6. Kapitel - Der Todessumpf

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Bei jedem Schritt den ich ging, wurde der Nebel dichter und der Gestank stärker. Mittlerweile konnte ich meine eigene Hand vor Augen nicht mehr sehen. Je weiter ich in diese Hölle aus Tod und Schlamm hinein kam, desto stärker wurde das Gefühl des Grauens in meinem Inneren. Die einzigen Geräusche, die ich vernahm, waren das saugende Geräusch des Matschs, welcher mich versuchte gefangen zu nehmen, mein lauter und schneller Atem und das Knurren der Monster in der Ferne, die mich verfolgten. Ich wusste genau, wenn ich jetzt aufgab, würden sie mich bekommen und doch wurde ich immer langsamer, da ich den Weg vor mir nicht mehr erkennen konnte. Denk nach, Cataysa, denk nach. Wäre mein Herz noch in meiner Brust, es würde rasen. Ich versuchte mich zusammenzureißen, denn niemand konnte mir helfen. Vorsichtig lief ich weiter, suchte nach dem Weg und kämpfte gegen den Sog des Moors an. Das Knurren und Fauchen wurde lauter, sie würden mich bald einholen. Ich war zu langsam! Ich konnte mich jetzt entscheiden, entweder die Bestien würden mich holen, oder ich riskierte es schneller zu laufen und der Sumpf würde es tun. Keine wirklich gute Aussichten. Ich atmete noch einmal tief durch, riss meinen Fuß aus dem Matsch und bewegte mich schneller vorwärts. Doch so wie ich schneller wurde, so wurden es auch meine Verfolger. Was wollen diese Dinger nur von mir? Ich ging so schnell ich konnte, doch in der Eile übersah ich einen Baumstumpf und es kam, wie es kommen musste, ich fiel hin. Mein Glück war es, dass ich nicht geradewegs in den Sumpf fiel. Doch leider steckte mein Fuß in einer Wurzel fest. Panisch versuchte ich meinen Fuß zu befreien, doch die Wurzel war stark und hielt meinen Knöchel fest umschlungen. Das immer wiederkehrende Geräusch von etwas was aus dem Matsch gezogen wurde, verriet mir, dass diese Höllenhunde schon nahe waren. Ich versuchte an meinen Fuß zu kommen, um meinen Schuh auszuziehen, aber ich kam nicht dorthin. Als nächstes riss ich an der Wurzel rum, aber auch die Wurzel gab keinen Millimeter nach. Ich saß buchstäblich in der Falle.
Die Geräusche verstummten plötzlich und nur noch mein rasselnder Atem war zu hören. Mit aufgerissenen Augen sah ich von meinem Fuß auf und drehte dann ganz langsam den Kopf in die Richtung aus der ich kam. Und da sah ich sie. Sie hatten die Größe eines Bärens, Stacheln am ganzen Körper, wie bei einem Stachelschwein, doch das erschreckenste war der Körper. Es waren Skelette, die von einer hauchdünnen Schicht aus lederartigem Pelz überzogen war, welches an einigen Stellen aufgerissen war und den Knochen darunter herausragen ließ, wie bei einem offenen Bruch. Die Mundpartie bestand nur aus Knochen, ebenso die Nase, die Augen waren leere Höhlen und trotzdem schienen sie mich direkt anzusehen. Eines der Tiere öffnete sein Maul, aus welchem Schwefel tropfte und fauchte mich an. Ein wiederlicher Geruch nach verfaultem Fleisch schlug mir entgegen und die Zunge diese Geschöps sah aus wie bei einer Schlange, nur fanden sich an den Seiten kleine, scharfe Widerhaken, die ich zu spüren bekam, als der Höllenhund sich in meinen Arm verbeißen wollte. Durch mein Zurückweichen, traf mich jedoch nur die Zunge, die sich in meiner Haut verfing und dort ein Stück abriss. Der Schwefel tropfte auf meinen Arm und hinterließ ein beinahe unerträgliches Brennen. Die Stelle, die von dem Schwefel getroffen wurde, ließ die Haut schmelzen, als wäre sie aus Schnee und die Tropfen flüssiges Lava. Erst gaben die einzelnen Hautschichten nach, dann das Gewebe und schließlich fraß sich die ätzende Flüssigkeit in meinen Knochen, was mich laut aufschreien ließ. Das hier war mein sicherer Tod, ich wusste es ganz genau. Leben, oder sterben? Links, oder rechts? Schmerz, oder Tod? Ich atmete noch einmal tief durch, bewegte mich mit meinem ganzen Gewicht nach vorne und brach mir so mein Fußgelenk. Erst hörte ich das laute Knacken, dann spürte ich den Schmerz, welcher wie eine Welle über mich herein brach. Tränen verschleierten meine Sicht, als ich mich auf mein gesundes Bein stützte und mich kräftig vom Boden abstieß, um direkt in den Sumpf zu springen. Der Sumpf hieß mich direkt willkommen und breitete seine gierigen Finger nach mir aus, die mich in seine Tiefen zogen. Ich sah zu den Höllenhunden, wie Adrian sie nannte, doch sie folgten mir nicht. Sie saßen einfach nur da und beobachteten mich, wie meine ganz persönlichen Todesengel. Mein Fuß pochte, die Tränen liefen mir über die Wangen und ich fing an zu schluchzen. Meine Gedanken schweiften zu Adrian..Adrian, hilf mir! Bitte hilf mir! Mein Körper gab langsam nach, er konnte keine Kraft mehr aufbringen. Ich sah weiter zu den Monstern und verabschiedete mich von meinem Leben, da spürte ich, dass meine Beine anfingen zu brennen. Es brannte so sehr, dass ich aufschrie. Was war das? Wild fing ich an zu zappeln, um dem Schmerz zu entkommen. Alles was von dem Sumpf verschlungen war, fing genauso an zu brennen, wie es meine Beine taten. Ich befreite meine Arme, die bis zu den Ellenbogen im Moor verschwunden waren und schlug damit um mich. Nun konnte ich auch das Brennen zuordnen. Bei dem Brennen handelte es sich um Bisse. Ich wurde bei lebendigem Leibe aufgefressen. Ich schloss meine Augen. Es ist nur ein Traum. Gleich wache ich auf. Na komm schon, wach auf! Doch ich wachte nicht auf. Ich riss meine Augen wieder auf und meinen Arm erneut los, der schon wieder eingesunken war und traf damit auf etwas hartes. Schnell ergriff ich den Gegenstand und klammerte mich daran fest. War das meine Rettung? Mit all der Kraft, die ich noch aufbringen konnte, zog ich mich näher dorthin, bis ich den Gegenstand auch mit meiner anderen Hand umschließen konnte. Weinend vor Glück, weil es nicht nachgab und mich zurück in das Moor beförderte, zog ich mich Stück für Stück weiter aus dem Schlamm. Ich hatte mich entschieden, ich wollte Leben. Es kostete mich so viel an Anstrengung, doch schließlich hatte ich festen Boden unter meinen Knien. Erleichtert lachte ich auf und sah zurück zu den Höllenhunden, die waren jedoch verschwunden. Mein Fuß schmerzte höllisch und auch meine Beine und mein Körper fühlten sich zerschunden an. Ich sah zu den besagten Stellen und konnte teilweise Knochen erkennen. Irgendwas hatte versucht mich aufzufressen. Ich hatte keine Ahnung, was es war, das mich auffressen wollte. Ich wusste auch nicht, wohin diese Bestien verschwunden waren, oder wie weit es noch war. Ich wusste nur, dass aufgeben keine Option war. Ich streckte meinen Arm aus, krallte meine Hand in den Boden und zog meinen Körper nach. So kam ich zwar nur langsam vorwärts, aber ich entfernte mich immer weiter von dem Sumpf, in dem ich um mein Leben kämpfte. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, doch schließlich lichtete sich der Nebel und der Gestank nahm ab. Erst als ich keinen Matsch mehr unter mir fühlen konnte, erlaubte ich es mir anzuhalten. Mein Arm gab nach und mein Körper klatschte auf den Boden auf. So blieb ich einfach liegen. Nur kurz ausruhen, ganz kurz.

Sweet Dreams - In Albträumen gefangen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt