1. Kapitel - Die Gruselpuppe

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Ich lag auf meinem Bett und sah zur Decke. Der Mond, der hoch oben am Himmel stand und in seiner ganzen Fülle leuchtete, erhellte mein Zimmer und warf Schatten an die Wände. Sie tanzten und bewegten sich, schienen ein eigenes Leben entwickelt zu haben. Ich beobachtete das Geschehen, als ich ein Kratzen an der Fensterscheibe vernahm. Ich ließ meinen Blick dort hin schwenken und sah verblüfft auf eine Puppe. Sie hatte goldene Locken, eine Haut aus Porzellan, strahlend blaue Augen und ein kaltes, festgefrorenes Lächeln im Gesicht. Sie trug ein hellblaues Kleid und eine kleine weiße Schleife im Haar. Die dünnen Beine steckten in weißen Strümpfen und die kleinen schwarzen Schuhe glänzten. Der Mondschein legte sich wie ein Lichterkranz um die Puppe und ließ sie unheimlich erstrahlen.
Ich war wie erstarrt und sah erschrocken zum Fenster. Die Puppe sah mir unentwegt in die Augen, ohne sich auch nur im geringsten zu bewegen. Mein Herz fing an schneller zu schlagen und es lief mir eiskalt den Rücken runter. Ich erhob mich und lief langsam, Schritt für Schritt, auf das Fenster zu. Mit etwas Abstand blieb ich dort stehen. Komm, Cataysa. Komm zu mir. Eine helle Stimme erklang in meinem Kopf und schien mich zu sich zu rufen. Es war die Puppe am Fenster. Obwohl sie sich immer noch nicht gerührt hatte, war ich mir sicher, dass es ihre Stimme war. Ich sah weiter zu ihr und ging den letzten Schritt auf sie zu. Ihr Gesicht verzog sich zu einem unheimlichen Grinsen und sie streckte die Hand nach mir aus. Cataysaaaaa. Ich nahm ihre Hand und sie fing an zu lachen. Es war ein Lachen, welches so irre klang, dass es einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mit einem Ruck, zog sie mich durch die Scheibe, die mit einem lauten Klirren zerbrach. Ein erschrockener Schrei entfloh meiner Kehle, als ich von den Glassplittern umgeben in die Tiefe stürzte. Ich landete mit einem harten Aufprall auf dem Boden und das Glas bohrte sich Erbarmungslos in meine Haut. Zitternd strich ich mir mit meiner verletzen Hand durch die Haare und sah auf meinen Oberschenkel, in dem eine große Scherbe steckte. Die Puppe kam mit langsamen und steifen Schritten auf mich zu und blieb ungerührt vor mir stehen. Mit ihrem leeren Blick sah sie zu meinem Bein, holte ein Messer heraus, das im Mondschein aufleuchtete und Schnitt mir die Scherbe, mitsamt dem Fleisch, in dem sie steckte, heraus. Die Panik brach wellenartig in mir aus und ich versuchte von ihr wegzurutschen, doch hinter mir stand der Baum, den ich jeden Tag von meinem Fenster aus betrachtete. Die Tränen verschleierten meinen Blick und Schluchzer kamen mir über die Lippen. Die Puppe grinste wieder ihr unheimliches Grinsen und hob das Messer hoch. Mit einer Hand strich sie über das Blut auf der Klinge. Undankbare Cataysa. Ich habe dir geholfen! Wo bleibt der Dank? Wimmernd sah ich zu ihr, als sie ihren Kopf schräg legte und zu warten schien. "D..Danke", hauchte ich mit tränenerstickter Stimme, die vor Angst zitterte. Die kalten Augen fixierten mich. Dann hob sie ihren Kopf wieder an, drehte sich um und lief davon. Folge mir... Ich konnte keinen Muskel bewegen, ich war wie gelähmt. Als die Puppe mitten in der Bewegung stehen blieb und sich langsam wieder zu mir umdrehte, fing mein Herz wieder an zu rasen. In ihren Augen leuchtete die Mordlust. Schnell hievte ich mich unter Schmerzen auf und stolperte auf sie zu. Das Bein schleifte ich etwas nach und meine Hand brannte. Sie wartete bis ich vor ihr stand und drehte sich dann wieder um, um im angrenzenden Wald zu verschwinden. Humpelnd folgte ich ihr, aber mit einigem Abstand und ungutem Gefühl. Die Puppe schwenkte immer wieder das Messer hin und her, als wäre es ein Spielzeug. Das einzige Licht, welches den düsteren Wald erleuchtete, war der Mond und auch der schien seine Spiele mit mir zu spielen. Schatten bewegten sich am Rande meines Sichtfeldes und es hatte den Anschein, als würden sie uns verfolgen. Hier und da war das Knistern der Blätter und das Heulen des Windes zu hören. Die Angst schnürte mir die Kehle zu, jedoch traute ich mich nicht, einfach wegzulaufen. Die Bäume wurden dichter, der Wald dunkler und die Schatten folgten uns auf Schritt und Tritt. Die Puppe sprang über eine Wurzel und kicherte hell, als wäre all das ein riesen Spaß. Es wurde zunehmend kälter und das Heulen eines Wolfs war zu hören. Die Gebüsche an den Seiten raschelten und Augen sahen daraus hervor, die im Dunklen glühten. Ich erschauerte und dachte darüber nach, wie lange wir schon in den Wald hinein gingen und wann wir endlich da waren, wo sie hinwollte. Da stoppte die Puppe plötzlich und ich sah von den Gebüschen auf und direkt in den Eingang zu einer finsteren Höhle. Sie blieb dort stehen und drehte sich wieder zu mir um. Zwei Wege kannst du wählen. Gehe hinein und die Verdammnis wird dich erwarten. Gehe zurück und ich werde dich töten. Die Puppe sah mich an und ein unheimliches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich hielt den Atem an, während ich fieberhaft überlegte. Die Angst schnürte mir die Kehle zu und je mehr ich davon verspürte, desto mehr erfreute das die Puppe, die, so hatte es den Anschein, immer düsterer wurde. Aus der Höhle drang ein Wimmern, gefolgt von einem Fauchen hervor. Dann hörte ich einen Angstschrei, ein lautes Knacken, wie ein Knochen, der brach und dann Stille. Eine erdrückende Stille, die sich über den Wald legte. Panisch atmend und mit aufgerissenen Augen, stolperte ich einen kleinen Schritt zurück, einen einzigen. Doch darauf hatte sie nur gewartet. Das Lächeln der Puppe wurde immer breiter, bis es die Mundwinkel einriss. Das Blut lief über das markellose Gesicht und versaute ihr Kleid. Die Augen wurden größer und nahmen viel von ihrem Gesicht ein, während der Mund aufklaffte und eine Reihe messerscharfer Zähne zu sehen waren. Die häßliche Fratze verzog sich zu einem unheimlichen Grinsen und die Puppe sprang mit dem Messer in beiden Händen genau auf mich zu. Sie erwischte meinen Fuß und lachte noch lauter, während ich aufschrie und sie von mir weg trat. Die Puppe krachte gegen die Wand der Höhle und richtete sich langsam wieder auf. Die makellose Haut hatte nun Sprünge und ein Arm hing in einem unnatürlichen Winkel ab. Sie fauchte mich an und rannte mit gezücktem Messer auf mich zu. Ich drehte mich um und rannte so gut ich konnte weg. Humpelnd und das eine Bein nach ziehend, kämpfte ich mir den Weg durch den Wald. Hinter mir hörte ich das düstere Lachen, welches mir immer näher kam und an den Seiten sah ich die Schatten, die versuchten nach mir zu greifen.
Am Ende des Weges leuchtet ein Licht... Ich kannte diese Stimme! Ich hörte sie öfter und es war mit Sicherheit nicht die Puppe, die mit mir sprach. Ich sah nach vorne und erkannte am Ende des Walds ein kleines Licht. Wollte ich mich wirklich darauf verlassen? Doch was blieb mir anderes übrig? Ich wollte mich bestimmt nicht von diesem Etwas töten lassen. Ich versuchte mit aller Kraft meine Schritte zu verschnellern und ließ das Licht nicht aus meinen Augen. Von dort bin ich auch hergekommen, dort musste die Anstalt sein. Ich hörte ein Kratzen auf dem Boden und wollte eben nach hinten sehen, da ertönte die Stimme erneut in meinem Kopf. Am Ende des Weges leuchtet ein Licht. Folge ihm stets und verliere es nicht. Ich versuchte also das Geräusch zu ignorieren und rannte weiter auf das Licht zu. Mein Bein brannte, meine Lunge schmerzte und ich wollte einfach nur wieder in diesem trostlosen Zimmer in der Anstalt liegen. Ich war fast da und wusste, am Ende des Waldes, genau dort wo das Licht war, war auch das Gebäude der Heilanstalt. Ich hatte es beinahe geschafft, hörte die Schritte immer noch hinter mir, das Fauchen ganz in meiner Nähe und war erleichtert, als sich die letzte Baumreihe  teilte und ich aus dem Wald entkommen war. Das Licht blendete mich und so sah ich den Abgrund nicht, der direkt vor mir lag. Anstelle der Wiese vor dem Haus, war da nichts. Ich fiel schreiend in die Tiefe und sah noch das grausame Gesicht der Puppe, die ihr Messer nach mir warf. Ich kniff die Augen zu und schloss mit meinem Leben ab. Mit einem dumpfen Aufprall landete ich auf dem Boden und schlug die Augen auf. Außer Atem sah ich zu der Decke meines Zimmers und blieb dort auf den harten Fließen liegen. "Ein Traum, schon wieder ein Traum." Ich setzte mich auf und spürte ein brennendes Ziehen im Oberschenkel. Ich sah zu dem Brennen und erkannte eine klaffende Wunde. Mein Fuß war an der Stelle, wo mich das Messer traf durchbohrt und Blut lief auf die weißen Fließen. Ich strich mit meiner Hand den Stoff meiner Hose zur Seite und hielt inne. Meine Hand war von Schrammen überzogen und das Handgelenk blau. In meinem Kopf hörte ich ein helles Lachen.
Der Tod wartet auf dich, Cataysa.

Sweet Dreams - In Albträumen gefangen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt