10. Über Macht und alles was einem noch bleibt

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10. Über Macht und alles was einem noch bleibt

Lily

>>Was gab es schwereres als loszulassen? Immer wieder im Leben kam es auf mich zu. Mein Zuhause zu verlassen zum Beispiel, als ich mit meinen Freunden die Reise antrat. Eigene Angewohnheiten hinter mir zu lassen. Doch nichts war schlimmer, als wenn etwas von einem Moment auf den anderen weggerissen wurde. Wenn einen Zukunft und Vergangenheit auf einmal überrannten und alles was man liebte mit sich riss. Oder so kam es mir zumindest vor.

Auf einmal war er wieder da. Tom. Einfach so. Fast hätte ich ihn nicht einmal bemerkt, die Schutzmauer um mein Herz war so stark. Doch er war da und seine Anwesenheit erfüllte das Loch in meinem Herzen, das ich selbst geschaffen hatte. Wie konnte ich nur denken, auf der Erde wäre er besser dran? Wieso hatte ich nicht daran geglaubt, dass er zurückfinden würde zu mir? Alles hätte anders laufen können. Die Sache mit Lino… Und Amaya. Meine Kleine hätte von Anfang an bei ihrem Dad sein können.

Die Gedanken schmerzten. Tränen versuchten mich zu beruhigen. ‚Jetzt kann sie ja bei ihrem Dad sein.‘ Ja das konnte sie. Und ich war so froh und gleichzeitig so traurig darüber. Amaya, die einzige Person, die mein Herz noch wirklich erreicht hatte. Das einzige Wesen auf dieser Welt, von der ich mir sicher war, dass sie mich nie verletzen würde. Und nun verzweifelte ich doch beim klang ihres Namens. Und wieder war ich selber schuld. Denn für eine bessere Zukunft hatte ich sie weggeschickt. So wie Tom damals. Nun waren beide Menschen, die ich über alles liebte fort. Und ich war hier. Allein. Verzweifelt. Selber schuld.<<

Tom

Neugierige Blicke klebten an mir wie Kaugummi. Die Geschehnisse des Tages mussten auf meiner Stirn stehen und wahrscheinlich fragten sich alle, wie es dazu kommen konnte, dass ein Mensch und eine Fee ein Kind hatten. Auch ich konnte mir das nicht erklären, obwohl ich inzwischen akzeptierte, dass ich keinerlei Erinnerungen an Lily besass. Ich hatte nur dieses Gefühl. Und dieses liess mich einerseits so gut fühlen, doch eigentlich machte es die ganze Sache nur noch komplizierter. Denn es war so seltsam sich beim Gedanken an sie so leicht zu fühlen, während mein Leben gerade aus den Fugen geriet.

‚Du hast doch gar kein Leben hier, also kann auch nichts aus den Fugen geraten.‘

Dieser Gedanke war auch nicht gerade hilfreich.  

„Tom, alles in Ordnung? Du führst schon Selbstgespräche.“

Augenblicklich musste ich an Annabelle denken. Ich war zwar immer der Meinung gewesen, Angewohnheiten könnten nicht abfärben, aber da hatte ich mich wohl getäuscht.

Dann versuchte ich endlich wieder im Jetzt zu landen. Viel Zeit schien nicht vergangen zu sein, seit die Wachen uns rausgeschmissen hatten. Obwohl es sich wie eine Ewigkeit angefühlt hatte. Inzwischen waren sie wenigstens verschwunden mit der Anweisung, wir sollten uns nie wieder hier blicken lassen. Ich dachte wieder an Lily und wusste, dass ich dies nicht versprechen konnte.

Moment mal! Auf einmal fiel es mir wie Schuppen vor die Augen.

Verenuna - Stimme der Nacht (Feenland 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt