Kapitel 13 - Mirror mirror on the wall

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Ich sah ihn noch einen Moment an. "Du wirst es mir nicht sagen, oder?" Milo neigte leicht den Kopf. "Gut und Böse ist eine Auffassung der eigenen Wahrnehmung. Was ist für dich gut? Was ist böse? Ist jemand böse, der einen Mord begeht? Wahrscheinlich schon. Aber was, wenn der Ermordete ein Kinderschänder war? Ist der Mörder dann immer noch böse, oder ein Held?" Ich sah ihm die ganze Zeit über in die Augen. Er hatte recht. "Ich muss selbst herausfinden, wer in meinen Augen gut ist und wer nicht." Der Junge nickte anerkennend. "So ist es." Cat lächelte und legte eine Hand auf meine Schulter. "Du bist seit langem eine willkommen Abwechslung, Cataysa." Wir liefen weiter und am Ende des Wegs hing ein weiteres Bild. Dort zu sehen war ein Junge, eine Frau in weißem Gewand und eine in rotem Gewand. "Die weiße und die rote Königin und der Junge." Catherine trat an meine Seite. "Lewis war sein Name. Er war der erste, der den Weg aus deiner in unsere Welt gefunden hatte. Damals war sie noch strahlend schön und unschuldig. Die Königinnen lebten zusammen und regierten gemeinsam. Es gab kein geteiltes Land. Lewis war so fasziniert von dieser Welt, dass er sie gar nicht mehr verlassen wollte. Mit seiner Fantasie gab er ihr Magie und hauchte ihr Leben ein. Wir sehen ihn als einen Gründer unserer Welt an. Er nannte sie immer sein Wunderland." Cat lächelte. "Unsere Mutter hat uns die Geschichte über Lewis Wunderland erzählt. Sie ist hier sehr bekannt. Die eine Seite des Wunderlands war ein riesiger Wald und die andere Seite war umgeben von Seen und Wasserfällen. Lewis fügte immer mehr Dinge hinzu und durfte die beiden Reiche, die sich immer mehr voneinander unterschieden bennen." Ich nickte. "Cheshire und Yorkshire", sagte ich. "Genau!" Ich wandte mich von dem Bild ab und sah Cat wieder an. Diese lächelte und deutete auf eine breite Flügeltür, die sich automatisch öffnete. Wir betraten einen Salon, dessen Decken hoch und mit Stuck verziert waren. Ein großer Kronleuchter hing von der Decke und tauchte den Raum in goldenes Licht. "Ich zeige dir zuerst dein Zimmer." Die Frau lief an mir vorbei und trat auf eine Tür zu, die sich wie die andere auch automatisch öffnete. Als ich den Raum betrat, kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Ein großes Himmelbett, welches mit weichem Stoff verziert war, stand vor der hinteren Wand. Ein weicher Sessel mit einer goldenen Lampe stand in der Ecke und lud zum Lesen ein. Die Wände waren mit einer beigefarbenen Tapete versehen und die Decke zeigte den Nachthimmel mit tausenden Sternen. Ich drehte mich wieder zu ihr um. "Es ist wunderschön." Cat machte eine sarkastische Verbeugung. "Größten Dank!" Ich kicherte und sie grinste. Hier fühlte ich mich irgendwie ruhig und ausgeglichen, beinahe fröhlich. "Möchtest du noch etwas essen, meine Liebe?" Ich sah zum Bett und schüttelte den Kopf. "Ich möchte mich einfach in dieses Bett legen und seit langem mal wieder gut schlafen." Catherine lief zur Tür. "Dann mach das. Gute Nacht, Cataysa." Ich sah wieder zum Himmel. An irgendwas erinnerte er mich, aber an was? Ich legte mich ins Bett und schloss meine Augen. Nach kurzer Zeit war ich eingeschlafen.
Der nächste Morgen startete ebenso ruhig, wie der Tag zuvor endete.
Ich hörte das Zwitschern von Vögel und spürte eine Ruhe, die sich in mir breit machte. Es klopfte an der Tür und so setzte ich mich im Bett auf, um zu sehen, wer mich am Morgen sehen wollte. "Herein!", sagte ich und die Tür sprang auf. Cat kam lächelnd und mit einem Tablett auf der Hand balancierend in den Raum. "Guten Morgen, Liebes. Hast du gut geschlafen?" Ich erwiderte das Lächeln und nickte. "Ja, danke." Ich selbst bemerkte gar nicht, wie freundlich ich war. Auch die ungewohnte Leichtigkeit und Fröhlichkeit, fiel mir nicht wirklich auf. Cat stellte das Tablett mit Tee, Gebäck, Toast und Marmelade auf den Nachttisch. Ich sah zu der Frau, die noch genau die selben Kleider trug, wie am Tag zuvor. "Trink deinen Tee und iss etwas. Das stärkt dich und ich kann dir den Rest des Hauses zeigen." Als Catherine das Zimmer verließ, tat ich genau das.
Ich stand schließlich auf, stellte das nun leere Tablett zurück auf den Nachttisch und lief mit den Kleidern vom Vortag, die ich auch zum Schlafen getragen hatte aus der Tür. Ich durchschritt den großen Salon und wurde von der Terassentür geradezu angezogen. Draußen traf ich an einem kleinen Tisch auf Milo. Auch er trug die selben Kleider wie am Tag zuvor. "Guten Morgen, Faulpelz. Der Morgen macht schon Platz für den Nachmittag." Ich grinste und setzte mich zu ihm. "So gut habe ich schon lange nicht mehr geschlafen." Der Junge grinste. "Das glaube ich dir. Du schläfst auch sehr lange." So lange hatte ich doch gar nicht geschlafen. Ich sah zum Schachbrett, welches auf dem Tisch stand. "Du spielst?", fragte ich den Rothaarigen. "Nur wenn der Gegner sich als würdig erweist." Ich verkiff mir ein Lachen und nahm die weißen Figuren in die Hand, um sie aufzustellen. "Ich beginne." Milo machte sich erst gar nicht die Mühe, sein Grinsen zu verbergen. Er nahm seine Figuren und stellte sie auf. Wir waren in das Spiel vertieft, als die Sonne ihren Höhepunkt erreicht hatte und sich schon wieder herabsenkte. "Woher kannst du Schach spielen?" Ich sah bei der Frage auf und dachte kurz darüber nach. "Mein Opa hat es mir beigebracht." Beim Gedanken an meine Familie zurchzuckte mich ein Schmerz. "Über deine Familie denkst du wohl nicht so gerne nach." Ich verzog das Gesicht. "Sie haben mich in einer Anstalt zurück gelassen." Der Junge mit dem frechen Gesicht sah mich unverwandt an. "Wieso?" Das war eine wirklich gute Frage. "Weil ich verrückt bin, schätze ich." Milo runzelte die Stirn. "Bist du denn verrückt?" Ich sah ihm ebenfalls in die Augen. "Wer entscheidet was verrückt ist und was nicht? Vielleicht ist Wahnsinn auch nur eine Auffassung der eigenen Wahrnehmung." Milo grinste mich nun breit an. "Kluges Mädchen." Ich erwiderte das Grinsen und beugte mich zu ihm vor. Er verstummte und sah mich interessiert an. Er beugte sich ebenfalls vor. Als unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter trennten, machte ich den letzten Zug, mit dem ich seinen König schlug." Schachmatt!", sagte ich leise und sah den Unglauben in seinen Augen, als er sich zurück lehnte und auf das Brett sah. "Du steckst voller Überraschungen, Cataysa."
Nachdem das Spiel endete, liefen wir durch den Garten. Ich bewunderte die Skulpturen und Rosen. Die Blumen, die sangen und zu deren Melodie wir tanzten. Milo zog mich an sich und tanzte mit mir zusammen durch den Garten, der endlos erschien und so bunt und schön war, als wäre er gemalt worden. Als die Sonne hinter einem Hügel verschwand, rief uns Cat in den Salon und wir speisten zu Abend. Das Essen roch so gut, dass mir das Wasser im Mund zusammen lief und es hatte eine Besonderheit. Sobald die Gloche vom Teller verschwand, befand sich dort genau das Essen, welches gewünscht wurde. Wir verbrachten den ganzen Abend mit Essen, reden und lachen und seit langem hatte ich das Gefühl irgendwo dazugehören und willkommen zu sein. Als es Zeit fürs Bett war, begleitete Milo mich zur Tür meines Zimmers. "Schlaf gut", sagte er und beugte sich vor, um meine Wange zu küssen. Ich errötete und legte eine Hand auf meine Wange, ehe ich mit einem Grinsen in mein Zimmer ging. "Du auch, Milo." Ich legte mich zufrieden in mein Bett, sah in den Sternenhimmel, der die Decke des Raums darstellte und schlief schließlich ein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 06, 2021 ⏰

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