Von übertriebener Fröhlichkeit und detaillierten Drohungen

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Seine gekünstelte Lache hallte von den weißen Wänden wider und ich bekam Angst. Ich wusste weder, wo ich war, noch, wieso ich mich so ausgelaugt und zittrig fühlte. Diesmal konnte ich mich nicht wehren. Er würde mich umbringen, so wie er es schon vor drei Jahren hatte tun wollen. Verzweifelt versuchte ich, meine Magie heraufzubeschwören und musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass ich keinen Funken mehr davon im Körper hatte. Sie war einfach weg.
Als die Maske merkte, wie ich mich anspannte, lachte er nur noch lauter: „Das wird nicht funktionieren, Kleine. Deine Magie ist ausgelöscht, wie ein Fünkchen im Schneesturm." Mit all meiner Kraft brachte ich ein schwaches „Wie geht sowas?" zustande. Nicht mal reden konnte ich vernünftig, ich war erledigt.
„Oh, das habe ich getan", ein hübsches junges Mädchen kam mit einem schuldbewussten Lächeln hinter der Maske hervor „Es tut mir leid, aber irgendwie musste ich dich ja ruhig stellen."

Was machte jemand wie sie hier? Sie sah viel zu nett und unschuldig aus, als dass sie mit der Maske hätte zusammenarbeiten können. Ich setzte zu einer Antwort an, obwohl ich nicht wusste, was ich sagen wollte. Diese Freundlichkeit entwaffnete mich irgendwie. Es war viel einfacher, jemand Bösen anzugiften, als jemandem wie ihr blödzukommen.
Dennoch! Irgendwie hatte sie mir meine Magie entzogen und das konnte ich nicht einfach so auf mir sitzen lassen.

Mein Mund öffnete sich, aber nun war ich endgültig zu schwach zum Reden. Es kam nur ein heiseres Röcheln aus meiner Kehle und plötzlich hatte ich viel mehr Angst davor, an Energielosigkeit zu sterben, als vor der Maske erdrosselt zu werden.

Das nette Mädchen erschreckte sich merklich, ging zu mir rüber und hob den Arm, als wollte sie mich berühren, da rief die Maske mit aller Kraft: „Stopp!" Ihre Hand, die sich auf dem Weg zu meinem Oberarm befand, fror mitten in der Bewegung ein. Ich dachte, dass der Chronokinesist die Zeit angehalten hatte, aber da bewegte sich das Mädchen wieder. Konnte sie auch die Zeit beeinflussen oder hatte er seine Gabe gar nicht eingesetzt? Ich hätte auf meine Armbanduhr geguckt, wenn ich mich hätte bewegen können.

„Aber sie braucht mehr Kraft, wenn wir mit ihr reden wollen. Wenn sie uns jetzt einfach so wegstirbt, ist niemandem geholfen!", argumentierte sie und die Maske willigte widerwillig ein. Die Hand erreichte meinen Oberarm und augenblicklich fühlte ich mich besser. Meine Haut unter ihren Fingern kribbelte angenehm und ich spürte förmlich, wie sich von dort aus Energie in meinem ganzen Körper verteilte.

Bald kribbelte alles und ich fühlte mich, als wäre ich aus dem Winterschlaf aufgewacht. Langsam setzte ich mich auf und merkte, dass ein Schleier von meinen Augen verschwunden war. Vorher hatte ich alles nur gedämpft wargenommen, was mir aber erst jetzt auffiel.

„Ich bin übrigens Liz", sagte meine Heilerin und streckte mir die Hand aus. Ich ergriff sie: „Maylin." Die Berührung fühlte sich nicht mehr so angenehm und warm an, sondern komisch. Sie hatte mir meine Magie doch erst genommen, sie gehörte zur Maske und wer weiß wem sonst! Angewidert zog ich meine Hand zurück und sie lächelte ein wenig traurig.  Ihr Blick schien zu sagen: „Ich kann es dir nicht verübeln."

„So genug von dieser kleinen Vorstellrunde. Sag ihr, warum sie hier ist", forderte die Maske Liz in seiner direkten Art auf.

„Ja, ähm", fing sie an zu stottern „May, -darf ich dich May nennen?- du hast eine besondere Gabe, die wir für unsere", sie schien nach dem richtigen Wort zu suchen und fuchtelte unbeholfen mit ihrem Armen in der Luft rum „... Sache dringend benötigen könnten." Ich verstand nicht. Die wollten mich für ihre Sache? Wussten sie denn nicht auf welcher Seite ich stand? Nein, lieber würde ich sterben, als den Hüter und die wunderschöne Welt der Bibliotheken zu zerstören.

„Nein", sagte ich deshalb mit fester Stimme. „Nein?", rief die Maske aus und glitt in einer geschmeidigen Bewegung zu mir herüber „Tja, zu schade. Ich frage mich wohl, wie diese Entscheidung deiner Familie gefallen wird. Wir sollten sie einfach besuchen und nachfragen, wäre das nicht schön? Ich wollte schon immer jemandem meine Messersammlung vorstellen", die Maske hatte sich während dieser Worte immer weiter nach vorne gelehnt und alles gleich betont. Dieser Psycho konnte einem wirklich Angst machen, was, angesichts seiner Drohung meiner Familie gegenüber, wahrscheinlich auch nicht dumm wäre.

Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen, um mich zu sammeln. Bloß keine Schwäche zeigen. „Na schön, aber was nütze ich euch? Ihr habt doch schon einen Chronokinesisten in euren Reihen. Was bringt euch denn ein zweiter?", versuchte ich es mit Argumenten. Vielleicht lassen sie mich gehen, wenn sie merken, dass ich nutzlos bin, flüsterte eine naive Stimme in mir.

„Du weißt es nicht?", fragte Liz offenkundig überrascht. Was sollte ich denn wissen?

„Du hast nicht nur eine Gabe, May", ließ sie mich aufgeregt wissen.
Was? Stimmt das oder lügt sie? Als ich nicht reagierte, redete sie einfach weiter: „Du kannst jemandem seine Gabe und Magie entziehen." „So ... wie du?", warum glaube ich ihr? Sie musste doch lügen, ganz offensichtlich tat sie es. „Nein", sie lachte kurz auf „wenn du jemandem seine Gabe nimmst, verliert derjenige sie für immer. Ich kann sie lediglich entziehen, das auch nur für eine bestimme Weile, aber nie ganz auslöschen. Deshalb brauchen wir dich! Du musst unseren Feinden ihre Magie nehmen, für immer", ihre Feinde, die gleichzeitig meine Freunde waren. Ich werde nicht für sie arbeiten, niemals. „Wir werden mit deiner Hilfe gewinnen!", vollendete sie enthusiastisch ihren Redefluss. Gespannt und mit einem erwartungsvollem Grinsen sah sie mich an. Erwartete sie ernsthaft eine Antwort von mir? Ich wusste zwar weder, was diese Leute vorhatten, noch wieso sie taten, was sie taten, aber eines wusste ich auf jeden Fall:
Ich würde ihnen nicht dabei helfen.

Dessen war ich mir zu hundert Prozent sicher, bis sich die Maske wieder dem Gespräch zuwandte. Er hielt einen elend langen Vortrag darüber, was er meiner Familie und meinen Freunden, aber auch wildfremden, unschuldigen Personen antun würden, wenn ich mich ihm widersetzte. Am Ende war ich den Tränen nahe und wollte mir am liebsten die Ohren zuhalten, so schrecklich detailliert erklärte er, was er alles vorhatte. Es war schrecklich und am schlimmsten war die Ruhe und Gleichgültigkeit, mit der er redete. Keine Emotion ließ sich erkennen, bis auf unverkennbaren Spaß in seinen Augen, wenn er besonders grausame Pläne erörterte.

„Okay! Es reicht! Ich mach ja schon, was ihr wollt!", schrie ich, als es mir zu viel wurde. Meine Stimme war nicht annähernd so fest, wie ich sie gerne gehabt hätte. Man hörte, dass ich Tränen unterdrückte. Die Maske lächelte kalt und verließ den Raum, während Liz mich von dem Bett hochzog und mit einem strahlenden Lächeln verkündete, dass sie mir jetzt alles zeigen würde. Ich folge ihr willenlos.

Die Bibliothek (oder auch: die Geschichte aller Geschichten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt