste neben ihr Platz nahm, anstatt am anderen Ende des Klassenzimmers, und leise die Antworten der Fragen von Professor Slughorn oder Professor Quinn in Hermines Ohr wisperte, obwohl diese sie natürlich selbst wusste, sich jedoch, im Gegensatz zu Draco, meldete, um ihr Wissen kundzutun. Einmal fragte sie ihn, weshalb er dies nicht tat, wenn er doch auf jede Frage der Lehrer die richtige Antwort wusste, doch er hatte nur die Brauen hochgezogen und mit den Schultern gezuckt. Und als Hermine in diesem Moment auffiel, dass Draco gar nicht so dumm und schlecht in der Schule war, wie sie immer gedacht hatte, dass er vermutlich Jahrgangsbester wäre, würde sie nicht selbst dieses Siegel tragen, war da schon wieder dieses seltsame Gefühl gewesen, diese kribbelnde warme Gänsehaut.

Sie weigerte sich, es zuzugeben und auch als sie Millie in einem stillen Moment und mit vor Scham rosigroten Wangen davon erzählte, traute sie sich nicht, sich einzugestehen, dass es wirklich Draco allein, oder besser seine Anwesenheit in ihrer Nähe war, was sie alle Sorgen um Ron und Harry vergessen, in den Hintergrund geraten ließ, dass sie aufgrund der Castor-Geschichte eigentlich gerade ihr ganzes vorheriges Leben in Frage stellte. Denn dieses goldene, dieses warme Gefühl in ihrer Brust, das Kribbeln auf ihrer Haut, wenn seine Hand wie zufällig ihre Schulter streifte oder sein Oberschenkel wie nebenbei den ihren berührte, wenn er sich zum Unterrichtsende erhob, dieses Gefühl war so einnehmend, dass es sie gänzlich erfüllte, keinen Platz mehr ließ für Sorgen und wirre Trauer. Und das fühlte sich verdammt gut an, darüber war sich Hermine im Klaren, auch wenn sie den Grund des Ganzen noch nicht gänzlich in ihr Bewusstsein rücken ließ.

Für Millie dagegen war die Sache glasklar, kaum hatte Hermine endlich berichtet, was in ihr vorging, wenn Draco in der Nähe war. „Hermine, Hermine", seufzte die Slytherin ein ums andere Mal, als wäre sie keine junge Frau, sondern eine in die Jahre gekommene alte Dame, die das Fühlen der Jugend mit einem Kopfschütteln bedachte. „Das ist doch schön!", meinte Millie enthusiastisch, als Hermine auf den Bibliotheksboden vor sich sah, sich abwandte von dem Lehrbuch zum Todessertum und dem dunklen Lord, peinlich berührt bei dem Gedanken, dass es wirklich Draco Malfoy war, der diese Wärme in ihr hervorrief. „Ich... ich bilde mir das bestimmt nur ein", erklärte sie leise und schnell, in einer wegwerfenden Handbewegung, „weil... er auf einmal so nett zu mir ist." Entsetzt blickte Millie sie an. „Ach was, tust du gar nicht! Da bahnt sich was an, Hermine, ich spür' sowas. Hab ich schon immer. Mein Bruder hat früher immer gesagt..." Doch Hermine bekam gar nicht mehr mit, was Millies Bruder früher immer gesagt hatte, denn in diesem Moment öffnete sich das große Tor der Bibliothek und ein weißblonder Schopf betrat den Saal, einen Stapel Bücher in den Armen.

Dein Schatten in mir • Dramione-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt