Von Sommerferien und stärkeren Feinden

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3 Jahre später
Gespannt schaute ich auf das Blatt in meiner Hand. Alles zweien, ein paar dreien hier und da. Insgesamt ok, aber nächstes Jahr musste ich mich langsam anstrengen, dann ging es nämlich aufs Abi zu und die Noten gewannen an Bedeutung. „So, das waren alle Zeugnisse für dieses Schuljahr. Ich wünsche Ihnen allen schöne Sommerferien!", sagte unser Lehrer und alle sprangen auf, verabschiedeten sich und verließen zusammen das Klassenzimmer. Ich freute mich wirklich auf die kommende freie Zeit, die ich mit Partys und schlafen füllen wollte.

Als ich wenig später mit meinen Freunden in einem kleinen Restaurant saß, fühlte es sich wirklich wie Sommer an. Lotti machte sich gerade darüber lustig, wie Basti seine Spaghetti aß. Er schnitt sie alle durch und benutze dann nur noch einen Löffel, wie ein kleines Kind. Als Sofie ihn verteidigte „Sie so zu essen ist doch viel einfacher!", verfielen wir in eine hitzige Diskussion über die Richtige Art und Weise, Spaghetti zu essen. Ben und Lotti waren absolut meiner Meinung, aber Basti und Sofie ließen sich einfach nicht belehren. Jako hielt sich wie immer raus und hörte stattdessen belustigt zu. Glücklich schaute ich in die Runde und dachte darüber nach, welches Glück ich mit diesen Freunden hatte. Selbst Ben, den ich erst seit einem halben Jahr kannte, war mir richtig ans Herz gewachsen. Als er in unsere Klasse gekommen war, hatte er sich neben mich gesetzt und wir waren innerhalb von kürzester Zeit gute Freunde geworden, vielleicht sogar mehr als das. Zumindest von meiner Seite aus. Nachdenklich schaute ich ihn von der Seite an, ob er wohl das gleiche für mich empfand? Diese Situation erinnerte mich ein bisschen an Seth, der vor drei Jahren mein bester Freund gewesen war, für mich aber mehr. Schmerzlich musste ich an den Korb denken, den er mir gegeben hatte, bevor er mit seinem Eltern weggezogen war. Seit dem hatten wir keinen Kontakt mehr gehabt. Anfangs war ich zu stolz und zu verletzt, ihn anzuschreiben, später wollte ich es eigentlich, aber da war schon so viel Zeit vergangen, dass es mir irgendwie komisch vorkam, ihm so aus dem Nichts zu kontaktieren.
Würde es mit Ben auch so enden, wenn ich ihm meine Gefühle gestehen würde?

Ein Ellbogenstoß, genau zwischen meine Rippen, riss mich aus meinen Gedanken und ich schaute mich irritiert um. „Tut mir leid, ich musste es tun", flüsterte mir Lotti zu. Sauer antwortete ich: „Warum denn das?" „Weil du Ben schon wieder angeguckt hast, wie ein Gestörter, der sein nächstes Opfer aussucht", sie kicherte. „Echt? Danke", sagte ich ein wenig peinlich berührt. Sie winkte ab und beteiligte sich wieder an der Konversation, die nun von Fröschen handelte. Diesen Übergang hatte ich irgendwie verpasst.

Das Mittagessen mit meinen Freunden war schön gewesen und fröhlich vor mich hin pfeifend, ging ich die Straße entlang, als ich plötzlich gegen etwas lief. Als ich aufschaute merkte ich, dass es ein jemand war. Und zwar der bestaussehende Jemand, den ich jemals gesehen habe. Er hatte dunkelbraune Haare, die ihm ein wenig durcheinader in die Stirn fielen. Bei vielen anderen hätte das wahrscheinlich ungepflegt ausgesehen, aber ihm stand es. Es betonte sein katiges Kinn und die schmalen Augen. „Oh, 'tschuldigung. Habe dich nicht gesehen", sagte er und ich konnte nicht anders, als in anzustarren. Ich brachte es zustande zu nicken und er lief davon. Fasziniert schaute ich ihm nach. Irgendwie sah er angeschlagen aus, ein bisschen krank. Aber abgesehen davon war er der Inbegriff eines Traumtypen.

Erst als er um die nächste Ecke verschwunden war, nahm ich wieder meine Außenwelt war. Die Box, die ich in der Hand gehalten hatte, war bei dem Zusammenstoß runtergefallen und ich hob sie schnell wieder auf. Prüfend sah ich sie von allen Seiten an und beschloss, dass es dem Hüter gar nicht auffallen würde, dass sein Essen auf dem Boden gelegen hatte. Weiter pfeifend führte ich meinen Weg fort und ging in Richtung Bibliothek. Mittlerweile konnte ich ihren Aufenthaltsort selbst rausfinden und war nicht mehr komplett abhängig vom Hüter.

Ich betrat einen kleinen Park und ging auf einen Baum zu. Verstohlen blickte ich mich um. Selbst nach 3 Jahren war es immer noch aufregend. Während ich meine flache Hand auf die Rinde legte, dachte ich an das erste Mal, als ich die Bibliothek selbst hatte finden und betreten müssen. Ich hatte fast eine halbe Stunde gebraucht, um den richtigen Baum zu finden und die Energie in meinem Körper auf meine Hand zu konzentrieren, um den Eingang zu öffnen. Mittlerweile ging ich sehr viel routinierter vor und schon nach kurzer Zeit öffnete sich ein Spalt im Stamm. Ich quetschte mich hindurch in den Hauptraum der Bibliothek. Egal von wo ich sie betrat, ich kam immer durch diese eine Wand rein und wieder raus. Außer natürlich ich ging durch ein Tor. Suchend blickte ich mich um und ging dann in das Arbeitszimmer, wo ich den Hüter vermutete. „Hi! Ich hab Essen mitgebracht. Ist echt lecker, in dem Restaurant esse ich oft mit Freunden." Er schaute von seinen Papieren auf: „Danke,
May. Ich habe schon auf dich gewartet. Kannst du die neuen Geschichten sortieren?" Ich nickte und stellte die Box auf seinen Schreibtisch. Dann ging ich in den Hauptsaal und nahm einen Stapel unbenannter Bücher aus einem Säulenregal. An meinem kleinen Schreibtisch überflog ich jedes und teilte sie in Kategorien ein.

Erleichtert klappte ich das letzte Buch zu und stellte es an seinen neuen Platz. Meine Hoffnung, die ich jedes Mal beim Sortieren neuer Bücher insgeheim hefte, dass ich einen zukünftigen Bestseller an einen Autoren weiterleiten könnte, erfüllte sich auch diesmal nicht. Die Leben, dessen Niederschriften ich heute las, waren allesamt langweilig und uninteressant gewesen.

Der Hüter saß immer noch in seinem Arbeitszimmer, aber jetzt sah er ein bisschen besorgt aus. „Ist irgendwas?", fragte ich. „Ich befürchte, unsere Feinde werden stärker", antwortete er ohne Umschweife. „Wer? Die Maske? Oder gibt es noch jemanden?". Bei der Erinnerung an den Mann, der mich fast erwürgt hätte, bekam eine Gänsehaut. Hoffentlich meint er nicht die Maske. „Bedauerlicher Weise schon", beantwortete er betrübt meinen Gedanken. „Woher wissen Sie das?" „Ich spüre es. Er wird gefährlicher" Konnte das wirklich sein? Wir haben seit über 3 Jahren nichts von ihm gehört. „Macht ihn das weniger gefährlich?", reagierte er schon wieder auf meinen Gedanken. Man sollte meinen, dass ich mich inzwischen daran gewöhnt haben müsse, aber es war immer noch befremdlich, dass er in meinen Kopf schauen konnte. „Du solltest in den nächsten Wochen auf keinen Fall die Zeit anhalten. Wer weiß, ob er dir dann nochmal einen Besuch abstattet. Hoffentlich weiß er nicht, wer du bist oder wo er dich finden, um das herauszufinden hatte er bei seinem früheren Besuch nicht genug Zeit. Sei trotzdem vorsichtig" Es war ihm also wirklich ernst.

„Können wir nicht irgendwas machen? Ich meine, wenn er eine Bedrohung ist, dann können wir uns doch nicht einfach verstecken! Immerhin sind wir die Hüter!", ich war bereit, für dieseWelt der Geschichten zu kämpfen und das wusste der Hüter auch ganz genau. Trotzdem sagte er: „Es ist besser, wenn wir uns bedeckt halten. Wenn sie gar nicht herausfinden, wo die Bibliotheken sind, dann können sie ihnen auch nichts anhaben. Außerdem vergisst du mal wieder, dass deine Ausbildung noch lange nicht abgeschlossen ist. Du hast noch nicht genug Wissen, nicht genug Magie, um gegen so mächtige Gegner wie die Maske zu kämpfen, mein Kind"

Wenn die Maske nicht gefährlich ist, solange sie die Bibliotheken nicht kennt, warum ist er dann so besorgt? Ich bin mir sicher, dass er meine Gedanken gehört hatte, er ignorierte sie nur. Also nickte ich enttäuscht und wandte mich zum Gehen. „Ach May? Eine Sache noch", Ich drehte mich nochmal um. „Wenn ich aus irgendeinem Grund weg sein sollte, musst du die Bibliothek schützen"

Diese Aussage beunruhigte mich dann richtig. Was meinte er mit „weg"? Außerdem war ich gar nicht dazu bereit, eine Bibliothek zu beschützen. Er hatte Recht: Ich war noch mitten in der Ausbildung und hatte noch so viel zu lernen. Mit dem Gedanken, dass der Hüter auch nicht unfehlbar war und ein „Gefühl" nicht die sicherste Quelle ist, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Es würde schon nichts passieren.

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Hallo Leute,
sorry an die 11 Leute, die meine Geschichte lesen, dass ich so lange für den neuen Teil gebraucht habe.
Homeschooling ist, finde ich, 1000 Mal stressiger als normaler Unterricht. „Wir haben 90 Minuten Unterricht, also dauern eure Aufgaben auch so lange" ist ,wie ich finde, eine echt schlechte Erklärung für die Unmengen an Aufgaben. Immerhin arbeiten wir im Präsenz ja auch nicht 90 Minuten in Stillarbeit durch!
Anyways, ich hoffe euch gefällt der neue Teil
LG ^^

Die Bibliothek (oder auch: die Geschichte aller Geschichten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt