The Talk

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Mal wieder vielen Dank an alle, die gevoted haben und die so fleißig kommentieren. Ich freue mich jedesmal wahnsinnig. Weil es ein wenig länger gedauert hat, dieses Mal ein etwas längeres Kapitel:

Nico und ich gehen zu seinem Hotelzimmer. Er hält meine Hand fest in seiner bis wir angekommen sind, dann lässt er sie los, damit wir uns einander gegenüber sitzen können. Das Sofa ist bequem und hat eine schöne Farbe. Ich folge mit den Augen dem Muster, das auf der Fläche zwischen Nico und mir zu sehen ist. Mir ist bewusst, dass er jede meiner Bewegungen beobachtet und anaylsiert, und dass er wartet. Aber ich habe keine Ahnung, was ich ihm sagen soll. Oder wie ich, was auch  immer ich sage, sagen soll. Ich hoffe, dass er den ersten Schritt macht und eine Frage stellt. Denn dann könnte ich antworten. Dann wüsste ich, was ich sagen soll. Das Schweigen zwischen uns verursacht ein unangenehmes Gefühl in meiner Magengegend. Unwillkürlich greife ich mit der Linken nach dem Kettenanhänger an meinem Dekollete, aber meine Hand wird auf halbem Weg abgefangen. Überrascht blicke ich in Nicos Gesicht. Da er nun meine ungeteilte Aufmerksamkeit hat, beginnt er zu sprechen: "Lilly, ich weiß ehrlich nicht was ich sagen soll... Ich... Was macht dich so unsicher?" Ich bin so froh, dass er eine Frage stellt, die ich beantworten kann. Keine leichte Frage, aber ich schulde uns die Antwort, immerhin geht es hier nicht nur um mich.

"Um ehrlich zu sein hat das mehrere Gründe. Wo soll ich anfangen?", die Frage ist mehr an mich selbst gerichtet, doch Nico wirft trotzdem ein "Am Anfang am besten." ein. Unrecht hat er damit nicht. Also fange ich an ihm von meiner ersten und bisher einzigen Beziehung zu erzählen.

Mein Freund damals hieß Lukas und wir waren zusammen seit ich 17 war, insgesamt waren es etwas mehr als zwei Jahre, bevor die Beziehung auseinander ging. Im Nachhinein betrachtet hätte mir nichts besseres passieren können als das Ende der Beziehung. Ich war schon lange nicht mehr glücklich mit ihm, hatte den Verdacht, dass er mich betrügt und wirklich gut behandelt hat er mich auch nicht mehr. Er gab mir immer das Gefühl, eigentlich nicht gut genug für ihn zu sein. Als könne ich mich überglücklich schätzen, dass ich überhaupt jemanden abbekommen hatte. Mein Selbstvertrauen, das eigentlich immer groß und stabil gewesen war, litt sehr unter der Beziehung und irgendwann glaubte ich ihm das alles: Ich dachte, wenn ich mich so verändere, dass ich ihm genug gefalle, gibt er mir auch etwas von der Liebe zurück, die ich ihm immer entgegengebracht hatte. Aber so funktioniert Liebe nicht. Ich wollte Kinder. Aber Lukas hat immer klar gemacht, dass ich, falls ich schwanger werden würde, sofort ohne ihn dastehen würde. Also sprach ich nie wieder von Kindern. Als ich 19 war, ich hatte gerade das zweite Semester begonnen, wurde ich entgegen aller Vorsicht und Verhütung doch schwanger. Ich hatte Angst, immerhin wusste ich wie er zu Kindern stand. Aber eine Abtreibung kam für mich nie in Frage. Als ich im dritten Monat  eine Fehlgeburt hatte, bin ich zu ihm und habe ihm davon erzählt. Ich hatte gehofft, er würde bei mir bleiben. Immerhin war ich ja nicht mehr schwanger. Die Fehlgeburt hat mich unheimlich belastet, immerhin habe ich mehr oder weniger einen Teil meiner selbst verloren. Aber er ging. Nicht ohne mir noch einmal zu sagen wie wertlos und unfähig ich sei. In dem Moment brach meine Welt zusammen. Nicht weil ich ihm hinterhertrauerte, zumindest nicht nur. Vor allem, weil mir in dem Moment bewusst wurde, was er die ganze Zeit mit mir gemacht hat. Was er für ein schrecklicher Mensch war. Er hat mich nie bei irgendetwas unterstützt, mich immer nur kleingeredet. Deshalb hab ich noch am selben Tag die Kündigung für die gemeinsame Wohnung bei den Vermietern abgegeben, habe all meine Sachen gepackt und bin zu Lexa. Gott sei Dank war ihre Wohnung groß genug für eine zwei-Frau-WG. Es war nicht sofort besser; natürlich nicht. Es hat beinahe ein Jahr gedauert, bis ich mein Selbstvertrauen zurück hatte. Das Studium, die Beschäftigung und die sozialen Kontakte, die ich dadurch hatte, haben mir sehr geholfen. Genauso wie meine Freunde. Allen voran natürlich Lexa, aber auch Jane und Kian.

Ich weine nicht, während ich Nico davon erzähle. Lukas ist keine einzige Träne wert, außerdem habe ich wegen dem Kerl bereits genug davon vergossen. Nico hört mir aufmerksam zu, unterbricht mich nicht, sondern streicht nur immer wieder mit dem Daumen über die Handfläche meiner Hand, die er nicht losgelassen hat. Immer wenn ich bei der Erzähung ins stocken gerate, drückt er entweder ermutigend meine Hand, oder streichelt mit dem Daumen über meine Handfläche. Und diese kleine Geste bedeutet mir so viel mehr, als alles was er im Moment sagen könnte.

"Verstehst du?", hänge ich an meinen Bericht an, "deshalb habe ich solche Angst, niemals gut genug zu sein. Und weil ich immer noch Lena im Hinterkopf habe. Ich bin doch kein Stück mit ihr vergleichbar. Deswegen hasse ich das Lied, das ich mit Tosi singen muss so sehr. Weil es mich immer an sie erinnert, an alles, was ich dir nicht geben kann. Ich bin keine erfolgreiche Sängerin und was auch immer Lena noch alles ist. Ich kann ja nicht einmal mehr Kinder kriegen. Nie wieder." Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Besser gesagt die Katzen. Weil Nico meine linke Hand immer noch festhält, greife ich mit der anderen nach der Kette. Mit jeder Millisekunde, die er schweigt, baut sich in meiner Brust ein unglaublich großer Druck auf.
"Und es ist gut, dass du nicht wie Lena bist. Ich hab dich schließlich gern, weil du einfach nur du bist. Und das ist mehr als genug." Der ganze Druck fällt von mir ab und ich kann mir sogar ein Lächeln anbringen. Ich rutsche zu ihm rüber und umarme ihn umständlich im Sitzen.
"So wie du einfach nur Nico bist?", sage ich und er nickt. Eine Sache liegt mir ganz besonders auf dem Herzen. "Und was ist damit, dass ich keine Kinder mehr bekommen kann? Ich weiß, wie sehr du dir eine Familie wünschst... Und die kann ich dir nicht geben." Nico lässt sich Zeit mit seiner Antwort, als würde er sich jedes einzelne Wort gut überlegen. Schließlich antwortet er: "Ich weiß, aber zu einer Familie gehört nicht nur, dass man das selbe Blut teilt. Es ist vielmehr das Gefühl von zuhause sein, angekommen sein und Geborgenheit, das Menschen zu einer Familie macht. Und wenn wir keine leiblichen Kinder haben können, dann adoptieren wir welche. Oder ganz viele und gründen ein eigenes Kinderheim. Oder eine Jugend-WG. Es gibt so viele Möglichkeiten, eine Familie zu sein. Und solang du ein Teil davon bist, ist die Familie perfekt." Seine Worte treiben mir Tränen der Rührung in die Augen. Gleichzeitig realisiere ich, dass er recht hat. Familie ist nicht nur Fleisch und Blut, sondern Geborgenheit, Zusammenhalt und zuhause. Ich hatte mich nur so sehr auf den Aspekt der leiblichen Kinder fokussiert, dass ich die Möglichkeiten, die wir trotzdem haben, ausgeblendet habe.
"Ich liebe dich.", sage ich und ich meine es genauso. "Ich möchte all das mit dir versuchen. Ich möchte über meinen Schatten springen. Weil du es verdammt nochmal verdient hast. Weil ich es bereuen würde, aber lass uns langsam machen.", füge ich noch hinzu und allein das Strahlen in Nicos Gesicht zeigt mir, dass es alles wert sein wird.
Wir albern noch ein wenig herum, nachdem wir beschlossen haben, uns keinen Druck wegen eines Beziehungsstatus zu machen. Wir beide wollen nur einander und das wissen wir, der Rest wird sich ergeben. Es ist wieder so locker und ungezwungen wie immer, als wir uns mit einer festen Umarmung voneinander verabschieden.
"Bis zur nächsten Runde.", sagt mein bester Freund, weil wir uns tatsächlich bis zur Aufnahme der Battles nicht mehr sehen werden. Wir werden beide mit Proben beschäftigt sein und müssen nebenbei auch noch ein wenig arbeiten.
"Bis dann...", erwiedere ich, bevor ich mir einen Ruck gebe und ihn kurz auf die Wange küsse. "Wenn das Drama mit dem Lena-Song vorbei ist, würde ich gern bei Gelegenheit mein Liebeslied hören." grinse ich dann. Nico strahlt über beide Ohren, was mein Herz etwas schneller schlagen lässt. Als er antwortet, spiele ich mit dem Anhänger meiner Kette: "Aber nur, wenn ich dann auch eines bekomme, du schuldest mir auch ein Liebeslied."
"Du zuerst." ich zwinkere ihm noch zu, bevor ich mich auf den Weg in mein Zimmer mache. Dort angekommen kann ich nicht anders und muss vor Glück ein paar mal wie ein Flummi umherhüpfen. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe, und es hat sich verdammt gut angefühlt.

Bin ich böse, weil sich die beiden noch nicht geküsst haben? Oder weil sich unterm Strich nichts zwischen ihnen geändert hat? Aber das wäre mir etwas überstürzt vorgekommen😅
Ratet mal, welche Liebeslieder ich für die beiden ausgesucht habe... 😊

I'll be your wings to fly Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt