Dreiundzwanzigstes Kapitel • Erwachen

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Ich spüre es in mir. Wenn ich morgens erwache und wenn ich abends zu Bett gehe, fühle ich diese Macht in mir, sein Geschenk, die Ehre, die er mir erteilte. Monatelang, zehn nahezu, wird es mir so ergehen, tagtäglich und ich kann die Zeit, die vor mir liegt, kaum erwarten. Wir sind jetzt ein Teil von ihm, seit er uns schenkte, was sein war. Wir sind die Ammen, die sein Leben waren, sein Fleisch, sein Blut.

Meredith Castor, 03. April 1979

23.

Als Hermine an diesem Morgen erwachte, war sie allein. Sie spürte es, noch ehe sie die Augen aufschlug, noch ehe sie mit den Händen nach der leeren Bettseite neben sich tastete und nichts, als das kühle dunkle Laken unter ihren bloßen Fingern fühlte. Vorsichtig hob sie die Lider, nur einen Spalt breit, nur um festzustellen, dass sie mit ihrer Annahme recht gehabt hatte: Als sie die Hand zum Gähnen vor ihren Mund hob und sich dann aus der watteweichen Daunendecke schälte, war von Draco nicht eine Spur zu sehen. Hermine reckte und streckte sich und warf einen kurzen Blick durch den engen Spalt des grünen Samtvorhanges, hinter dem, ganz wie gestern auch, nichts als fahles Schneeregengrau den Papierhimmel bedeckte. Müde strich sie ihre Haare in einem unordentlichen Knoten in ihrem Nacken zusammen, als ihr Blick auf ein kleines Stück Pergament fiel, grob am Rand abgerissen und kaum größer als Hermines Handteller.

Bin bereits im Speisesaal, Granger. Schicke mir einen Hauselfen, wenn du wach bist, dann hole ich dich ab. D. M.

stand auf dem Pergament in jener geschwungenen Handschrift, die Hermine mittlerweile so gut kannte, geschrieben und für einen Moment war es, als höre sie den Slytherin selbst jene Worte sprechen. Sie lächelte über die zwei knappen Sätze, die so sehr seine kühle, kurzangebundene Art bis ins kleinste Detail repräsentierten und schlüpfte dann in ihre Jeans und den Pullunder von gestern. Noch während sie sich das wollene Oberteil über den Kopf zog, fiel ihr Blick immer wieder auf die geschwungenen Lettern auf dem hellen Papier und ein leises Grinsen huschte über ihr Gesicht, als sie an gestern Nacht dachte, an seine Berührungen, seine Küsse und... Sie presste die Lippen fest aufeinander, um nicht so breit zu grinsen, wie ein verliebter Teenager, doch sie kam nicht dagegen an, dass sich ihre Mundwinkel bei dem Gedanken an die vorangegangene Nacht leicht hoben. Denn ganz gleich, wie nervös sie zuvor noch gewesen war: Nun, ein paar wenige Stunden später, spürte sie, wie richtig es sich anfühlte, wie gut. Und sie bereute nichts.

Nachdem sie sich fertig angezogen und die Daunendecke auf dem breiten Himmelbett glattgestrichen hatte, trat sie dann auf die Zimmertür zu. Obgleich Draco sie gebeten hatte, ihm einen Hauselfen zu schicken, um sie dann eigens in den Speisesaal zu geleiten, dachte Hermine nicht im Traum daran, den kleinen Wesen, die den Malfoys seit jeher dienten, noch mehr Arbeit aufzuhalsen, zumal es ja bloß um den Weg hinunter zum Frühstück ging. Wenn auch das Anwesen der Malfoys riesig und wie ein verworrenes Labyrinth zu sein schien, wollte sie dennoch nicht einem Elfen zur Last fallen für etwas, das sie gut alleine schaffen konnte. Deshalb drückte sie, ohne noch einen letzten Blick in den Raum zu werfen, die Klinke herunter und trat hinaus in den anliegenden Korridor.

Es dauerte wirklich seine Zeit, bis Hermine den Weg hinuntergefunden hatte. Bemüht, sich daran zu erinnern, wo lang sie gestern in ihr Schlafgemach geführt worden war, zog sie die Brauen zusammen, folgte dem Gang bis an sein Ende, der in einer breiten Treppe schloss. Vage vermutete Hermine in dieser Richtung die Eingangshalle, weshalb sie eilig die Stufen hinabstieg, in einen weiteren Korridor, der wiederum gleich zweimal abzweigte. Verwirrt lief Hermine einige Zeit den einen Gang der Gabelung entlang, doch bereits nach wenigen Minuten war sie sich sicher, in diesem Flur noch nie gewesen zu sein, weshalb sie wieder kehrt machte und den anderen Korridorzweig wählte. Schließlich, an der gewaltigen Treppe, die sie am Vortag hinaufgestiegen war, angelangt, vernahm sie mit einem Mal Stimmen und mit einem Lächeln auf den Lippen, trat sie durch die Eingangshalle, an deren linker Seite ein hohes Tor den Durchgang zum Speisesaal offenbarte.

Dein Schatten in mir • Dramione-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt