12.

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Er räuspert sich und tritt nach vorne. Seine Haltung ist anders als sonst, er sieht genervt, angespannt und eifersüchtig aus. Ich weiß nicht was in ihm vorschwebt, aber ich will es nicht erfahren. Auch wenn es mich interessiert wie er denkt, aber seine Wut und sein Frust will ich nicht spüren können. Ich hasse es wenn Menschen ihre Gefühle so sehr nach außen tragen, dass andere Angst haben müssen oder nur daran denken was wohl passiert ist und dich die ganze Zeit anstarren. Manchmal kannst du es nicht zurückhalten, aber Arvin ist meiner Meinung ein Mensch der seine Gefühle, vor allem als Lehrer, mehr in den Griff bekommen sollte.

So wie es aussieht sprechen wir über Jane Austen - Stolz und Vorurteil. Wie mag es auch anders sein, Englische Literatur ist ein Thema was sich ab einem bestimmten Zeitpinkt in der High School in die länge zieht. Und zwar so, dass es kein Spaß macht. Deswegen beteilige ich mich auch so gut es geht nicht im Unterricht.

"Darcy und Bennett. Eine Liebe zwischen Stolz und Vorurteil. Dieses Buch, werden und müssen Sie Lesen.", erklärt Arvin. Wie ich es mir dachte, stöhnen einige Schüler auf und lassen ihren Kopf nach unten fallen um dramatisch mitzuteilen, dass sie keine Lust auf dieses Thema haben. Doch Arvin lässt sich davon nicht ablenken, ich denke er hat schon öfter Erfahrung mit dieser Reaktion gemacht, beim erwähnen des Themas.

"Ich lese Ihnen jetzt ein Zitat vor, ich möchte das Sie zuhören und sich dazu äußern.

Männer sind entweder von Dummheit zerfressen oder von Arroganz. Und ist einer Liebenswert, lässt er sich so leicht lenken, als hätte er keinen eigenen Verstand."

"Naja was soll man groß darüber sagen, es ist wahr", die Klasse beginnt zu lachen als Pem diese Worte laut ausspricht.

"Pem was machst du, halt die klappe", ich stupse sie mit meinem Ellenbogen an und gebe ihr einen  bösen Blick.

"Lenora, ich sehe Sie haben etwas dagegen einzuwenden", ich schlucke.

Nein nein nein nein nein nein.

Zögernd schaue ich vor zu Arvin und kratze mich am Kopf, ich hätte einfach meinen Mund halten sollen. Alle schauen mich erwartungsvoll an, dann heißt es wohl Augen zu und durch.

"Einerseits finde ich, steckt in diesem Zitat nicht sehr viel Wahrheit, es ist wohl eher ein Vorurteil. Andererseits kann ich es verstehen, da sich Männer manchmal wie echte schweine benehmen", ich mache eine kurze Pause um über meine nächsten Worte nachzudenken.
"Kein eigenen Verstand... ja wenn man verliebt ist tut man Dinge, die man vielleicht nicht tun sollte, man hört auf den Gegenüber und ist vielleicht zu gutmütig. Aber Männer lieben die Kontrolle. Die meisten Männer sind Kontrollsüchtig, sie wollen Macht. Aber für mich hat das weder mit Dummheit, noch mit Arroganz zutun. Das ist nunmal die normale Denkweise der Männer, so ist es schon seit hunderten von Jahren. Und wenn man es nicht glaubt, kann man sich ja mal in die Geschichtsbücher stürzen, die sind Beweis genug."

Ich atme aus und schaue Arvin nun in die Augen.

"Ich gebe Ihnen vollkommen recht Lenora, haben Sie Stolz und Vorurteil schoneinmal gelesen?", fragt Arvin interessiert.
Ich schüttel schüchtern meinen Kopf. Erstaunlicher Weise, nein. Ich habe es nie gelesen, weil ich nie das Verlangen hatte, überhaupt irgendwas, zu lesen. Aber jetzt...

Ich denke die ganze Situation zwischen mir und Arvin macht mich etwas verrückt. Pem und Adam schauen mich verwundert von der Seite an, ich habe noch nie so viel im Englischunterricht gesprochen, schon gar nicht bei solchen Themen, die eigentlich komplett an mir vorbeigehen.

Der Rest der Stunde verlief ziemlich schnell, Arvin erzählte uns etwas mehr über Jane Austen und natürlich bis wann wir Stolz und Vorurteil lesen sollten. Ich hab damit kein Problem, verwunderlich. Ich will es sogar lesen, wissen was in ihren Köpfen vorgeht...ob es dem Gleich ist, was in meinem geschieht.

Ich packe mein Zeug zusammen und wollte den Raum gerade verlassen, als ich eine raue Stimme hinter mir höre. Der klang seiner Stimme lässt mich erstarren, sie übersät meinen Körper mit Gänsehaut und augenblicklich  fängt mein Herz an zu rasen.

"Lenora, bleiben Sie bitte noch eine Minute hier. Ich würde gerne mit Ihnen reden", nickend gehe ich wieder zurück und warte bis die anderen Schüler endlich den Raum verlassen.

Der letzte Schüler hat den Raum verlassen und schon steigt die Spannung im Raum. Als ich sehe wie er sich vorne am Leherpult abstütz, muss ich schon fast aufpassen nicht völlig verrückt zu werden.

Wie kann man nur so gut aussehen?

Ich muss mich zusammenreißen, sonst wird das zum Problem, was es sowieso schon längst ist. Seine Anwesenheit lässt mich zittern, nicht im schlechten Sinne, sondern im Guten. Das klingt absurd, da er mein Lehrer ist, ich bin mir dem Risiko wohl nicht bewusst. Doch dieses Gefühl lässt mich frei sein, obwohl es kein Stück mit Freiheit verbunden ist. Trotzdem frage ich mich, was ich hier noch soll... Was will er?

"Ich würde Ihnen gerne die Aufgabe geben, eine Art...Theaterstück vorzubereiten. Natürlich können Sie ablehnen, nur ich finde sie haben eine Klare Sicht auf die Dinge, wenn es um Mr. Darcy und Elizabeth geht. Außerdem soll dieses Projekt von einer Person geleitet werden, die das Zeug dazu hat", beim letzten Satz schleicht ihm ein kleines Lächeln ins Gesicht und er zwinkert mir zu. Wieso tut er das? Ich war noch nie eine Person die rot anläuft und schüchtern wird, wenn ein Mann so eine Geste hervorzaubert, mich interessiert es eigentlich nicht. Aber ich könnte schwören ich sehe gerade aus wie eine Tomate.

"Ein Theaterstück leiten? Ich?", ich schaue ihn nicht an, dass kann ich gerade nicht gebrauchen. Stattdessen fällt mein Blick auf seine Hände mit denen er sich abstützt.

"Heilige scheiße."

Diese Worte sollten nur in meinem Kopf gesagt werden, doch sie sprudelten gerade so raus. Ich öffne meinen Mund um etwas zu sagen, doch ich schließe ihn direkt wieder um weiteres zu vermeiden.

"Klingt fantastisch. Ich muss jetzt gehen. Tschüss", klatsche ich beschämt in die Hände und drehe ich mich in Richtung Tür.
Ich höre sein leises lachen. Es klingt so schön. "Tschüss Lenora", man hört das Lächeln in seinen Worten.

Ich reiß die Tür auf, ohne auf Pem und Adam zu achten, die an der gegenüber liegenden Wand lehnen und auf mich warten. Sie laufen mir sofort hinterher, auf dem Weg zum Schulhof. Habe ich diese Worte gerade wirklich laut ausgesprochen? War er amüsiert oder geschockt? Er hat gelacht. Das hat aber noch lange nichts zu heißen. Oder?
Außerdem war seine Haltung ganz anders als am Anfang der Stunde. Er wirkte genervt und angespannt, aber in dem Moment indem er mit mir geredet hat, wirkte er gelassen und entspannt, als ob er genau das gebraucht hätte. Und dann bekommt er meinen Zuspruch, indem ich "Heilige Scheiße!" Laut ausspreche.

Das wird noch ein großes Problem.

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