13. Nachtregen
Tom
Nachdenklich zerknirschte ich Blatt für Blatt in meinen Händen. Wir waren wieder zurück in Herbius. Da, wo alles begann. Drei Tage hatten wir gebraucht. Drei lange Tage, an denen mich immer wieder der Gedanke verfolgte, dass er es sich anders überlegen könnte. Der König war von launischer Natur, wie mir auch Amaya erzählte. Deshalb hatten wir immer wieder Umwege eingeschlagen oder Avery transportierte uns mit seinem Zauberstaub an andere Orte. Doch es gab einige Sperrzonen, in denen Magie verboten war.
Diese waren düster und unheimlich. Nie konnten wir erkennen, was an diesen Orten getrieben wurde, doch stets wurden unsere Schritte von wachsamen Augen verfolgt. Das erste Mal, als wir solche eine Gegend betraten, klammerte sich Amaya ängstlich an mich. Doch ich brachte nur ein leises „Schsch, alles in Ordnung“ zustande. Aber meine Stimme zitterte selbst und mein Herz schlug wie wild. Amaya begann zu weinen und ich wusste nicht, was ich machen sollte. In diesem Moment wurde mir bewusst, wie wenig ich mir Umgang mit Kindern gewohnt war. Eigentlich überhaupt nicht. Alles was ich in meinem früheren Leben gekannt hatte, waren Gleichaltrige und leblose Pflanzen.
Zum Glück kam mir Avery zu Hilfe. Er nahm sie bei der Hand und erzählte ihr irgendwelche Geschichten. Nur wenig später hörte ich ihr Lachen vor mir. Ich war erleichtert und gleichzeitig auch enttäuscht. Ein fast Fremder konnte besser mit ihr umgehen als ihr eigener Vater.
Stunden später war sie erschöpft und Avery nahm sie auf seine Schultern. Ich wollte lächeln bei dem Anblick, doch es gelang mir nicht. Ich spürte lediglich ihr fehlendes Gewicht auf meinen Schultern, all die Verantwortung, die ich für sie trug. Ich war ihr leiblicher Vater und musste sie vor dem Mann ihrer Mutter schützen.
Nun sass ich also in Herbius, angelehnt an einen Baum und beobachtete, wie Avery meine Tochter schlafen legte. Er zauberte ihr eine Decke hervor, wünschte ihr eine gute Nacht und stapfte dann durch das tote Laub auf mich zu. Als ich sein Lächeln erblickte, zermahlte ich ein weiteres morsches Blatt.
„Endlich können wir uns ein wenig Ruhe gönnen, was.“
Ich schaue ihn nur wortlos an.
„Du siehst besorgt aus. Ich kann das verstehen. Es klingt auch für mich verrückt, nach Solara zu gehen und dort nach einer Tante zu suchen, von der wir nicht wissen, wo sie sich befindet. Die Tatsache mal ausgelassen, dass es dort von Soldaten nur so wimmelt.“
So weit hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich war zu beschäftigt gewesen mit der neuen Situation und meinen gemischten Gefühlen für Amaya. Der Elf bemerkte meinen Blick zum ruhig schlafenden Mädchen.
„Sie ist goldig, nicht wahr? Weisst du, was ihr Name bedeutet?“
„Amaya? Nein.“
„Es bedeutet Nachtregen.“
Ich musste lächeln. Das gefiel mir. Ich hatte das Gefühl, dass der Name zu ihr passte. Dann kam mir ein weiterer Gedanke.
„Wenn ich ihr Vater bin und Lily ihre Mutter, was ist sie dann?“
„Du meinst, was eine Mischung zwischen Mensch und Fee ergibt? Keine Ahnung. Für das gibt es keine Bezeichnung, weil es noch nie vorkam. Amaya ist etwas Besonderes.“
Nun lächelten wir beide. Ich fühlte Stolz und eine angenehme Wärme.
„Ja, das ist sie.“
„Ich glaube, sie ist ein bisschen mehr Mensch als Fee. Sie hat keine Flügel und Magie kann sie auch nicht nutzen. Nicht einmal Elfenstaub. Ich glaube, das nimmt sie mit.“
„Dass sie keine Magie besitzt?“
„Dass sie mehr Mensch ist. Ich meine, wer will das schon sein?“
„Hey!“
Wütend sprang ich auf. Was bildete der auf sich ein, dass er sich als etwas Besseres fühlte?!„Nichts gegen dich Tom, aber wenn du wählen müsstest, was würdest du wollen?“
Ich setzte mich wieder hin, die Arme verschränkt und dachte an Lily und Mira. Sie konnten fliegen. Magie nutzen. Lebten in einer atemberaubenden Welt. Ich sah mich um. Jede Jahreszeit, wann immer man wollte. Alles, was sich jedes kleine Kind mal erträumte. Ich musste Avery Recht geben. Wenn ich wählen könnte, würde ich mich nicht für den Menschen entscheiden.
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Stimmt ihr Tom zu, oder findet ihr seine Entscheidung Müll? Mensch oder Fee? Für was würdet ihr euch entscheiden, wenn ihr könntet?
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Verenuna - Stimme der Nacht (Feenland 2)
Fantasia*Fortsetzung von "Feenland - Die Heimreise der verbannten Fee"* Das mysteriöse Verschwinden sowohl der Feenkönigin als auch des Elfenkönigs liess einst beide Völker hoffen. Nun, 8 Jahre später sind sie für alle das Grauen. Die Feen werden unterdrück...