Kapitel 9 - Crash Kurs - Meerjungfrau -

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Ich hatte mindestens 1000 Fragen, die ich den Beiden stellen wollte. Angefangen mit: „Wie kann das real sein?“ oder „Wie ist das überhaupt passiert?“. Doch ich geduldete mich und wartete ab. Ich saß den Beiden gegenüber auf einem kleinen Steinbruch im Tümpel, der wie dafür gemacht war darauf zu sitzen. Während ich (mal wieder) in dieser Höhle saß, kamen genau die selben Gefühle in mir auf wie gestern. Magie und etwas, das man einfach nicht erklären kann. Etwas, dass mir Geborgenheit, Schutz und auch Sicherheit zu flüsterte. Ich blickte die Beiden gespannt und erwartungsvoll an, wartend auf Erklärungen. Cleo schaute Rikki an. Sie erwiederte ihren Blick kurz, bevor sie mich anschaute. Rikki lachte kurz auf. „Ja, wo sollen wir bloß nur anfangen...?“

Es entstand kurz Stille, man konnte nur das Wasser hören, wie es tröpfelte und die Wellen draußen rauschten.

Dann begann Cleo zu erzählen. Ich hörte ihr aufmerksam zu. Sie erzählte mir, wie sie sich damals verwandelt hatten. Hier im Tümpel, den sie liebevoll Mondsee nannten. (Ja, mir gefällt diese Bezeichnung auch besser.) Es war Vollmond gewesen und genau wie gestern begann das Wasser zu blubbern und kleine, goldglitzernde Moleküle stiegen dem Mond entgegen. Sie erzählte mir, dass auch sie keine besser Erklärung dafür hatten, als bloße Magie. Sie verwandelten sich von dem Moment an bei jeder Berührung mit Wasser, sei es noch so ein kleiner Tropfen gewesen, in eine Meerjungfrau. (Das würde immerhin ihr schräges Verhalten erklären.) Und von nun an würde es auch mir so ergehen. Aber sie beruhigten mich auch, dass ich sobald ich wieder vollkommen trocken war, meine Beine zurückbekommen würde. Heißt wohl, das ich mich wohl oder übel doch weiterhin mit meiner Schule und Hausaufgaben herumschlagen muss. Ein kleines Bisschen erleichtert war ich ja schon. Sie berichteten mir von den verrücktesten Abenteuern, die sie gemeinsam erlebt hatten. Wie viel Spaß sie, trotz des Ärgers, den sie teilweise davontrugen, hatten. Davon, dass sie Lewis alles erzählten und wie er sie oft dabei unterstützte nicht aufzufliegen. Das würde auch Lewis' schräge Fragen und sein allgemeines Benehmen erklären. Wahrscheinlich ahnte er etwas von meinem Fischschwanz und in diesem Moment war ich echt ziemlich dankbar dafür, das er mich, ja, 'gerettet' hatte. Ich empfand den Gedanken mich vor ca. 30 Schülern und zwei Lehrkräften in eine Meerjungfrau zu verwandeln als nicht besonders angenehm.

Sie lachten und beschwerten sich trotzdem, wie schwer das Leben als Teilzeitnixe dennoch war. Wie schwer es war das Geheimnis zu bewahren und das es trotz aller Bemühungen vor manchen Menschen, die in ihr Leben getreten waren, nicht bewahrt werden konnte. Das schloss besonders ihre festen Freunde ein. So wusste Rikkis Freund, dessen Name Zane war, auch von ihrem Fischschwanz.

Außerdem erzählten sie mir von zwei anderen Meerjungfrauen. Die eine hieß Emma. Sie verwandelte sich damals mit Cleo und Rikki hier im Mondsee. Aber sie befand sich momentan mit ihren Eltern auf einer Weltreise, die aber eigentlich diesen Sommer enden sollte. Leider hatte sich der Kontakt ein Wenig verloren, aber sie freuten sich auf ein Wiedersehen mit ihr. Ihr Freund, dessen Name Ash war, wusste ebenfalls von ihrem Geheimnis. Er ist Reitlehrer auf einem Reiterhof und hat kurz im Café gearbeitet, als es noch nicht Rikki und Zane gehörte, hat aber wegen des Stresses, den er durch seinen Job auf dem Reiterhof bekam, gekündigt.

Und dann gibt es noch Bella. Cleo und Rikki kennen sie erst seit einem knappen Jahr. Sie kam aus Irland und hat sich dort mit neun Jahren in einer Höhle zur Meerjungfrau verwandelt. Sie war leider nicht mit auf dem Klassenausflug, da sie eine Mandel-OP hatte. Bella ist eine Sängerin und singt in dem Café von Rikki und ihrem Freund und von daher musste sie sich möglichst schnell operieren lassen, damit das Café sie nicht zu lange als Aushängeschild missen müsse. Ihr Freund Will ist Taucher und von daher war ein Auffliegen ihres Geheimnisses wohl oder übel unvermeidbar.

Zu guter Letzt wollten sie mir noch etwas zeigen und mich vor etwas warnen. Ich hatte das Gefühl mein Kopf würde gleich explodieren, durch die vielen Informationen, die ich eben bekommen hatte. Das Ganze hier kam mit vor wie ein Guide, wie man als Meerjungfrau zurecht kommt. Aber ich war ehrlich gesagt froh, das ich den Luxus eines 'Guides' hatte, denn Cleo, Rikki und Emma wurden damals einfach so, im wahrsten Sinne des Wortes, ins kalte Wasser geworfen. Sie erzählten mir noch, dass ich mich bei den nächsten Vollmondnächten besser in Acht nehmen sollte. Da das Gesicht des Vollmondes eine seltsame Wirkung auf uns hätte. Ich verstand zwar nicht genau, was die Beiden damit meinten, aber es machte Sinn, schließlich verdankten wir dem Vollmond auf irgendeine Art und Weise auch unsere Kräfte. Dann wollten sie mir noch etwas zeigen. Und das, was ich sah, widersprach sämtlichen physikalischen Gesetzen, die ich in den letzten Jahren im Physikunterricht gelernt hatte. Mithilfe von kleinen, aber gezielten Handbewegungen konnte Cleo Wasser formen, wie sie wollte. Eine riesige Wassersäule stieg dem Kegel des Vulkans empor. Mein Blick folgte den Bewegungen der Säule und ich war sprachlos. Die Beiden lachten, als sie meinen Gesichtsausdruck sahen, schließlich war es für sie vollkommen normal. Rikki ballte ihre Hand zu einer Faust und die Wassersäule verkochte, indem sich heißer Wasserdampf aus ihr bildete. Es war fast wie Zauberei. Nein, nicht nur fast. Es war Zauberei. Dann erzählten sie mir noch von den Fähigkeiten der beiden anderen Mädchen. Emma, die damals mit den Beiden verwandelt wurde, kann Wasser erkalten lassen und schließlich zu Eis gefrieren. Bella kann die Konsistenz des Wassers zu einer geleeartigen Masse verwandeln. Ich fragte mich, ob auch ich so coole Sachen kann? Da, ich es jetzt und hier aber nicht ausprobieren wollte, weil ich Angst hatte, ich würde scheitern, fragte ich Cleo und Rikki einfach. Sie tauschten kurz einige Blicke bevor Rikki ansetzte.

„Es gab einmal ein Mädchen. Sie war auch eine Meerjungfrau, allerdings wollte sie uns und besonders Cleo bloß schaden. Das Mädchen ist alleine in den Mondsee gefallen, genauso wie du, und es lief darauf hinaus, dass sie alle Fähigkeiten, also die von Cleo, Emma und mir besaß. Von daher kannst du davon ausgehen, dass du alle drei Fähigkeiten besitzen wirst. Aber gib ihnen die Zeit sich zu entfalten, das kann eine Weile dauern.“ Rikki schaute mich eindringend an, während sie mir das erzählte. Wer dieses Mädchen wohl war? Und warum dieses, sie war eine Meerjungfrau?

„Ist sie noch heute eine Meerjungfrau?“, fragte ich einfach in einem ziemlich naiven Ton.

Cleo schüttelte den Kopf. „Sie hat sich einfach übernommen und etwas... nunja... übertrieben.“

Ich nickte und für eine kurze Zeit fragte ich mich, ob die Drei neidisch auf das Mädchen gewesen waren. Immerhin hatten die Drei jeweils nur eine Kraft und sie alleine drei Stück... . Ich verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder. Dazu waren sie viel zu... nett.

„Dein Chinesen Freund da... wie heißt der noch gleich?“, begann Rikki plötzlich und schaute mich fragend an.

„Er ist kein Chinese“, murmelte ich ganz leise und meine Stimmung sank irgendwie fast auf den Nullpunkt. Ich war mir sehr sicher, dass er kein Chinese war... jedenfalls wenn man auf seinen Namen achtet, kann man sich das erschließen. „Er heißt Haruto“, fuhr ich leise fort. Ich mied Rikkis Blick, jedoch spürte ich ihn starr auf mir liegen.

„Oh, tut mir Leid“, gab sie in einem sarkastischem Ton zurück. „Ist der zufällig auch in den Mondsee gefallen?“

Sie sagte das in einer so abfälligen Tonlage, ich wusste gar nicht was mit ihr plötzlich los war. Vorhin war sie noch so fröhlich und jetzt? Ich seufzte. „Nicht, als der Mond direkt über dem Vulkankegel stand.“

Kurz entstand Stille, jedenfalls wenn man Rikkis „Aha“ nicht mit einbezieht.

„Lewis“, begann Cleo dann und ich schaute sie an, „hatte eine Theorie, dass man sich hier auch als Junge in eine Art Meerjung...-ehm Meermann verwandeln kann. Deshalb fragt Rikki.“

„Schön“, gab ich zurück und nickte.

Wieder war es Still. Dann begann Rikki mir einen Vortrag zu halten, von wegen ich solle mich lieber von ihm fern halten. Sie hätte kein gutes Gefühl bei ihm. Er wäre eine Gefahr für uns. Ich glaubte jedoch, es ging ihr allein um das Meerjungfrauen-Ding. Sie hatte ja auch Recht. Alleine die Tatsache, das er mit Joshua und Co befreundet war, warf kein gutes Licht auf ihn.

„Hannah, ich mach' mir nur Sogen um dich, nicht das du dich ihn ihn verliebst, weil nun ja...“, sagte Rikki leise und schaute mich wehmütig an. „Wir wissen ja wozu das führt.“

„Gerade seine Freunde sprechen gegen ihn, Hannah, er ist nicht gut für dich“, meinte Cleo zustimmend und wandte sich mir zu.

Sie waren ja gestern Nacht gar nicht dabei gewesen. Sie kannten ihn ja gar nicht.

Wobei, kannte ich ihn denn überhaupt?

„Macht euch mal keine Sorgen“, lachte ich in einem gekünstelten, fröhlichen Ton, „Ich wirklich hab' null Interesse an dem Typen!“

„Irgendwie glaube ich dir nicht so wirklich“, lächelte Cleo mich schief an, während Rikki mich nur skeptisch musterte.

„Leute, euer- ähm unser Geheimnis ist bei mir sicher. 100%ig!“, grinste ich frech. Irgendwas tief in mir zweifelte jedoch. So 100%ig sicher war ich mir definitiv nicht. Bei keinem der Dinge, die ich eben gesagt hatte.

Ich beschloss einen Themawechsel vorzunehmen. So unterhielten wir uns noch fröhlich über das Meerjungfrauendasein. Ich war ziemlich glücklich, dass das Schicksal so eine Wendung für mich bestimmt hatte. Die Sommerferien waren nicht mehr fern und ich war mir so sicher, dass dies die besten Sommerferien meines Lebens werden würden. Ich würde so oft ich könnte mit den Anderen schwimmen, wir würden gemeinsam die Fische an den Korallenriffen beobachten, mit Delfinen im Meer herumtollen, all diese Farben und Formen der Tiefe betrachten und uns hier im Mondsee entspannen. Das hier war definitiv das Beste, was mir passieren hätte können. Ich konnte die Ferien kaum erwarten. Aber erst einmal müsste ich noch das Volleyballspiel überleben. Aprospro... McKenna wartete wahrscheinlich schon sehnsüchtig auf mich, also sollte ich mich besser aufmachen. So verabschiedete ich mich von den Beiden mit einem breiten Grinsen im Gesicht. 

H2O - Plötzlich Meerjungfrau - How (not) to be a MermaidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt