Vom Lügen und anschließendem Überzeugen

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Seth und Kane klingelten an Mays Haustür. Eine Frau mittleren Alters öffnete und lächelte bei Seths Anblick. „Ben! Wie schön, dich zu sehen", sagte sie fröhlich. „Was machst du hier so spät am Abend?"

„Guten Abend, Pia. Ich bin wegen May hier", antwortete Seth freundlich. „Oh, da muss ich dich enttäuschen, sie ist nicht da", ließ Pia ihn wissen, aber er antwortete lässig: „Ja, das wissen wir. Dürfen wir reinkommen?" Ohne auf die Erlaubnis zu warten betrat Seth das Haus. Kane machte Anstalten, ihm zu folgen, aber Pia hielt ihn auf: „Und du bist?" Misstrauisch musterte sie ihn, derart perfekte junge Männer waren ihr suspekt. Auch, wenn sie noch nie ein derart perfektes Exemplar gesehen hatte. „Mein Name ist Kane. Und Sie lassen mich jetzt rein", antwortete der Schönling selbstbewusst. Sie wollte ihm den Zutritt verweigern, aber sein durchdringender Blick durchbohrte sie und automatisch stieß sie die Tür noch ein Stück weiter auf. „Vielen Dank", sagte Kane zufrieden. Pia schüttelte leicht ihren Kopf, als hätte sie den Faden verloren, dann wandte sie sich wieder Seth zu: „Also, du bist wegen May hier? Weißt du, wo sie ist? Ehrlich gesagt habe ich seit eurer Party nichts von ihr gehört." Mütterliche Sorge klang in ihrer Stimme mit. „Keine Sorge, May geht's super gut. Sie ist bei Lotti. Und sie hat ihr Handy verloren, weshalb sie sich nicht gemeldet hat", fing Seth an zu erklären, aber er stoppte, als er Pias ungläubigen Blick sah. „Warum schickt sie dich, Ben und kommt nicht selbst?", fing sie auch schon an zu fragen und Seth stöhnte genervt. „Würdest du kurz deinen Mann herholen? Dann erzähl ich die Wahrheit", bat er sie dann. „In Ordnung", antwortete Pia, besorgt und verwirrt zugleich. Dennoch tat sie, wie ihr geheißen und verließ den Flur, um nach Mays Vater zu suchen. „Kannst du sie überzeugen?", fragte Seth Kane, als Pia außer Hörweite war. „Na klar, sie ist leicht beeinflussbar", antwortete jener selbstbewusst. Seth verdrehte die Augen und wandte sich ab. „Hey, bist das nicht du hier auf dem Foto?", fragte der Schönling plötzlich belustigt. Er zeigte auf einen Bilderrahmen, der einsam an der Wand hing. Es zeigte zwei Kinder, die stolz ihre Rucksäcke präsentierten. Ohne hinzugucken antwortete Seth: „Ja, das war bei der Einschulung in die 5." „Du warst ja echt ein Schnuckelchen", zog Kane ihn auf. Gerade wollte der andere etwas erwidern, da kamen Pia und ihr Mann zurück. „Also, was ist passiert, Jungs?", fragten sie unisono. Der Gutaussehende stellte sich direkt vor die besorgten Eltern und stellte mit beiden abwechselnd Blickkontakt her. Ehe sie sich wehren konnten, waren sie auch schon ihn seinem magischen Bann gefangen. „May ist bei Lotti, sie ist nicht selbst hier, weil", an dieser Stelle musste Kane kurz überlegen „... Lottis Freund gerade mit ihr Schluss gemacht hat." Seth schlug sich die Hand vor den Kopf und hoffte, dass Mays Eltern leichtgläubig und Kanes Magie stark genug waren. „Maylin wird mit ein paar Freundinnen morgen für einige Zeit in den Urlaub fahren, relativ spontan. Sie wird sich wohl eher nicht melden." „Sag noch, dass wir einen gefüllten Koffer für sie mitbringen sollen", sagte Seth und Kane guckte ihn verständnislos an: „Warum?" „Mach einfach." Er zuckte die Schultern und überzeugte Pia zusätzlich, einen Koffer für May zu packen. Als die magische Verbindung abbrach, guckten beide Opfer verwirrt und mussten sich neu orientieren. Dann verschwand der ältere Mann mit den Worten: „Danke, dass ihr uns erzählt habt, wo unsere Tochter ist" im Wohnzimmer und die Frau nahm die Treppe nach oben, um eine Tasche zu packen. „Und wofür jetzt die Tasche?" Als wäre es das Offensichtlichste der Welt antwortete Seth: „Liz' Strategie ist es doch, so nett wie möglich zu ihr zu sein. Sind da ein paar ihrer eigenen Klamotten nicht förderlich?" Widerwillig nickte Kane. Ein paar Minuten standen beide unschlüssig herum, bis Pia mit einer Reisetasche wiederkam. „Vielen Dank", bedankte sich der Hübsche charmant und zeigte sein schönstes Lächeln. „Ach, kein Problem." So schnell wie möglich verabschiedeten sich die beiden Jungen und verließen das Haus. „Das lief doch ganz gut", stellte Kane zufrieden fest und Seth nickte: „Lass uns jetzt so schnell wie möglich zurück, ich will ins Bett."

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