Kapitel 29

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Während ich so meinen Bruder im Arm halte,wird mir erst so richtig bewusst,was ich ihm da alles zugemutet habe die letzten Jahre.Das hatte er nicht verdient.Ich merke wie sich Personen um uns herum gesellen."Tobias?Charlotte?",fragt uns eine erschrockene Stimme.Ich traue mich nicht auf zu schauen.Es wird untereinander kurz geredet,was keine Ahnung."Tobias komm mal her...",sagt die gleiche Stimme wie eben.Vorsichtig wird er hoch gezogen und zum ersten Mal schaue ich auf und erkenne recht wenig,aufgrund der Schwellung,des Regens und der Tränen.Aber dennoch kann ich viele verschiedene besorgte und erschrockene Gesichter sehen.

Zwei Männer kommen auf mich zu."Na komm mal mit.Du bist schon ganz nass und es ist nicht gerade warm.",sagt ein blonder Sanitäter freundlich und nimmt mich leicht am Arm und zieht mich hoch.Der andere nimmt den anderen.Ich taumel mehr,als das ich laufe,aber die Unterstützung ist da sehr hilfreich.Im Rettungswagen deutet der blonde,junge Mann,dass ich mich hin legen soll.Doch ich setze mich einfach auf die Trage und beobachte ihn."Charlotte war richtig,oder?",fragt er."Lotte reicht auch",sage ich zögernd."Also gut Lotte.Magst du mal erzählen was passiert ist?" Ich schüttel sehr leicht den Kopf.Der andere tritt ein und möchte mich nach hinten ziehen,sodass ich liege.Ich spanne meinen Körper an und wehre mich dagegen.Ich ziehe die Luft scharf ein und sacke nach vorne ein."Wo hast du Schmerzen?" Ich starre stumm vor mich auf den Boden."Hast du außer dein Gesicht noch schmerzen?" Ich nicke widerwillig,aber ich muss dem Spuk ein Ende setzen. Die zwei Männer reden miteinander.Ich richte mich wieder etwas auf und atme so tief es geht durch.Ich zittere vor Kälte und Angst,weil ich mich gerade so hoffnungslos verloren fühle.

Dann rinnen mir wieder Tränen herunter.Ich schluchze leise.Der Sanitäter hockt sich vor mich hin und legt sanft seine Hände auf meine Knie.Aufgelöst starre ich darauf.Dennoch heule ich immer weiter und es hört nicht mehr auf.Ich steigere mich immer weiter hinein.Als wenn ich alles was sich die letzten Jahre angestaut hat auf einmal loswerden wollen würde.Er setzt sich neben mich und zieht mir vorsichtig die nasse Jacke aus.Darunter trug ich nur ein T-Shirt. "Lotte,du solltest mit uns reden.Wir können zwar dir deine Schmerzen lindern,aber auf dauer macht dich der Rest kaputt.Wie alt bist du denn überhaupt?",fragt er um mich abzulenken."18",bringe ich knapp hervor.Er nickt und misst meine Vitalparameter."Also gut.Alles nicht ganz optimal,aber erstmal können wir es so lassen.Gleich kommt auch ein Notarzt um nochmal drüber zu schauen,du scheinst ja ziemliche Schmerzen zu haben...Du musst nicht sagen was passiert ist,also vorerst,solltest es aber irgendwann.Wo hast du denn genau Schmerzen,außer in deinem Gesicht?",redet er drauf los.Ich kriege irgendwie keinen Satz hin.Er klebt mir eine Kompresse auf die Stirn und dann kommen andere Männer hinein.

"Funke mein Name.Ich darf dich duzen?" Ich zucke teilnahmslos mit den Schultern.Er hebt leicht mein Gesicht an und schaut es sich an. "Wie stark sind die Schmerzen?Auf einer Skala von eins bis zehn,wobei zehn unaushaltbar ist.",fragt er und ich fühle nach innen."So 'ne sieben.",flüstere ich leise.Er schaut überrascht."Okay macht mir einen Zugang fertig und was gegen die Schmerzen.",sagt er zu seinen Kollegen und wendet sich wieder an mich:"Also du bekommst gleich was gegen die Schmerzen.Dafür legen wir dir einen Zugang.Leg dich am Besten dafür hin." Ich mache keine Anstalten."Wollte sie eben auch nicht.",sagt einer mit dunklem Haar.Wieder eine Träne.Und die nächste.Und noch eine.Dann die folgende.

"Ich...ich kann nicht.",sage ich mit zittriger Stimme. "Warum nicht?" Ich senke meinen Blick wieder. "Weil ER es mir angetan hat."Ich schaue böse dem Notarzt direkt in die Augen. "Wer ist er?Und was hat er dir angetan?",fragt er gefühlvoll. Ich ziehe mein Shirt ein Stück hoch und er sieht die vielen Hämatome am Bauch und Brustkorb."Er schaut kurz."Und warum legst du dich nicht hin?" Ich kehre ihm so gut es geht dem Rücken zu und ziehe mein T-Shirt komplett über den Kopf,dass ich nun Oberkörperfrei vor ihnen sitze ist mir egal.Papa hatte meinen Kampfgeist und Willen sowieso schon gebrochen.
Der Notarzt schaut betroffen und manche Striemen mit Kompressen ab."Setze dich doch hier auf den Stuhl für die Fahrt." Er reicht mir eine Decke,die ich mir vorhalte.Mit zittrigen Beinen und Händen setze ich mich.Der junge Sanitäter hat so seine Mühe mir einen Zugang zu legen,doch wenig später spritzt er mir auf Anweisung des Notarztes das Wundermittelchen.Tatsächlich werden meine Schmerzen weniger."Tobi..",bringe ich schüchtern hervor."Möchtest du deinen Bruder sehen?" Ich nicke.

Mein Bruder kommt eilig auf mich zu und umarmt mich leicht und vorsichtig wie vorhin.Ich lächel leicht."Mein Großer.Mach keinen Ärger.Verstanden?" Er nickt und stellt sich neben mich.Robin und ein Kollege kommen an die Tür des Rettungswagens."Hey Lotte,ich habe euren Vater schon informiert.Er kommt ins Krankenhaus.Wir fahren mit Tobias hinterher." Ich werde bleich,zumindest glaube ich das,aber ob es noch weiter möglich ist, weiß ich nicht. Verkrampft nicke ich leicht.Ein paar besorgte Blicke liegen auf mir und an den Gedanke,dass Papa da gleich sein wird,kann ich mich nicht gewöhnen.Mir wird heiß und kalt zu gleich.Ich fühle mich benommen und die Angst wandelt sich in Übelkeit um.Im richtigen Moment hält mir jemand eine Tüte hin und ich übergebe mich hinein.Erschöpft sinke ich links an die Wand und lehne meinen Kopf an und wieder tropfen ein paar wenige Tränen.Ich habe Angst.Keiner wird mir glauben.Papa wird wieder als Sieger hervorgehen.Der Wagen setzt sich in Bewegung und mir wird bewusst,dass das die Fahrt in mein Verderben sein wird...

Stärke ist nicht angeboren!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt