Ich kniff meine Augen zusammen, da das Licht, das die Glühbirne spendete ziemlich spärlich war. Dennoch konnte ich die Wand vor mir sehr deutlich erkennen. Das Entsetzen machte sich in mir breit, als mein Blick die komplette Wand in Augenschein nahm. Käfige, so viele, dass die Wand dahinter nicht mehr zu sehen war, in denen sich die merkwürdigsten Kreaturen befanden, säumten sich und waren übereinander gestapelt. Meine geweiteten Augen sahen von dem einen Käfig zum anderen. Die intelligenten Augen eines Adlers beobachteten mich genaustens. Die breiten Flügel schlugen gegen die Wände des Käfigs, auch der Körper, welcher der eines Löwens war, stand aufrecht, als würde von mir eine Bedrohung ausgehen. Bei genauerem Hinsehen konnte ich die Naht erkennen, die die beiden Körper miteinander verband. Ich konnte nicht anders, ich musste mir die anderen Wesen ansehen. In einem der Käfige war ein Pferd, mit angenähten Flügeln und in einem Anderen ein menschlicher Körper mit dem Kopf eines Frosches. Der Kopf des Mannes lag abgetrennt am Boden. Ich wandte meinen Blick von den Kreaturen ab und sah zur anderen Wand. Dort waren Menschen an die Wand gekettet. Die Ketten waren an Manschetten um Fuß- und Handgelenke und einem Halsband befestigt. Die Augen waren mit einem Stahlband verbunden und die Münder zugenäht. Auch einige Tiere waren dort festgemacht. Auf dem Boden tummelten sich abgetrennte Gliedmaßen, Blutlachen und Dreck. Dieser Geruch stieg mir auch in die Nase und ich musste würgen. Schnell sah ich weg, doch auch diesmal blieb mein Blick hängen. Ich sah zu einer Werkbank, auf der ein kleines Baby lag. Die Arme und Beine zwischen Schraubstöcken festgehalten und die Brust offen. Es fehlte das Herz. "Er verlangt nur die Herzen." Eine Stimme drang zu mir durch und ich riss mich von dem Anblick los. Der Kopf des Babys war nicht menschlich. Es war ein Puppenkopf, mit den Eigenschaften eines Roboters. Ein mechanisches Klicken ertönte, als es blinzelte und mit einem Summen den Kopf zu mir drehte. Ich konnte mich nicht zurückhalten und musste mich übergeben. Wie konnte man so etwas einem kleinen Kind antun. Ich bemerkte bei dem ganzen Übel hier nicht einmal, wie ich wieder zu wachsen begann und meine normale Größe zurück bekam. Auch die Flügel waren verschwunden. Nachdem ich meinen Mageninhalt entleert hatte, sah ich mich nach der Stimme um. "Wer?" Mehr konnte ich nicht sagen. "Der Herzkönig." Ich richtete mich wieder gerade auf, da trat eine Frau aus den dunkeln Schatten der Wand heraus. "Er verlangt die Herzen der Menschen und überlässt mir den Rest für meine Experimente." Die Frau lächelte mich mit dem breitesten Grinsen an, das ich je gesehen hatte und zeigte dadurch eine Reihe spitzer Zähne. Auch der Rest ihres Gesichts war außergewöhnlich. Die Nase eine kleine Stupsnase über hauchdünnen Lippen. Eine leichte Lippenspalte ließ diesen unteren Teil des Gesichts katzenartig wirken. Aber auch die Augen, welche mandelförmig waren und so die geschlitzten Pupillen noch verstärkten, die von einem saftigen Türkis umgeben waren, erinnerten an Katzenaugen. Ihre Haare lockten sich in einem strahlenden Grau um ihr Gesicht und gingen bis zu ihrer Hüfte. Strähnen von der gleichen Farbe wie ihre Augen säumten das schöne Haar. "Sind sie nicht wundervoll?", fragte die Frau und ihre Augen begannen zu Leuchten. Ihr Körper war dünn, sie war auch nicht wirklich groß. Sie streckte ihre Arme aus, womit sie ihre Kurven, die von einem schwarzen Lederkorsett mit blauen Schleifen an den Seiten, hervorgehoben wurden und zeigte so auf die Kreaturen in den Käfigen. Ihre Beine wurden ebenfalls von Leder bedeckt, welches sich eng an ihre Konturen schmiegte und die Füße steckten in schwarzen High Heels aus Lack. Sie wirkte wie Catwoman. "Wundervoll? Das ist grausam" Ich zwang mich, nicht zu dem Baby zu sehen. "Ein wenig vielleicht." Erneutes Lachen, welches mir eine Gänsehaut verschaffte. "Aber was denkst du, wo eure Fabelwesen herkommen?" Ich runzelte die Stirn und sah erneut zu den Käfigen. "Genau, Mädchen. Sie werden hier geboren. Nun ja, geboren ist der falsche Ausdruck. Gemacht trifft es wohl besser. Nicht wahr, Cater?" Der Mann, der mich hierher brachte, nickte der Frau zu und trat von mir weg, um sich eine Zigarette aus einem Etui zu holen und sich diese anzuzünden. Ein anderer Gedanke drängte sich aber an die Oberfläche meiner Gedanken. "Wie bin ich hier hergekommen?" Ich erinnerte mich an den Sumpf, er lag direkt hinter mir, als ich in dem Feld zu dem Baum kam. Aber wie war ich in diese Glaskugel gekommen? "Eine hervorragende Frage, Kind. Eigentlich bist du gar nicht da." Die Frau schenkte mir ein fröhliches Lächeln. "Was?" Wollte sie mich auf den Arm nehmen? "Komm, lass uns in den Salon gehen, dort ist es etwas gemütlicher als hier. Sie rümpfte die Nase und verschwand einfach. Cater warf seine Zigarette auf den Boden, der nur aus Beton bestand und öffnete die Tür. Nach kurzer Zeit verstand ich, dass er sie mir aufhielt und verwirrt trat ich hindurch. Wir durchliefen den kargen Raum und betraten einen hellen, lichtdurchfluteten Raum, der mit Eichenmöbeln bestückt war. Die Frau saß an einem runden Tisch und deutete auf den leeren viktorianischen Stuhl ihr gegenüber. "Wie heißt du, Kind?", fragte die Frau. "Cataysa." Ich blieb vor ihr stehen. "Setz dich doch, Cataysa. Möchtest du einen Tee, oder lieber einen Gin?" Ich runzelte erneut den Stirn. "Ich möchte wissen, was Sie vorher angedeutet haben." Die Frau sah mich einfach weiter an. Sie war wie eingefroren, nicht einmal ein Blinzeln ließ sie zu. Sie schien zu warten. "Einen Tee?" Die Frau lächelte wieder. "Cater! Bring mir doch bitte einen Gin Tonic und unserem Gast einen Tee." Der seltsame Mann verließ den Raum und die Frau faltete die Hände ineinander. "Du bist sehr hübsch, Cataysa", sagte sie. "Ähm, danke.. Miss?" Ich war erneut verwirrt. "Mein Name ist Evelynne, aber nenne mich doch bitte Evil." Sie lächelte schon wieder. Konnte diese Frau nur lächeln.
