Mein neues Zuhause

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Gestern hatte ich bereits den Vertrag bei dem Verlag B&B, was die Abkürzung für "Blogs and Biographies" war, unterschrieben und gleichzeitig ein paar meiner zukünftigen Kollegen kennengelernt. Die Atmosphäre war sehr angenehm und ich freute mich bereits, bald anzufangen. Ich würde an drei frei gewählten Tagen die Woche im Büro sein und dort die Lektoren, Autoren und Journalisten unterstützen, den Rest der Woche hatte ich für das Studium zur Verfügung und in den Semesterferien würde ich Vollzeit arbeiten.
Die erste Wohnungsbesichtigung war auch gestern, aber die Zimmeraufteilung und Lage der Wohnung hatten mir nicht zugesagt, deshalb würde ich mich heute wieder mit der von B&B engagierten Maklerin treffen, um zwei weitere Wohnungen anzusehen.
Gerade war ich auf dem Weg in die Innenstadt, wo die erste der beiden Wohnungen lag. Ich sah mich um. Die Lage war nicht so ruhig wie ich es gern hätte, aber die Gegend war schön. Gleich an der nächsten Ecke ein Supermarkt und eine Bushaltestelle, von der aus ich in 20 Minuten im Büro wäre. Das waren zwei Pluspunkte und ein Minuspunkt wegen der Unruhe. Aber ich sollte erst einmal abwarten, wie ruhig es in der Wohnung war und wie diese überhaupt aussieht. Vor dem Eingang traf ich die Maklerin, eine ältere Dame mit freundlicher Ausstrahlung, und begrüßte sie lächelnd
"Hallo Frau Wilhelm, schön, dass Sie heute Zeit haben, um mir die beiden anderen Wohnungen zu zeigen."
"Frau Heider, die Freude ist ganz meinerseits.", sie zwinkerte mir zu, "immerhin ist es mein Job, das perfekte Zuhause für Sie zu finden."
Nach Frau Wilhelm betrat ich den Eingangsbereich und das Treppenhaus und folgte ihr in den vierten Stock. Leider gab es keinen Aufzug, für den Fall, dass ich schwere Einkäufe hätte, wäre das definitiv ein weiterer Minuspunkt, wenn auch kein besonders großer.
Frau Wilhelm sperrte die Wohnungstür auf und ließ mir den Vortritt. Beim Eintreten fiel mir sofort der geräumige Flur auf, von dem vier Türen abgingen. Hinter der ersten Tür lag offenbar das Schlafzimmer, das zwar groß genug für Bett und Kleiderschrank, sowie ein kleines Bücherregal war, doch ein großer Schreibtisch für die Universität oder gelegentliche Heimarbeit hätte beim besten Willen keinen Platz mehr. Noch dazu war der Raum durch das kleine Fenster nicht besonders hell. Ich sah, dass vom Schlafzimmer eine weitere Tür abging und stellte erfreut fest, dass diese in ein helles Bad mit Dusche und Badewanne führte. Die Fliesen gefielen mir und Frau Wilhelm, die ich inzwischen fast vergessen hatte, wies mich auf die Fußbodenheizung hin. Das Bad begeisterte mich und wenn der Rest der Wohnung ähnlich war, könnte ich über das etwas klein und dunkel geratene Schlafzimmer hinwegsehen, sofern ich einen anderen Platz für einen Schreibtisch fände.
Durch das Bad ging ich zurück in den Flur und suchte in Gedanken schon nach einer passenden Stelle für eine Garderobe und weitere Schränke, die hier ihren Platz finden könnten. Als nächstes betrat ich das Wohnzimmer, das zu meinem Bedauern ähnlich dunkel ausfiel wie das Schlafzimmer und das obwohl die gesamte Wohnung frisch geweißelt schien.
Nach einem kurzen Blick in die Küche, stellte ich fest, dass diese in einem grausamen altrosa gehalten war, die Größe tröstete mich kaum darüber hinweg. Eine neue Küche hatte ich eigentlich nicht kaufen wollen.
"Frau Heider, ich sehe Sie sind nicht begeistert. Darf ich fragen was Sie an dieser Wohnung speziell stört?" brachte die Maklerin, die sich während der Besichtigung professionell im Hintergrund gehalten hatte, meine Reaktion auf den Punkt.
"Nunja, meine Befürchtung, dass es hier in der Gegend zu laut wäre, ist zwar nicht wahr geworden, aber trotzdem würde ich mich über eine idyllischere Wohngegend freuen. Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer sind sehr dunkel, die Küche ist, um es positiv auszudrücken, eine mittlere Katastrophe und ich habe keine Ahnung, wo ich in dieser Wohnung meinen Arbeitsplatz einrichten soll. Das Bad ist dagegen ein Traum und der Flur ist auch schön groß, aber die Nachteile überwiegen leider doch.", leidend verzog ich das Gesicht, ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihr nun schon zum zweiten Mal sagen musste, dass mir die Wohnung, die sie ausgesucht hatte, nicht gefiel.
"Das habe ich bereits befürchtet.", Frau Wilhelm strahlte mich an, "Aber je mehr Sie sagen, desto sicherer bin ich, dass die letzte Wohnung perfekt für Sie ist. Die Wohnung liegt im etwas ruhigeren Künstlerviertel der Stadt, in der Nähe eines Parks, trotzdem haben Sie von dort aus kurze Wege zu Büro und Supermarkt. Die Wohnung befindet sich unter dem Dachgeschoss eines modernen, gut isolierten Mehrparteienhauses, ist großzügig angelegt, sehr hell hat ein traumhaftes Bad, eine offene Küche und das beste ist: Das Dachgeschoss ist ausgebaut und über eine Treppe mit dem Rest der Wohnung verbunden, dort wäre Platz für Schlafzimmer oder Arbeitsplatz."
Das hörte sich ja großartig an, deshalb beschlossen wir, nach einem kleinen Mittagessen direkt zu der Wohnung zu fahren.
Nachdem wir uns bei einem kleinen Italiener gestärkt hatten, fuhren wir gemeinsam mit dem Bus zur letzten Wohnung. Der Bus hielt direkt an einem kleinen Supermarkt, auf der anderen Straßenseite lag ein kleines Café und am Ende der Straße konnte ich einen Metzger erkennen. Wir gingen durch eine kleine Seitenstraße und plötzlich war es angenehm still, zu meiner linken lag ein Spielplatz, dahinter schien ein Park zu liegen. Auf meiner rechten Seite erstreckten sich eine ganze Reihe neuer Häuser. Ich fühlte mich sofort viel wohler als bei den beiden vorherigen Wohnungen. Staunend folgte ich also der Maklerin, die auf ein hellgraues Haus mit großen Fenstern zusteuerte, das direkt gegenüber des Parkeingangs lag. Sie sperrte die Haustür auf und deutete auf die beiden Türen im Erdgeschoss.
"Hier links wohnen die Vermieter, ein sehr freundliches älteres Ehepaar, dass es sich zur Aufgabe gemacht hat, jungen Menschen ein bezahlbares Zuhause in Berlin zu bieten. Auf der anderen Seite wohnen soweit ich weiß zwei Medizinstudenten, die ihr Studium sehr ernst nehmen." An dieser Stelle zwinkerte sie mir frech zu, "also keine Studentenparties zu erwarten."
Das brachte mich zum Lachen. Der Hausflur, im dem nur eine Treppe nach oben führte war durch die gegenüberliegenden Fenster hell erleuchtet und im Flur der ersten Etage konnte ich ein schickes, schwarzes Schuhregal erkennen. Dadurch war ich positiv überrascht, denn in den meisten Mietwohnungen war es strickt verboten, etwas im Hausflur zu lagern.
Erwartungsvoll sah ich also zu Frau Wilhelm, ich wollte unbedingt die Wohnung sehen. Doch die Maklerin drückte mir nur den Schlüssel in die Hand und sagte, dass sie bei den Vermietern warten würde, ich könne dann auch einfach vorbeikommen, wenn ich mit der Besichtigung fertig wäre. Also stieg ich allein die Treppe in den ersten Stock nach oben und lächelte, als ich leises Klavierspielen aus der Nachbarwohnung hörte. Das Lied kam mir bekannt vor, ich konnte es aber nicht eindeutig zuordnen.
Vorsichtig schloss ich die Tür auf und konnte mir ein breites grinsen nicht verkneifen. Der offene Flur mündete direkt in ein helles Wohnzimmer, dessen eine Wand aus der Treppe ins obere Stockwerk bestand. Hinter der Haustür wäre Platz für eine ausladene Garderobe und eine kleine Kommode. Links und rechts zweigte jeweils eine Tür ab. Die rechte, die sich direkt neben der Haustür befand, führte in einen Traum von einem Bad, die Fliesen waren groß und in einem dunklen grau gehalten, es gab sowohl Dusche als auch Badewanne und neben dem Waschbecken und dem Waschtrockner würde hier auch noch ein Schrank für Handtücher und ähnliches Platz haben.
Die andere Tür führte in ein Zimmer, das ich in meinen Gedanken sofort als Schlafzimmer deklarierte. Es war schön hell, angenehm groß und das Fenster zeigte direkt in Richtung des Parks. Der Boden war wie im Flur, sowie im Wohnzimmer in einem hellen, aber warmen Grau gehalten. Wirklich schön. Als nächstes ging ich ins Wohnzimmer. Vor meinem inneren Auge, richtete sich das Wohnzimmer in dunklen, warmen Brauntönen und einem hellen Weiß ein. Diese Wand könnte man in einem hellen Grün streichen und das Sofa davorstellen. Die Treppenwand ging nicht durch den ganzen Raum, sondern trennte nur das Wohnzimmer von einer traumhaften Küche in dunkelgrau und hellem Holz, sogar eine passende Esstischgarnitur stand bereits im Bereich zwischen Wohnzimmer und Küche. Vorsichtig stieg ich die Holzstufen nach oben, doch die gaben kein Geräusch von sich. Was ich oben sah, löste auch das letzte bisschen Zweifel, das ich an dieser Wohnung gehabt hatte in Luft auf. Die Dachschräge machte den Raum keineswegs unnutzbar und hinter der riesigen Fensterfront konnte ich einen Balkon erkennen. Dieses Zimmer lag offensichtlich auf der selben Seite wie das auserkorene Schlafzimmer, denn auch von hier konnte ich den Park sehen. Das würde ein schönes, helles Arbeitszimmer werden.
"Wow", rutsche es mir leise heraus. Ich war wohl schockverliebt in diese Wohnung. Ich beschloss, den Rundgang zu beenden und zu den Vermietern und Frau Wilhelm nach unten zu gehen, um gleich über den Mietvertrag und alles weitere zu sprechen.

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