Von vergeblicher Suche und Déjà-vus des Lesers

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Obwohl ich eigentlich wusste, dass der Hüter nicht mehr dort war, lief ich auf der Suche nach ihm trotzdem kreuz und quer durch die Bibliothek.

Natürlich war er nicht dort.
Die Zerstörung zu sehen ließ mich erschaudern, der Hüter hatte gekämpft, was das Zeug hielt. Doch es hatte nicht gereicht, er war entführt worden.
Oder schlimmeres.
Nein! Das wollte ich einfach nicht glauben, er war noch irgendwo da draußen. Ich brauchte ihn nur zu finden.
Hoffnungsvoll setzte ich mich an seinen Schreibtisch und durchsuchte die Papiere, die darauf lagen. Vielleicht hatte er ja eine Botschaft hinterlassen. Nach einiger Zeit musste ich mir jedoch eingestehen, dass der Hüter nichts hinterlassen hatte. Keine Anweisung, keinen Rat, kein Wort. Was sollte ich denn jetzt nur machen?

Mit den Tränen kämpfend sah ich mich um. Richtig losheulen musste ich erst, als ich die Essensbox von gestern im Mülleimer sah. Gestern war er noch da gewesen und heute war er einfach weg. Ich erinnerte mich wieder an seine Worte: „Unsere Feinde werden stärker." Er hatte gesagt, dass die Maske nicht wisse, wo sie uns finden könnte, aber er hatte sich wohl geirrt. Oder er hatte mich belogen, was auch seine Beunruhigung erklären würde. Er hatte geahnt, was kommen würde und sich trotzdem entführen lassen. Entweder er war schwach oder die Maske war wirklich stärker geworden.

„Wenn ich weg bin, musst du die Bibliothek beschützen", hörte ich die Stimme des Hüters in meinen Ohren. Ja, aber wie? Wie soll ich sie beschützen, wenn ich nicht mal meine Magie richtig beherrsche? Stille folgte auf meine Gedanken, es war ja niemand mehr da, der sie hätte beantworten können.

Gegen Abend verließ ich die Bibliothek durch den Baum im Park. Ich hatte beschlossen, dass heulen und grübeln nicht half, weshalb ich erstmal die Kampfspuren beseitigt hatte, soweit es eben ging. Dabei fand ich leider keine weiteren Hinweise, wohin die Maske den Hüter verschleppt haben könnte.
Am liebsten wäre ich die ganze Nacht dort geblieben, um einen Plan zu schmieden und mir darüber klar zu werden, was passiert war. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch an meinem Körper und seinen Bedürfnissen. Die Party von letzter Nacht steckte mir noch immer in den Knochen und der versäumte Schlaf fehlte merklich.

So erschöpft wie ich war, guckte ich, bevor ich die Bibliothek verließ, nicht nach möglichen Zuschauern, was sich sogleich rächte, als ich von der Seite niedergeschlagen wurde. Kurz wurde mir schwarz vor Augen, doch ohnmächtig wurde ich nicht, was ich meinen Angreifer auch gleich spüren ließ. Mit all meiner Kraft wehrte ich mich, schlug nach allen Seiten. Einige meiner Schläge trafen etwas, aber die meisten gingen in die Luft. Fieberhaft überlegte ich, was ich tun könnte.

Der Angreifer war deutlich stärker als ich und wenn ich so weiter machte, hätte ich bald gar keine Energie mehr übrig.
Da kam mir die Idee: Wenn ich die Zeit stoppte, könnte ich ganz einfach verschwinden.
Gerade als ich meinen Mund öffnete, spürte ich einen stechenden Schmerz am rechten Oberarm. Augenblicklich verließen mich alle verbliebene Kraft und ich sackte in mich zusammen. Mein ganzer Körper brannte und an Zeit anhalten war gar nicht mehr zu denken. Dann endlich fühlte ich gar nichts mehr, eine willkommene Dunkelheit umschloss mich und zog mich in einen undurchdringlichen Schlaf.

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Ich schlug meine Augen auf und unangenehm grelles Licht blendete mich.
Schwarze Flecken beeinträchtigten meine Sicht. Als sich nach ein paar Mal Blinzeln die Lage immer noch nicht gebessert hatte, zwang ich mich trotzdem zum Umsehen.

Ich lag in einem gemütlichen Bett, was ich von dem Raum, in dem ich war, nicht gerade sagen konnte. Alles war weiß, glänzte und zeigte nicht das kleinste Anzeichen von Staub oder gar Dreck. Es sah nicht sehr einladend aus und wäre es nicht so neu und modern gewesen, hätte ich gesagt, dass ich mich in einer Zelle befinden müsse. Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen, doch meine Arme klappten unter mir weg als wären sie gekochte Nudeln. Auch sonst fühlte ich mich wie gut durchgebraten, was vielleicht daran lag, dass ich gefühlt 40 Grad Fieber hatte.

Ein paar Minuten machte ich die Augen wieder zu und entspannte mich. Ich sollte mich echt ausruhen. Eingekuschelt unter der Bettdecke schlief ich fast wieder ein. Aber nur fast, denn ein Gedanke ließ mich schlagartig wieder hellwach werden: Wo bin ich überhaupt?? Stöhnend setzte ich mich aufrecht hin, was eher schlecht als recht funktionierte (mir tat alles weh). Beunruhigt suchte ich mich nach Verletzungen ab, aber äußerlich war nichts festzustellen.

Dann sah ich mich nochmal genauer um. Ich war allein und mehr als das Bett, einen kleinen Nachttisch mit Lampe und einer Kommode gab es auch nicht. Ebenso wenig wie ein Zeichen, wo ich gelandet sein könnte. Ein Versuch, sich daran zu erinnern, was geschehen war, zeigte, dass nicht nur mein Körper seinen Dienst verweigerte, sondern auch mein Kopf.

Ich bin bestimmt nur in einem anderen Bezirk gelandet, der sich um mich kümmern wird, versuchte ich mich zu beruhigen.

Aber wenn das stimmt, warum ist dann niemand hier? Mein Misstrauen überwog, was mir genug Willenskraft verlieh, meine Beine über die Bettkante zu schwingen. Zitternd stand ich auf und wollte zur Tür tapern, bis ich bemerkte, dass es gar keine gab. Plötzlich bekam ich wirklich Angst. Wieso war ich hier? Wie war ich in diesen Raum überhaupt reingekommen? Würde mich irgendwann jemand hier rausholen oder musste ich verhungern? Erschöpft ließ ich mich wieder auf das Bett fallen und beschloss, zu warten. Was blieb mir auch anderes übrig?

Ich musste wohl irgendwann eingeschlafen sein, denn ich wurde von einem metallischen Surren aufgeweckt. Erschrocken wollte ich hochfahren, was wegen meines körperlichen Zustandes nicht so richtig funktionierte. Ich strampelte wahrscheinlich nur ein wenig unbeholfen herum, bis ich schließlich einfach liegen blieb.

Nach der Ursache des Geräusches suchend blickte ich an die nackte Wand und beobachtete fasziniert, wie ein Teil nach unten glitt und einen Durchgang bildete. Ich war ehrlich erleichtert. Es gab doch eine Tür! Zwar eine mega komisch-hypermoderne, aber ich war wenigstens nicht für immer in dem Raum gefangen.

Meine Glücksgefühle verschwanden jedoch so schnell, wie sie gekommen waren, als ich sah, wer da durch die Tür eintrat und mich böse anguckte. „Was... Du?!", meine Worte waren nur ein schwaches Flüstern, doch er hatte sie dennoch gehört und grinste nun zufrieden, was jedoch nicht weniger gefährlich aussah.

Beim Anblick der Maske holten mich unerwartet alle Erinnerungen wieder ein.

Ich war entführt worden, genauso wie der Hüter.

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Hiiii,
wollte nur kurz sagen, dass ich weiß, dass der Prolog jetzt eigentlich kein Prolog mehr ist, weil er mitten in der Geschichte vorkommt. Egal, es hat so gut an diese Stelle gepasst. Aus Mangel eines besseren Wortes nenne ich ihn jetzt trotzdem weiterhin Prolog.
Bleibt gesund,
NIzzH

Die Bibliothek (oder auch: die Geschichte aller Geschichten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt