Nachdem ich die Tür geschlossen habe, stecke ich meine Schlüssel wieder in die Jackentasche, falls ich mal wieder schnell abhauen muss. Das ist zur Gewohnheit geworden, ich will zwar nicht weglaufen, aber ich kann mich diesem Stress einfach nicht stellen, irgendwas in mir lehnt es komplett ab.
"Lenora?", mein Vater kommt mit einem besorgten Blick aus dem Wohnzimmer. Das habe ich lang nicht mehr gesehen. Dieser besorgte Blick weckt eine Erinnerung tief in mir.
Es war vor ein paar Jahren und ich kam gerade aus der Schule wieder. Alles war so wie immer, doch als ich das Haus betrat fühlte sich alles plötzlich anders an. Ich bekam keine Umarmung von Mom, obwohl sie das jeden Tag tat nachdem ich nachhause kam. Ich hörte nur wie Mom und Dad sich stritten und zwar so heftig wie ich es noch nie mitbekommen hatte. Wenn sie sich stritten, dann nur über kleiner Dinge, wie das "Dosen Futter" oder wer welche Aufgabe erledigt. Doch an diesem Tag war es nicht so. Mom stürmte aus dem Wohnzimmer ohne mich zu beachten und stampfte die Treppen hoch. Dad rief nach ihr, doch sie ignorierte jeglichen Kontaktversuch. Dad drehte sich um und sah wie ich alles mitgekriegt hatte...und dann kam dieser besorgte Blick. Er wusste wie es enden wird, aber ich konnte es nicht verstehen ich war ein Kind. Ich denke er malte sich schon aus wie er mir alle erklären müsse, warum Mom uns verlassen wird und nie mehr zurückkommt.
"Ich schätze ich hab mich dazu entschieden doch wieder zu kommen. Ist sie noch da?", frage ich leise und beschämt, während ich nicht mal richtig in Dad's Augen sehen konnte.
Er schüttelt den Kopf und ich atme erleichtert aus. Ich wüsste nicht was ich jetzt getan hätte wenn es doch der Fall gewesen wäre.
"Arvin allerdings schon, komm doch mit ins Wohnzimmer und setz dich mit hin", er dreht sich um und geht wieder rein. Ich stehe wie angewurzelt immer noch am selben Platz wie eben, völlig überrumpelt von seinen Worten. Und jetzt soll ich mich dazusetzen?
Ich winke ihm schüchtern zu beim betreten des Wohnzimmers und setze mich auf den Sessel, der direkt neben dem Sofa steht auf dem Dad und Arvin sitzen. Selbst die Art wie Arvin sitzt, verpasst mir ein kribbeln im Bauch. Seine Haltung ist aufrecht und selbstbewusst.
Diesen Tag hab ich mir anders vorgestellt und überhaupt hätte ich mir nie vorgestellt mit meinem Lehrer in meinem Wohnzimmer zu sitzen, neben meinem Dad.Dad räuspert sich und dreht sich zu mir, ich will gar nicht wissen was jetzt aus seinem Mund kommen wird.
"Ich hab gehört Arvin soll sehr gut in Englisch sein, vielleicht kann der dir ja Nachhilfe geben, das war ja sowieso noch nie dein Ding", ich kneife meine Augen zusammen nachdem Dad das sagt um ihn zu verstehen zu geben, dass das ziemlich geschmacklos war sowas einfach vor einem fremden zu sagen. Ich starre für kurze Zeit Arvin an und er mich, völlig überrascht von der Aussage meines Vaters, obwohl Arvin wahrscheinlich schon eine Ahnung hatte.
Ich winke ab und versuche irgendeine passende Ausrede zu finden, während mir die Frage aufkommt, wieso Arvin ihm nicht erzählt dass er mein Englischlehrer ist. Dann müssten wir uns diese unangenehme Situation nicht antun.
"Adam kriegt das schon hin", sage ich lachend, in der Hoffnung Dad würde einverstanden sein.
"Wieso denn immer Adam, der Junge muss sich selber auf seine Noten konzentrieren. Außerdem kann ich mir denken dass Arvin ein ziemlich guter Lehrer sein wird, nicht wahr?"
"Liebend gerne", lächelnd nimmt er das Angebot an. Ich gehe davon aus dieses lächeln ist erzwungen und es ist ihm kein passender Moment gekommen Dad zu sagen, dass Arvin mein Lehrer ist.
"Den Tag und Uhrzeit könnt ihr euch ja ausmachen, ich verschwinde mal kurz", er verlässt den Raum und die Stille, bis auf den laufenden Fernseher, überzieht mich. Wie unendlich peinlich das alles ist und wie mir so viele Fragen in den Kopf schießen.
"Wieso fällt hier kein Wort davon, dass du schon mein Lehrer bist?", platzt es mir raus.
"Ich denke Nachhilfe von jemandem der Ahnung hat in diesem Bereich, könnte dir und deiner Note gut tun. Wenn ich mir den Stand vom letzten Schuljahr anschaue, bleibt mir fast die Luft weg."
Ich verdrehe meine Augen und und atme tief ein und aus. Mal abgesehen davon dass dieses ganze Nachhilfe-Ding bei mir zuhause illegal ist, hat er recht. Meine Schulischen Leistungen lassen manchmal zu wünschen übrig. Aber ich kann mich nicht auf Englisch konzentrieren, wenn er der Meinung ist so attraktiv auszusehen, da bleibt mir auch fast die Luft weg.
Ich stoppe mich selber in Gedanken. Wieso denke ich auf einmal so?
"Sonntag zwischen 12-13 Uhr, ich erwarte Sie hier", und mit einem mal sind wir wieder bei dem Sie.
"Meinetwegen halt Sonntags...", murmle ich mehr zu mir selbst als zu ihm. Ich schaue auf und Blicke direkt in seine grau, blauen Augen die mich durchbohren und mir das Gefühl geben all meine tiefsten Geheimnisse sofort auszusprechen. Ich kann nicht anders als auf seine Lippen zu schauen, die Farbe seiner Lippen ist ein perfektes Zusammenspiel aus einem backstein- und rostrot. Seine dunklen Haare stehen perfekt im Kontrast zu seinen Augen und sein Gesicht ist markant und die stoppeln seines seit, höchstwahrscheinlich, 3-Tage nicht rasierten Bartes lassen alles perfekt aussehen.
Wieso schwärme ich von ihm?
Dad betritt das Wohnzimmer und wir teilen ihm mit, dass wir uns für Sonntag entschieden haben.
"Danke das du mir noch etwas Gesellschaft geleistet hast und Lenora natürlich auch. Wir sehen uns am Sonntag!", verabschiedet sich Dad von Arvin. Er entfernt sich von der Tür und ich stehe alleine mit meinem attraktiven Lehrer da, der mir nun auch noch in meinem eigenen Haus Nachhilfe geben wird. Besser kann es echt nicht mehr kommen."Auf wiedersehen, Lenora."
"Auf wiedersehen, Arvin."
DU LIEST GERADE
just the two of us
RomanceDas eigene Haus, die reinste Hölle. Die eigene Mutter, hat sie verlassen. Der Vater, der sie nie verstand. Ihr Leben, was Lenora sich anders vorgestellt hatte. Was konnte sie also noch mehr aus der Bahn werfen als all das? Vielleicht ein dummer Fehl...