Die Tür zum Krankenzimmer öffnete sich erneut und ein junger Arzt kam herein. Seine Haare, die so rot wie Blut waren, lagen ihm verwuschelt auf dem Kopf und die braunen Augen leuchteten, als er mit einem Lächeln auf den Lippen zu mir rüber kam. "Guten Morgen, Cataysa." Seine Stimme klang hell und freundlich. Ich sah zu der großen, analogen Uhr an der Wand. Ich hatte die komplette Nacht durchgeschlafen, ohne zu Träumen. "Wie fühlst Du dich?" Er sah mich aufmerksam an. "Alice.." Meine Stimme klang brüchig und war heiser. Ich schluckte und versuchte es erneut. "Was ist mit Alice?" Sein Gesichtsausdruck änderte sich leicht. "Heute Morgen wurde ihr Leichnam abgeholt und in ein Krematorium gebracht. In wenigen Tagen findet eine anonyme Beerdigung statt. Den Akten nach hatte sie keine Familie." Er ließ seinen Blick durch das Krankenzimmer schweifen und wirkte dabei einfach nur müde. Ich nickte auf seine Antwort hin einfach mit dem Kopf. Was sollte ich auch groß sagen. "Können sie mir die Fesseln abnehmen?" Ich sah in die braunen Augen von dem jungen Arzt. Er schenkte mir eines dieser aufmunternden Lächeln und setzte sich neben mein Krankenbett. "Das sind doch keine Fesseln. Das sind Fixierungen die verhindern sollen, dass du dich selbst verletzt." Ich sah ihn ausdruckslos an. "Sie sollen eher verhindern, dass ich andere verletze, oder weg laufe", murmelte ich mürrisch. Der junge Mann sah mich weiter mit diesem Lächeln an, für das ich ihm ins Gesicht spucken könnte. "Aber, aber, Cataysa. Niemand will dir hier was Böse." Ich lachte kalt auf. Aber natürlich, dachte ich mir, sagte jedoch nichts. Er erhob sich von dem Stuhl. "Also, hast du irgendwelche Schmerzen?" Ich sah zu ihm und verneinte seine Frage. "Dann würde ich sagen, du bleibst heute noch zur Beobachtung hier und morgen früh darfst du wieder in dein Zimmer." Ohne auf meine Antwort zu warten, verabschiedete er sich und ging.
So lag ich da und sah zur weißen Zimmerdecke. Das einzige Geräusch war das laute Ticken der Uhr, was den ganzen Raum auszufüllen schien. Es war eigenartig, dass sich keine weiteren Personen auf der Station befanden. Alle Betten waren leer und deuteten daraufhin, dass sich kein Patient hier aufhielt. Auch von den Schwestern war nichts zu sehen. Ich war hier ganz alleine, was mir ein ungutes Gefühl verschaffte, wenn ich ehrlich war. Das Ticken der Uhr wurde immer lauter und klang von Sekunde zu Sekunde bedrohlicher. Ich war kurz davor nach jemandem zu rufen, als ich Schritten von draußen vernahm. Ich drehte meinen Kopf in Richtung Tür, um zu sehen wer es ist, als sie in diesem Moment geöffnet wurde und ein Pfleger hindurch trat. Zielstrebig lief der Mann mit dem kantigen Gesicht, den dunklen Augen und den schwarzen, zurückgegelten Haaren zu mir. Sein Mund wirkte enorm groß und die Stoppeln die er am Kinn besaß, ließen ihn wie einen Penner wirken. "Ich soll dich auf dein Zimmer bringen." Mit einer tiefen Stimme und neutralem Blick sprach er zu mir, als er die Bremsen löste und das Bett vorwärts rollte. Verwirrt versuchte ich zu ihm zu schauen, doch durch die Fixierung war es mir nicht möglich. Aber es war doch noch gar nicht morgen. "Wollen Sie nicht die Bänder lösen?" Meine Stimme zitterte als ich diese Frage stellte, die der Mann einfach ignorierte. Immer weiter schob er mich durch die Gänge, bis er vor einer Tür hielt die bestimmt nicht die Tür meines Zimmers war. "Wo bringen Sie mich hin?" Auch diesmal antwortete er mir nicht. "Hey! Ich rede mit Ihnen!" Er öffnete die Tür und ich konnte ein Blick auf ihn erhaschen, ehe er mich mit dem Bett hinein schob. Er sah mich mit einem Grinsen im Gesicht an und nickte mir erfreut zu. Panisch sah ich nach vorne und der Arzt von heute morgen stand in seinem Arztkittel, einem Mundschutz, OP-Handschuhen und einem Skalpell in der Hand in der Mitte des Raums. "Was soll das?", rief ich aus. Meine Stimme überschlug sich bei der Angst, die ich empfand. "Ach Cataysa, nimm es nicht so persönlich." Seine Stimme klang wie am Morgen, freundlich und warm. Der Raum wirkte trostlos und kalt. Weiße Kacheln befanden sich an den Wänden, die am Boden in weiße Fliesen übergingen. Ein kleiner Tisch mit einer Schüssel aus Metall und verschiedenem Operationsbesteck darin, befand sich neben dem Arzt. Ich wurde bis in die Mitte des Raums geschoben und hörte das Zuknallen der Tür. Mein Herz klopfte um einiges schneller, als er mich an eine Maschine anschloss, die ich bis eben gar nicht wahrgenommen hatte. Nach einigen Sekunden kann man die Töne meines rasenden Herzens hören und sie auch auf dem Monitor beobachten. "So ein schönes, starkes Herz." Er klang verzückt als er auf den Monitor blickte. "Es wird perfekt in meine Sammlung passen." Erschrocken sah ich zu ihm und sah in die braunen Augen, in denen sich eindeutig der Wahnsinn spiegelte. "In Ihre Sammlung?" Meine Stimme zitterte und ich wehrte mich gegen die Fixierung. "Ganz recht. So schöne, junge Herzen." Ich versuchte mich bei seinen Worten aus den Bändern zu winden und sah mich nach etwas um, was mir helfen könnte. Doch es befand sich nichts in meiner Nähe. "Hör doch auf dich zu wehren, Kleine. Das macht es doch nur schlimmer." Er kam mit erhobenem Skalpell auf mich zu und setzte es an meinem Schlüsselbein ein. "Genug der ermüdenden Gespräche, ich möchte jetzt gerne mein Herz haben." Seine Stimme klang gelangweilt und er schnitt in meine Haut. Ich spürte das Brennen dieses kleinen Schnitts und schrie laut auf. "SIE SIND DOCH WAHNSINNIG!" Ich schrie es dem Mann entgegen, der daraufhin nur lachte. "Wahnsinn liegt im Auge des Betrachters." Mit diesen Worten schnitt er mit dem Skalpell einen vertikalen Schnitt über mein Brustbein. Meine Schreie wurden lauter und ich rief nach Hilfe. Ich spürte, wie das Blut aus mir heraus strömte. Es brannte und es pochte. Ich hatte das Gefühl bei lebendigem Leib zu verbrennen und hörte dabei das Gemurmel des Arztes, der immer wieder die Worte "Meine Herzen" und "so schön, so jung" wiederholte. Er griff nach einem komisch aussehenden Gegenstand, den ich nicht kannte und drückte ihn in meinen geöffneten Brustkorb. Bei den erneuten Schmerzen wurde es mir schwindelig und ich erbrach mich direkt neben meinen Kopf auf das Kissen. "Hören Sie auf." Meine Stimme klang erstickt von den Tränen, die mir über das Gesicht liefen. Er ging erst gar nicht auf meine Worte ein, sondern hantiert an dem Gegenstand herum, der mit einem Ruck meine Rippen spreizte. Ich hörte es Knacken und spürte, wie meine Rippen brachen. Ich musste mich erneut übergeben und hatte keine Kraft mehr, um mich zu wehren. Die Schmerzen und der Blutverlust ließen mich nur noch verschwommen sehen. Auf einmal hörte ich ein andächtig geflüstertes "Da ist es ja." und schon verschwand die Hand des Arztes in meinem Brustkorb. Er drückte und schob grob alles zur Seite, was ihm im Weg war und schnitt in dem Fleisch im Inneren meines Oberkörpers herum. Das Blut lief immer noch in Strömen aus mir heraus und ich dachte darüber nach, warum ich nicht Ohnmächtig wurde. Da spürte ich, wie der Boden unter mir ins Wanken geriet. Es fühlte sich an wie ein Erdbeben. Kurz bevor mich mein Bewusstsein verließ, sah ich wie der Arzt ein Herz in der Hand hielt. Mein Herz. Seine Augen strahlten, der Mundschutz war verschwunden und er leckte das Blut ab, welches daran herunter lief. Glücklich sah er das Herz an, wie einen Schatz. Das Wanken wurde stärker und so glitt ich in die Tiefen des endlosen Schlafes.Mit einem Ruck setzte ich mich auf und sah in die Augen des Arztes, welcher direkt neben mir saß. Schreiend wollte ich von ihm wegrutschen, was mir zu meiner Verwunderung auch gelang und landete mit einem harten Aufprall auf dem Boden. "Cataysa!" Er sprang auf und wollte nach mir greifen, doch meine panischen Schreie hinderte ihn daran. "Was hast du denn, Cataysa? Hast du Schmerzen? Geht es dir nicht gut?" Mit rasendem Herzen sah ich mich um und erkannte die Wände des Krankenflügels. Ich ließ meinen Blick schweifen und sah die Betten, die Schränke, die Trennwände und sogar die Uhr. Als sich mein Herzschlag beruhigte, konnte ich sogar ihr Ticken hören. Sieben Uhr. Moment! Mein Herz raste. Das hieß es ist noch in meiner Brust. "Was ist passiert?" Ich blieb auf dem Boden sitzen und sah den Mann misstrauisch an. "Wie versprochen wollte ich heute noch einmal nach dir sehen und dich danach entlassen." Sein Blick war besorgt und seine Stirn gerunzelt. "Wozu war dann die Fixierung gut?" Verwirrt erwiderte er meinen Blick und setzte sich wieder auf den Stuhl, als ich mich erhob und auf den Rand des Rollbetts setzte. "Wovon sprichst du? Welche Fixierung? Bist du sicher, dass es dir gut geht?" Ich wollte eben fragen, ob er mich verarschen will, als ich bemerkte, dass keines der Betten eine solche Vorrichtung hatte. Seltsam. "Vergessen Sie es. Es geht mir gut. Ich bin nur etwas müde." Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. Doch sein besorgte Blick blieb an mir haften. "Du hast beinahe deinen gesamten Aufenthalt verschlafen." Ich erwiderte das nur mit einem Schulterzucken und fragte, ob ich nun gehen könne. Ein letzter besorgte Blick, dann rief er nach einem der Pfleger, welcher mich zurück in mein Zimmer brachte. Erleichtert wieder hier drinnen zu sein und dem Albtraum erneut entkommen zu sein, ließ ich mich in mein Bett fallen und sah an die Decke. Ich spürte ein Jucken an meinem Dekolleté und zog den Stoff meines Shirts beiseite, um dort über meine Haut zu streichen. Als ich eine Unebenheit spürte, die in einer Linie nach unten ging, sprang ich auf und lief ins Bad. Ich zog mein Shirt aus und sah in den Spiegel. Was ich dort sah, schockte mich. Es war eine Narbe. Sie war circa fünf Zentimeter lang und zog sich über mein Brustbein. Aber wie kam ich zu dieser Narbe?
DU LIEST GERADE
Sweet Dreams - In Albträumen gefangen
TerrorAm Ende des Weges leuchtet ein Licht. Folge ihm stets und verliere es nicht. Träume... In unseren Träumen können wir durch die Zeit reisen, fremde Orte erkunden, durch die Weltmeere schwimmen und sogar fliegen. Wir können eine Weile an anderen Orten...