Kapitel 1

224 13 2
                                    

5. September, Montag

Mein Wecker klingelt mal wieder um 6.30 Uhr morgens und reißt mich aus dem Schlaf. Seufzend stelle ich ihn aus und laufe anschließend so leise wie möglich ins Badezimmer. Wie jeden Morgen bemühe ich mich, mit sehr wenig Lärm meine Zähne zu putzen und mein Gesicht zu waschen. Ich möchte ja nicht am frühen Morgen schon streiten. Mit leisen Schritten laufe ich zurück in mein Zimmer und gehe an meinen alten, zerbrechlichen Schrank. Wieso muss diese Schranktüre so quietschen? Genervt nehme ich mir meinen grauen Hoodie und meine schwarze Boyfriend Jeans und ziehe mich um. Zu guter letzt nehme ich meinen Rucksack und laufe in die Küche. Ein Brötchen für die Schule wäre nicht schlecht. Aus dem Kühlschrank hole ich langsam den Frischkäse und die Cherry Tomaten raus und schmiere mir ein Brot. Ich muss schmunzeln, da mir meine Mutter in den Sinn kommt. Wie sie mir früher immer meine Brötchen zubereitet hat und mir meinen Lieblingssaft mitgegeben hat. Oder wie sie immer mehrere Schichten Alufolie benutzt hat. Den Grund dafür weiß ich bis heute nicht. Ich seufze noch einmal und packe dann das Essen in mein Rucksack. 7.10 Uhr. Ich ziehe mir meine Winterjacke über und merke, dass diese etwas drückt. Vielleicht kaufe ich mir ja irgendwann mal eine neue? Aber dafür brauche ich Geld. Naja egal, darum kümmere ich mich später. Ich ziehe noch meine Stiefel und meine Mütze an und greife nach meinem Rucksack. Meine Schule ist nicht so weit entfernt, ich komme in fünfzehn Minuten am Zielort an. Ich stecke mir noch meine Kopfhörer an und laufe schlussendlich los.

Mit Musik in den Ohren betrete ich die Schule und laufe in mein Klassenzimmer. Wie froh ich bin, dass ich nach einigen Monaten nicht mehr hier her muss! Kann ich nicht in Worte fassen. Ich lasse mich auf meinen Platz der sich in der zweiten Reihe befindet nieder und stecke meine Kopfhörer raus. Diese packe ich mit meinem Handy zusammen in meine Tasche und ziehe meine Jacke aus. Mit wem ich in der Schule abhänge? So gut wie mit niemanden. Nur mit meiner Nebensitzerin ab und zu. Ich habe kein Vertrauen in Menschen, möchte es auch nicht. Ich wurde oft genug enttäuscht und musste viele Vertrauensbrüche erleiden. Deshalb möchte ich keine unnötigen Menschen als „Freunde" betiteln und im Endeffekt dann einen Arschtritt kassieren. Als endlich die Lehrerin kommt beginnt auch schon der Unterricht.

Noch ein Schultag geht vorbei. Ich ziehe mich an, stecke meine Kopfhörer in meine Ohren und lasse Désolé von Nimo und Mero laufen. Langsam laufe ich los und komme unerwartet schnell an. Ich schließe die Türe auf, ziehe schnell meine Schuhe aus und laufe direkt ins Zimmer. Rasch setze ich mich an meine Hausaufgaben und bearbeite sie.
Fertig mit allem packe ich all meine Bücher und Hefte ein und schaue dann auf mein Handy. 15.30 Uhr. Ich könnte ja noch kurz zu meiner Oma gehen. Ohne ein weiteres Mal zu überlegen ziehe ich mir etwas bequemes an und schlüpfe in meine Schuhe. Bevor ich aus der Tür treten kann öffnet sich die Türe und mein Vater tretet mit seiner Frau ein. Sie sind wohl einkaufen gewesen. Ich versuche nicht hinzugucken, ziehe meine Mütze an und mache an meinen schon gebundenen Schnürsenkeln wieder rum. „Wohin willst du?" Allein bei seiner ekelhaften Stimmlage könnte ich durchdrehen. „Dir auch Hallo." gebe ich gespielt freundlich von mir. Er seufzt nur genervt und lässt die Sachen ab. „Wohin du willst?" gibt er nun schroff von sich. „Zu meiner Oma." Ohne den beiden einen weiteren Blick zu würdigen trete ich aus der Türe und laufe los. Wie sehr ich es hasse mich auch noch rechtfertigen zu müssen. Meine Oma wohnt etwas weiter von der Schule entfernt. Angekommen ziehe ich schon meine Schuhe aus und klingele währenddessen. Nach wenigen Sekunden öffnet sich die Türe und meine Oma empfängt mich in ihren Armen. „Meine Liebe wie sehr ich dich vermisst habe", gibt sie von sich und umarmt mich innig. „Ich war doch noch gestern hier", lache ich und erwidere ihre Umarmung. Sie schließt die Türe woraufhin wir dann zusammen rein laufen. „Wie war dein Schultag?" Ich lasse mich neben sie fallen und lege meinen Kopf auf ihre Oberschenkel. Meine Beine winkele ich nachdem ich mich hingelegt habe an und kann nun perfekt auf den Fernseher sehen. „Gut. Aber trotzdem hab ich keine Lust mehr Anneanne", beschwere ich mich etwas. Ich fand es schon immer lustig, dass Oma mütterlicherseits auf Türkisch Anneanne, die Mutter der Mutter bedeutet. Doppelt Anne also. Bei dem Gedanken muss ich leicht lächeln. Sie spielt mit meinen Haaren, was mich sehr beruhigt. Ich schließe meine Augen und seufze erleichtert aus. „Du hast doch sowieso nicht mehr lang, stell dich nicht so an". Das bestätige ich ihr nur mit einem Nicken. Meine Oma hat eine der wichtigsten Rollen in meinem Leben. Denn sie bindet mich unwillkürlich an meine Mutter. Sie war immer für mich da, in guten so wie in schlechten Zeiten. Sie und Dede. Noch nie haben die beiden mich in irgendeiner Weise zweifeln lassen oder gar alleine gelassen. Sie gab mir auch immer das Gefühl als wäre meine Mutter noch bei uns. Vielleicht weil ich so viel mit ihr verbinde? Als ich damals so viel Schmerz und Leid verspürt habe war meine Oma die einzige Person die mindestens genau so viel gelitten hat. Wenn nicht, dann mehr. Sie hat mich verstanden als mich kein anderer verstanden hat. Sie wollte mich auch aufnehmen und ich würde zu gerne für immer bei ihr wohnen. Leider bin ich aber noch minderjährig und mein ach so toller Vater erlaubt es mir nicht. Nicht weil ich ihn interessiere, nein auf keinen Fall. Sondern einfach um mir das Leben zu erschweren. Wieso er das Sorgerecht hat frage ich mich bis heute. Scheiß Gesetz! Eigentlich würde ich ja machen was ich möchte, aber ich will meiner Oma keine Probleme bereiten. Denn sie verdient alles beste, diesen irrelevanten Stress will ich vermeiden. In ein paar Wochen bin ich sowieso achtzehn, dann kann er gar nichts mehr tun. Dann kann ich für mich selbst entscheiden.

Einige Zeit später steht Anneanne auf. „Du hast bestimmt hunger, schau mal was ich gemacht habe", sagt sie und läuft mit schnellen Schritten in die Küche. Anneanne ist für ihr Alter echt fit. Ich hoffe, dass sie immer so bleibt. Kurz danach kommt sie mit Besteck und einem Teller voll mit Dolma zurück. Sofort stehe ich auf und setze mich an den Esstisch, wo Oma das Essen ablegt. „Das riecht so lecker", gebe ich fasziniert von mir. Ohne noch mehr Zeit zu verlieren greife ich nach der Gabel und esse die gefüllten Auberginen. „Das schmeckt wie Annes Dolma", erinnere ich mit vollem Mund und esse genüsslich weiter. Oma bringt mir noch ein Glas Wasser, woraus ich direkt trinke und setzt sich neben mich. „Ja sie hatte das Rezept von mir", lächelt sie stolz. „Kriege ich auch das Rezept? Dann kann ich das auch meinen Kindern kochen." Sie muss wegen dieser Aussage noch kräftiger lächeln. „Natürlich Melegim." Ich liebe es wenn sie mich so nennt. Meine Mutter hieß Melek. So ein wunderschöner Name. Er passt auch sehr gut zu ihr, denn sie ist wirklich ein wahrer Engel. Und ich hoffe dieser Engel fliegt sehr weit.
Ob meine Mutter uns gerade sieht? Ob sie glücklich ist uns so zu sehen? Ob sie weiß wie sehr ich sie vermisse und liebe? Sieht sie was ich alles für sie tue? Wie ich mich anstrenge und für sie alles erreichen werde?

Das Schicksal steht geschrieben. Trotzdem weiß ich, dass du meine Stimme aus dem Himmel hörst Mama.

______________________________________________

Sooo, Hi Leute nochmal persönlich von mir - mit einem neuen Buch. Ich hoffe das erste Kapitel gefällt euch, über Feedback freue ich mich - wisst ihr ja mittlerweile. Ich bedanke mich im Voraus bei den Lesern!
Byeee - Mel

Zu zweit alleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt