Fünfundzwanzigstes Kapitel • Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

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Da liegt es nun. Sein Geschenk, seine Ehre, sein Samen. Sein Leben. In reinen Tüchern, so schwarz wie die Nacht, und beim großen Jupiter selbst will ich verdammt sein, denn als es dort lag, in meinen Armen, quälend laut und dann wieder so friedlich still, so vergoss ich eigens doch ein paar freudige Tränen.

Doch nun ist meine Arbeit getan. Nun bin ich kaum mehr als eine Dienerin des Bösen, Todesserin zwar und eine Amme für meinen Mond, doch die Zeit meiner Schonung ist vorüber. Nun heißt es auf in den Kampf.

Meredith Castor, 19. September 1979

25.

Es dauerte eine ganze Weile, bis Hermine Draco wiedersah. Monate, um genau zu sein. Als die Weihnachtsferien vorüberzogen, die Schüler wieder ins Internat zurückkehrten, sich die Gänge und Korridore des alten Schlosses wieder füllten, Gelächter, laute und leise Gespräche durch die Flure von Hogwarts hallten, und Hermine, gänzlich gegen ihren Willen zwar, aber ohne, dass sie sich davon abhalten konnte, nach dem ihr so wohlbekannten weißblonden Schopf Ausschau hielt, nur, um ihm bei einem Aufeinandertreffen die kalte Schulter zu zeigen, konnte sie Draco in keiner der zahlreichen heimkehrenden Schülerscharen ausmachen. Obgleich die Wut in ihr noch immer brodelte und sie sich entschlossen hatte, nie, oder zumindest in nächster Zeit, kein einziges Wort mit ihm zu wechseln, so wollte sie dennoch, dass er das auch wusste. Sie wollte, dass er sah, wie sehr zornig sie war, wollte, dass er sich im Klaren darüber war, dass sie ihm wohl nie ganz vergeben würde und dass sie gut ohne ihn zurechtkam. Doch weder am letzten Tag der Ferien, noch in der folgenden und der nächsten Schulwoche tauchte er auf, was Hermines Wut nur noch steigerte. Nun traute er sich nicht einmal, mir ins Gesicht zu sehen, dachte sie sich im Geheimen. Draco Malfoy war ein Feigling durch und durch, fand die Slytherin.

Um sich von den aufwühlenden Gefühlen, die der weißblonde Mann in ihr auslöste, abzulenken, nahm Hermine die beiden Aktenordner in diesen Tagen einmal mehr bis ins kleinste Detail auseinander. Aus der in einen dunklen Lederbeutel geschnürten Glaskugel wurde sie nach wie vor nicht schlau, sie probierte Zauber über Zauber daran, doch ohne Erfolg, weshalb sie den ledernen Stoff in ihren Händen, der die neblige Oberfläche bedeckte, irgendwann in ihren Händen sinken ließ und lieber weiter im Tagebuch ihrer leiblichen Mutter blätterte. Denn hier wurde sie fündig. Mit Beginn des neuen Schulhalbjahres begann für Hermine nicht nur die Zeit der Prüfungsvorbereitung für ihren Abschluss im Juni, sondern in selbem Zuge der Extra-Unterricht bei Professor Sinistra und wenngleich Hermine die vorangegangen Stunden nur halb interessiert zugehört hatte, so hatte die Astronomielehrerin nun ihre volle Aufmerksamkeit, als diese wie beiläufig die neunundsiebzig Monde des Jupiters erwähnte. Neunundsiebzig. Hermine hatte innegehalten und die Lehrerin gebeten den vorangegangen Satz noch einmal zu wiederholen. Gebannt und mit krausgezogener Stirn hatte sie ihrem Gegenüber gelauscht, als Professor Sinistra aus dem Konzept ihres Vortrages gebracht genickt hatte und sich über Hermines plötzliches Interesse zu wundern schien, doch geduldig noch einmal erklärt hatte: „Wenn in diesem Jahr der Jupiter am Nachthimmel untergeht, stehen alle seine neunundsiebzig Monde auf ihren Umlaufbahnen in einer einzigen Graden. Seit Beginn der astrologischen Aufzeichnung im Jahre..." Doch an diesem Punkt hatten Hermines Ohren bereits wieder auf Durchzug geschaltet und sie hatte sich zurück erinnert an Meredith Worte, die in verschnörkelter Schrift und tiefschwarzer Tinte in das lederne Notizbuch geschrieben waren. Doch als eine der Neunundsiebzig habe ich für ihn da zu sein, als rechte Frau habe ich ihm zu dienen. Immer. Als Hermine diese Zeilen vor wenigen Tagen erstmals gelesen hatte, hatte sie ein Naserümpfen kaum unterdrücken können, allein wenn sie die Worte rechte Frau schon vernahm, jagte ein eiskalter Schauer über ihren Rücken: Als wäre die einzige Aufgabe einer Frau für ihn, ihren Mann dazu sein, treuergeben, wie es in längst vergangen Zeiten einmal gewesen war... Als wäre Meredith nur dann eine rechte Frau, wenn sie Titan zur Seite stand, immer, wie die Todesserin noch betont hatte... Doch unabhängig von dem veralteten Rollenbild, welches Meredith nun einmal mehr zum Besten gegeben hatte, sprach Hermines leibliche Mutter immer wieder von neunundsiebzig Frauen, neunundsiebzig Ammen, die gemeinsam schliefen, aßen, tranken und töteten, ihren Rum und ihre Ehre feierten. Neunundsiebzig. Neunundsiebzig Frauen und neunundsiebzig Monde. Das war, das konnte kein Zufall sein.

Dein Schatten in mir • Dramione-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt