Magnus und der Ritter in glänzender Rüstung

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Dunkelheit, Kälte, Schnee und starke Arme. Ein beängstigendes Gefühl die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren beschleicht mich. Es frisst sich unter meine Haut, durchdringt Muskeln und Sehnen, durchbricht Knochen und nimmt meinen bebenden Leib in Besitz. Watte umhüllt mich, Schwärze und rauschendes Blut in meinen Ohren.
'Magnus', höre ich eine Stimme, welche panisch nach mir ruft. 'Magnus' Trotz der Sorge und meinem desolaten Zustand klingt die Stimme wunderschön und ich schließe meine Augen um mich in die starken Arme und der mich umfassenden Wärme gleiten zu lassen. Der Duft des After Shaves ist mir vertraut, es beruhigt mein aufgeregt schlagendes Herz. Der Tangotakt verstummt und wechselt über in einen sanften langsamen Walzer. Meine Haut nimmt die Wärme des Mantels in sich auf, speichert Empfinden und Beschaffenheit für eine spätere Erinnerung.

Nur kurz die Augen schließen und dem Karussell in meinem Kopf lauschen. Schnell dreht sich das metallene Monstrum, dumpf drückt der bohrende Schmerz gegen meinen Schädel.
'Magnus, hörst du mich?' Ich höre dich mein Held, mein Retter in glänzender Rüstung. Ich fühle mich seltsam geborgen und sicher, versucht mein Unterbewusstsein mir doch zu sagen, dass eben rein gar nichts sicher und okay ist. Noch immer dreht das Karussell in meinem Kopf seine Runden. Helle Lichtblitze hinter meinen geschlossenen Lidern nehmen mir die Sicht auf dunkle Täler voll tiefster Schwärze und unergründlichen Weiten. Meine Beine fühlen sich an, als würden sie nicht zu meinen Körper gehören und ich lasse mich einfach fallen, denn es ist egal wo ich lande, solange das Karussell endlich aufhört seine Runden zu drehen. Ich wappne mich für den Aufprall auf den mit kaltem Schnee bedeckten Boden und frage mich wie lange es wohl dauern mag, bis ein Passant über mich stolpert. Doch ich warte vergebens. Kein harter schmerzhafter Aufprall, kein fluchender Passant, keine Schatten oder Angst. Stattdessen ein fester Griff, wärmende Wolle, geflüsterte Worte, vom Schreck kalte Lippen auf meiner Schläfe und wenn ich das Rauschen in meinen Ohren in die hinterste Gasse von New York verdränge, dann höre ich ein beruhigendes kräftiges Schlagen.

Ich bilde es mir zumindest ein und wohlig brumme ich als eine Frage meine Aufmerksamkeit fordert. Lieber möchte ich dem Takt des pulsierenden Herzens lauschen. Seine einzigartige Melodie überwindet die dunklen Täler voller Schwärze und verjagt die Wattewolken in meinem Kopf.
"Magnus", ertönt Alexanders Stimme nah an meinem Ohr und ich kuschele mich noch enger an seine Brust. Er drückt mich fest an sich und haucht einen Kuss auf meine Haare.
"Lass mich dich untersuchen. Ist dir übel? Hast du Schwindel? Kannst du bitte die Augen für mich öffnen?", fragt er besorgt.
"Nein", murmele ich geistesabwesend.
"Was nein? Auf welche Frage? Kein Schwindel?"
"Hmhm", brumme ich wieder. Die Melodie seines Herzens klingt so schön. Ich brauche mehr davon, es beruhigt mich und ein zartes Lächeln wandert auf mein Gesicht.
"Magnus. Ich muss mir das ansehen. Nicht das du eine Gehirnerschütterung hast. Dann bringe ich dich in die Klinik."
"Nein", antworte ich und höre Alexander seufzen. Noch einmal verstärkt sich sein Griff um meinen Körper und noch einmal drücke ich mich näher an ihn. Wieder diese liebliche Melodie. In diesem Moment kann nur ich sie hören.

"Mir geht es gut", sage ich leise. Mit Kraft und Nachdruck löst Alexander seinen Griff und schiebt mich ein Stück von sich weg. Kälte nimmt den Platz von Hitze ein, Unsicherheit ersetzt Wohlbefinden. Die Melodie an meinem Ohr verstummt und ich blicke in aufgeregte und besorgte umherhuschende blaue Augen.
"Ist dir übel?", fragt er und tastet sanft meine Stirn und die Schläfen ab. Ich verfolge seine Blicke, stirnrunzelnd gleitet sein Daumen langsam über meinen Haaransatz.
"Nein", antworte ich. Doch ich bin noch nicht entlassen. Doktor Alexander haucht einen Kuss auf meine Nasenspitze. Seine Lippen kitzeln meine Haut und ich spüre seinen warmen Atem welcher zärtlich meine Lippen streift. Doch vereinigen tun sie sich nicht.
"Schwindel?"
"Es geht wieder. Das Karussell in meinem Kopf dreht sich bereits langsamer. Können wir nicht einfach noch ein bisschen so bleiben?", frage ich und lehne meine Stirn gegen seine Brust. Augenblicklich atme ich tief ein, inhaliere das herbe maskuline Aroma seines After Shave und mache mir eine gedankliche Notiz nach dem Namen zu fragen. So muss ich Alexander nicht anbetteln sich in meinen Laken zu wälzen und zu befürchten, dass er mich für einen Verrückten hält.

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