„Äh, wie bitte?" Wovon redet der bitte? Ich sah ihn verständnislos und zu meiner Schande mit offenem Mund an. Ich musste aussehen wie ein Schaf, aber der Mann ließ sich nicht beirren und kam auf mich zu.
„Deine Kraft ist nicht abzustreiten, in der Tat. Du musst eine wundervolle Gabe haben, mein Kind."
Jetzt bekam ich doch ein bisschen ....Respekt und ging ein paar Schritte rückwärts. Der Kerl ist doch verrückt!
„Oh nein, du brauchst keine Angst haben, ich werde dir nichts tun. Ich bin hier, weil du als meine Nachfolgerin auserkoren wurdest." Nachfolgerin?? What?„Wie bitte? Wofür?" „Ich werde es dir in Ruhe erklären, aber setz dich doch erstmal." Misstrauisch sah ich ihn an, was ihn dazu veranlasste, mir einen Vorschlag zu machen: „Okay, ich werde hier in diesem Zimmer bleiben. Du kannst dich in dem anderen irgendwo hinsetzten und ich erkläre dir alles durch die Tür. Dann bin ich weit genug weg und du brauchst keine Angst zu haben." Ich muss zugeben, dass ich schon ein bisschen neugierig war, was der Alte von mir wollte, weshalb ich mich auf den Deal einließ und mich auf mein Bett setzte.
„Gut, reden Sie. Wofür soll ich auserkoren" - bei diesen Worten malte ich mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft - „sein? Und was meinten Sie mit Gabe?"
„Lass mich von vorne beginnen, mein Kind. Ich bin der Hüter der hiesigen Bibliothek und das schon sehr lange", fing er mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme an. „Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, einen Nachfolger einzuarbeiten, der meine Aufgaben übernehmen wird, sobald ich... nun ja nicht mehr da bin. Die Wahl fiel auf dich. Selbst ohne Aktivierung spüre ich deine Magie deutlich, weshalb sie sehr stark sein muss", an diesem Punkt setzte mein Gehirn eine Sekunde lang aus. Magie?? Entweder war mein größter und gleichzeitig unrealistischster Traum gerade Wirklichkeit geworden oder der Mann war wirklich verrückt.
„Ja, Magie, Maylin." Hatte ich ihm meinen Namen verraten? Keine Ahnung.
„Meine, und auch die vielen anderen Bibliotheken, sind nicht normal. Zumindest nicht so, wie du normal definierst. In ihnen stehen natürlich Bücher, aber sie sind nicht von irdischen Autoren verfasst, sondern beinhalten reale Geschichten von überall in diesem Universum. Die größte Bibliothek von allen, die Sammelzentrale, sortiert alle Geschichten nach Genre und Bezirk und überlässt sie dann der jeweils zuständigen Bibliothek zur Aufbewahrung. So wird verhindert, dass sich das Wissen des Universums an nur einem Ort sammelt, was viel zu riskant wäre. Schon so gibt es immer und immer wieder Leute, die das Wissen und somit die Macht der Bibliotheken vereinen wollen, um jene zu missbrauchen. Bis jetzt kam es aber noch nie soweit, dass einer dieser Kretins uns ernsthaft gefährdet hätte."
Mein Gehirn setzte nach diesem Vortrag nicht nur aus, sondern hatte gefühlt kompletten Systemausfall.
Magie? Macht? Geschichten? Universum? Was hatte ich mit all dem zu tun? Ich war nur ein ganz normales Mädchen, nichts mehr und nichts weniger. Ich sah mich nach Kameras um. Vielleicht war das alles nur ein Witz für eine Fernsehshow? Vielleicht würde gleich jemand aus meinem Schrank springen und „Verstehen Sie Spaß?" rufen.
Aber es kam niemand und unwillkürlich begann ich, dem „Hüter" zu glauben. Die Vorstellung, magische Fähigkeiten zu besitzen und Teil einer magischen Gesellschaft zu sein, war einfach viel zu fantastisch, um sie nicht nur zumindest mal in Erwägung zu ziehen. „Also... in Ihrer Bibliothek stehen Bücher, aber nicht von Autoren geschrieben? Wer schreibt sie dann?", sprach ich eine der tausend Fragen in meinem Kopf aus.
„Das Leben."Danke, die Antwort klärt auf jeden Fall all meine Fragen.
„Wie jetzt?", hakte ich nach.
„Alles, was irgendwo in diesem Universum passiert, erscheint Niedergeschrieben in der Hauptbibliothek. Dort wird alles sortiert und dann den kleineren zur Aufbewahrung übergeben." „Also für jedes Leben ein Buch, das sich selbst schreibt oder wie?" „Ja."Ich mochte zwar Bücher, aber das waren mir definitiv zu viele. „Und die Bibliothek heben sie auf? Macht man dann noch irgendwas mit den Geschichten oder liegen sie dann da rum?"
„Wir können die Interessanten einem Autor als Idee zukommen lassen. Dann schreibt er alles nochmal nieder und veröffentlicht es dann gegebenenfalls." Mir blieb die Spucke weg. „Also sind alle Bücher, die ich je gelesen habe, genau so irgendwo irgendwann passiert?"
„Nicht 1 zu 1, hier und da schmücken die Autoren gerne mal etwas aus, aber ja der Grundgedanke ist real."„Krass!", ich sprang auf, rannte zu dem Mann ins Bücherzimmer und griff an ihm vorbei nach dem Buch, das immer noch auf dem kleinen Tischchen lag. Er erschrak sich merklich und wich ein Stück zurück. Dann aber lächelte er, als wäre er froh, dass ich ihm glaubte und keine Angst mehr vor ihm hatte. „Also existieren Violet und Ash wirklich?", aufgeregt deutete ich auf den Roman in meiner Hand. „Kann ich sie besuchen, geht das?", es wär mein aller größter Traum, in die Welt eines meiner Bücher zu gelangen, besonders natürlich in die meines Lieblingsbuches.
„Nein, ich fürchte das geht nicht. Außer natürlich du hättest die Gabe, dich zu teleportieren, was sein könnte", das gab meinem Glück einen kleinen Dämpfer, bis mir die Bedeutung seiner Worte klar wurde: Ich hatte Zauberkräfte!
Zumindest behauptete er das, aber wenn ich ihm den abgefahrenen Rest mit Bibliotheken und anderen Welten glaubte, warum nicht auch, dass ich magisch war?„Und welche Kräfte habe ich jetzt genau?", fragte ich neugierig.
„Das werden wir heute herausfinden, mein Kind. Sofern du bereit bist, deine Aufgabe und die mit ihr verbundenen Pflichten anzunehmen", sagte er mit tiefer Stimme und sah dabei ganz und gar ernst aus, was ihn nicht mehr ganz so freundlich wirken ließ.Diese Stimmlage verlieh ihm eher etwas von einem Sektenanführer, der neue Leute rekrutiert.
Doch als er mit einer Handbewegung eine Art Tor an einer meiner Bücherwände erschienen ließ, das in eine Bibliothek führte, war es um mich geschehen und meine Neugierde siegte.
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Die Bibliothek (oder auch: die Geschichte aller Geschichten)
Fantasy„Das ist die Hauptzentrale, sozusagen der Verteiler des Systems. Das best gesichertse Gebäude, das wir je knacken mussten. Wie sollen wir das schaffen?", fragte Liz, während sie sich ihre Haare zu einem Pferdeschwanz band. „Gar nicht?", versuchte ic...