Cater kam mit den Getränken zurück und stellte sie vor uns ab. "Nun Mädchen, stell mir deine Fragen", verlangte sie, nachdem sie einen Schluck ihres Gin Tonics getrunken hatte.Ich sah die Frau einen Moment einfach an. "Wie meinten Sie, dass ich gar nicht hier wäre?", stellte ich die erste Frage, die mir einfiel. "So wie ich es sagte", antwortete die Frau. Ich erinnerte mich an Adrians Vorwurf, ich würde die falschen Fragen stellen. "Wo bin ich?" Die Frau stellte ihr Glas ab und ein Funkeln trat in ihre Augen. Anscheinend war das die richtige Frage. "Im Todessumpf." Ich wusste nicht was ich davon halten sollte. Wie konnte ich in dem Sumpf sein? Ich hatte es doch hinaus geschafft. "Wie kann ich hier sein, wenn ich noch im Sumpf bin?" Die Frau lehnte sich in dem Stuhl zurück, der aussah, als wäre es ein Thron. "An was kannst du dich noch erinnern?" Ich kniff bei dieser Frage meine Augen zusammen und sah die Katzenfrau an. "Ich war in dem Sumpf, der Nebel wurde immer dichter", erzählte ich ihr. "Die Höllenhunde kamen immer näher, ich konnte sie von Angesicht zu Angesicht sehen." Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. An der Wand mit der roten Tapete stand ein Divan aus hellbraunem Leder. Daneben ein Tischchen mit einer Karaffe und einer braunen Flüssigkeit darin. Weiter links ein Bücherregal, das die komplette Wand einnahm und ein Schreibtisch davor. Die Fenster waren groß und ein Garten mit Büschen war draußen zu erkennen. "Interessant!" Bei den Worten von Evil sah ich wieder zu ihr. "Wie bitte?", fragte ich nach. "Hast du eine Ahnung wem die Schattengänger gehören?" Sie sah mich wieder aufmerksam an, woraufhin ich den Kopf schüttelte. "Das ist die Garde des Herzkönigs. Er jagt also dein Herz." Den Rest des Satzes murmelte sie, doch ich hörte ihn trotzdem. "Aber er hat es doch schon." Mit einem Ruck stellte Evilynne ihr Glas auf den Tisch und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Zeig es mir!" Ihre Züge wirkten auf einmal noch katzenartiger. Konnte ich ihr vertrauen? Vermutlich nicht, aber was blieb mir übrig. Ich hob mein Shirt an und zeigte ihr die Narbe, die sich vertikal über meinen Brustkorb zog. Mit einem schnellen Satz war sie bei mir und strich darüber. "Sprich weiter, Cataysa. Was ist danach passiert?" Sie sah noch einmal zu der Stelle und setzte sich wieder. Ich bin in den Sumpf gesprungen, um ihnen zu entkommen und wurde dort angefressen." Ich konzentrierte mich auf die Erinnerung. "Alles was vom Moor bedeckt war, wurde angeknabbert." Die Frau nickte. "Haselmäuse. Üble kleine Dinger. Sie leben in den Sümpfen, Flüssen, Seen und Tümpeln der Schattenwelt." Haselmäuse? Mäuse die im Wasser lebten? "Was ist die Schattenwelt?" Evil hob nur eine Augenbraue, als wäre das wohl die dümmste Frage, die ich stellen konnte. "Na diese Welt hier. Sie existiert in den Schatten der Welt, aus der du kommst." Ich nickte. Diese Welt hatte einen Namen? Ohne, dass Evil etwas sagen musste, sprach ich weiter. "Ich konnte eine Wurzel greifen und mich an ihr aus dem Moor ziehen. Danach kroch ich von dem Sumpf weg. Ich hielt erst inne, als es nicht mehr so stank. Dann konnte ich nicht mehr und brach zusammen. Als ich wieder aufwachte, war ich am Rand des Lavendelfelds. Anscheinend hatte ich es aus dem Sumpf geschafft." Die Frau mir gegenüber tippte sich mit dem Finger ans Kinn. "Denk nach, Mädchen. Da fehlt ein Schritt. Was geschah zwischen dem Moment, als du im Sumpf ohnmächtig wurdest und dem Moment, als du im Lavendelfeld aufwachtest?" Ich grübelte, durchforstete meine Gedanken, doch ich konnte nichts finden. Erneut lächelnd, stützte sie ihre Ellenbogen auf den Tisch und legte ihr Kinn auf ihre Hände. "Wir nennen das den Schmetterlingseffekt. Der Todessumpf heißt nicht ohne Grund Todessumpf. Er versprüht eine Art Nervengift, welches immer stärker wird, je weiter du voran kommst. Bis du es merken würdest, wäre es schon zu spät." Verwirrung machte sich in mir breit. "Die Schattengänger waren plötzlich weg, oder nicht? Sie wussten, dass du es nicht überleben würdest und ließen dich zum Sterben dort." Evilynne neigte leicht ihren Kopf. "Aber, das kann doch nicht sein." Die Frau richtete sich wieder gerade auf und hob die Arme. Aus ihren Handflächen drang dunkelgrüner Rauch, der den ganzen Raum verdunkelte. Das einzige Licht war etwas hell strahlendes in der Mitte des Tischs. Bei näherem Hinsehen erkannte ich einen Kokon. "Das Gift dringt in deine Nerven ein. Es hüllt dich ein wie in einen Kokon und hält dich in einer festgehaltenen Illusion gefangen, um dich dort umzubringen." Der Kokon wurde von dem Rauch immer weiter eingehüllt. "Was passiert wohl, wenn du hier und jetzt sterben würdest?" Ich sah zu der Frau, die auch von dem Rauch eingehüllt war. "Ich würde aufwachen", entgegnete ich. "Dummes Kind. Deine Seele würde sterben! Zurück bleibt nur der Kokon, leer und ohne Leben." Auf einmal fügte sich etwas in meinen Gedanken zusammen. "Deswegen war in diesem Lavendelfeld nichts lebendig. Es war nur eine Illusion." Zufrieden nickte die Katzenfrau. "Aber hier kann ich riechen, ich kann den Tee schmecken und ich kann den Stuhl fühlen, auf dem ich sitze", entgegnete ich. "Das liegt daran, dass Cater ein Traumräuber ist. Er hat dich aus der Illusion gestohlen, als das Glas zerbrach." Ich verengte die Augen. "Wieso ist mein Fuß nicht mehr gebrochen und wieso sind die Bisswunden verschwunden?", hakte ich nach. "Das liegt daran, dass dein Körper nicht hier ist. Das hier ist dein Traumkörper. Alles was dein Körper vorher hatte, ist jetzt nicht da. Dafür überträgt sich alles, was dir hier widerfährt auf deinen echten Körper." Ich sah die Frau zweifelnd an. "Du glaubst mir nicht? Schau auf den Kokon. Schau durch ihn hindurch." Ich tat, was sie sagte und sah eine Weile nur den Kokon und das helle Licht, das ihn umgab. Doch nach einer Zeit veränderte er sich und nahm eine neue Form an. Ich sah mich. Besser gesagt meinen Körper, wie er dort am Rand des Sumpfes lag. "Wie komme ich dorthin zurück", fragte ich und Evil ließ mit einem mal den Rauch verschwinden und der Raum war derselbe wie zuvor. "Cater muss dich wieder zurück gehen lassen und dann musst du gegen das Gift in deinem Inneren kämpfen." Da war es wieder, das ungute Gefühl. Ich sah Evilynne in die Augen nickte und schob meinen Stuhl zurück. "Vielen Dank für den Tee. Ich muss jetzt leider los." Ich stand auf und sah Cater direkt hinter mir. Er rauchte schon wieder eine Zigarette. "Ich denke nicht. Dein Status hat sich während unseres Gesprächs geändert. Da der König dein Herz hat, ist es mir erlaubt an dir zu experimentieren." Die Frau lachte und zeigte wieder die spitzen Zähne. Noch bevor ich etwas dagegen unternehmen konnte, wurde ich gepackt und hörte das Klicken von Handschellen, die an meinen Handgelenken fest gemacht wurden. Ich hatte den ganzen Weg zurück zu dieser Gruselkammer Evils Lachen in den Ohren. Cater schubste mich an der Wand, an der die anderen Menschen saßen, zu Boden und machte mich genauso dort fest wie die Anderen. Lediglich mein Mund wurde nicht zugenäht und auch die Augenbinde aus Stahl fehlte. Er verließ den Raum danach und ich war mit den Geräuschen alleine. Krallen, die an den Wänden kratzen, das Fauchen und Knurren der Tiere, die Menschen die versuchten Geräusche zu machen und mein schneller Atem. Ich konnte durch die spärliche Beleuchtung kaum was sehen. Doch ich hörte ein Schaben neben mir und sah, wie der Mann, der neben mir saß seinen Kopf immer wieder gegen die Wand stieß und dann an einer Stelle auf und ab rieb. Angst machte sich in mir breit. Was würde diese Frau mit mir machen? Meine Gedanken wurden durch ein Klirren unterbrochen, welches so klang, als würde Metall zu Boden fallen. Ich sah zur Seite und sah in gold-braune Augen, die mir mehr als bekannt vorkamen. "Adrian?!?"
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Sweet Dreams - In Albträumen gefangen
TerrorAm Ende des Weges leuchtet ein Licht. Folge ihm stets und verliere es nicht. Träume... In unseren Träumen können wir durch die Zeit reisen, fremde Orte erkunden, durch die Weltmeere schwimmen und sogar fliegen. Wir können eine Weile an anderen Orten...