Magnus und der Weg in ein neues Leben Part 2

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Und wie ich das will. Ihn will. Uns, dieses Leben, mit jedem Hoch und Tief. Familienleben, gemeinsamen Abenden vor dem Fernseher und sehnsüchtiges Warten auf das Geräusch eines sich im Schloss drehenden Schlüssel. Natürlich konnte ich meine Freude nicht in Worte fassen. Was hätte ich auch sagen sollen? Alexander ist redegewandt und treibt mir regelmäßig das Wasser in die Augen. Soviel könnte ich erwidern, doch entschied mich dagegen. Ich küsste ihn stürmisch, ließ meine Zunge mit seiner verschmelzen und auch wenn wir uns erst so kurz kennen, so fühlte es sich ein wenig wie ein Antrag an.

Er ließ nicht locker und am Silvesterabend nahm er mir das Versprechen ab, dass ich ihm mein Appartement zeige. Ungeschönt, nicht aufgeräumt und stinkend. Es ist mir so peinlich und ich kann seine Reaktion kaum ertragen. Ich stehe in der Mitte dieses Lochs und beobachte meinen Freund dabei, wie er neugierig jeden Winkel inspiziert. Nervös knete ich meine Hände, die Knöchel knacken und Alexander schenkt mir einen mahnenden Blick. Er mag es nicht das ich meine Gelenke so malträtiere und entschuldigend verschränke ich die Arme vor der Brust. Sein Blick wandert weiter durch den kleinen Raum, welcher gerade mal so groß wie sein Badezimmer ist. Lange stand er in der Nasszelle, seine Mimik eingefroren. Verriet nichts über seine Gedanken und ich schäme mich umso mehr über die ärmlichen Verhältnisse in denen ich lebe.

Wieder kommt der Gedanke vom bettelarmen indonesischen Jungen, der reiche ältere Herren umgarnt, um ein besseres Leben zu haben an die Oberfläche. Wie Gift setzt er sich in meinen Adern fest und auch wenn ich weiß, das Alexander mich liebt und ich ihn und unser Kennenlernen nicht mit der Absicht auf Geld und ein angenehmes Leben basiert, so bleibt ein letzter Rest Selbstzweifel. Ich meinte es ernst als ich nach unserem Sex fragte, wie es sein kann, dass er ausgerechnet mich liebt. Mich. Ich kann ihm nichts bieten, arbeite in jeder freien Minute um meine Eltern unterstützen zu können und studiere unermüdlich, verbringe Stunden meines Lebens im Hörsaal oder der hauseigenen Bibliothek. Wälze Fachbücher und Biografien, Bildbände und alles was ich zum aktuellen Thema in die Hände bekommen kann.

Dieses Stipendium ist eine riesen Chance. Meine einzige, das Leben in Indonesien voller Entbehrungen und Ängste hinter mir zu lassen. Und diese Chance will ich mir auf keinen Fall verbauen. Ich brauche einen gutbezahlten Job am Ende des Semesters um ein Bein im Business zu haben und die Regierung der USA davon zu überzeugen, dass ich ein finanziell unabhängiges Mitglied ihrer elitären Gesellschaft bin.

Silvester. Das Ende eines Jahres und der Beginn von etwas Neuem. Die letzten zwei Jahre verbrachte ich diesen Tag mit Arbeit und zu fortgeschrittener Stunde versammelte ich mich auf dem Times Square, lauschte den Stimmen um mich herum welche in verschiedenen Nuancen dem Singsang des rhythmischen Zählen verfiel. Immer tiefer fielen die Zahlen und immer höher stieg die große silbrigglänzende Kugel, erhellte die Nacht und stand wie immer für einen Neubeginn. Alle Farben des Regenbogens spiegelten sich in den funkelnden Plättchen und ich starrte minutenlang auf diese Schönheit. Diesen Anblick kannte ich nur von Bildern und es selbst zu erleben, die vielen Stimmen zu hören, die Lichter zu sehen und ein Teil dessen zu sein, machte mich unendlich glücklich. Das vergangene Jahr veränderte mein Leben und die Art Dinge zu betrachten.

Alexander traf an einem kalten verschneiten Dezembertag so unerwartet in mein Leben, dass es noch immer surreal erscheint. Das Weihnachtsfest gehörte der Familie. Seiner wunderbaren liebevollen Familie die mich ohne Zögern, ohne Bedenken in ihrer Mitte willkommen hießen und mir von Beginn an das Gefühl von Zuhause gaben. Mein Zuhause ist Alexander und das neue Leben mit ihm in New York. Doch meine Heimat ist und wird immer Indonesien bleiben. Tief verwurzelt mit den Fasern meines Körpers, verwoben im Herzen und ein Teil meines Ich, wird immer der arme indonesische Junge mit einem versteckten Leben bleiben. Es sind die Erfahrungen unserer Kindheit die uns prägen. Ein Leben kann noch so trist und öde, voll von dunklen Dämonen und jeder Menge Schmerz sein. Das Erwachsene Ich sieht anders auf diese Zeit zurück. Gestärkt und doch wachsam. Nicht jeder von uns ist in der Lage, die Schatten seiner Vergangenheit hinter sich zu lassen. Und um ehrlich zu sein, wird es nie ganz gelingen, egal wie stark und mutig wir sind. Die Erfahrungen, Entscheidungen und Taten gehören zu uns, wie eine zweite Hälfte und jeder einzelne muss entscheiden, wieviel von seiner Vergangenheit, die Zukunft beeinflussen soll.

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