02. Zimmer 103

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Die Fremde tauchte in mein Blickfeld auf und drehte sich auch in den Augenblick zu mir um. „Achne", sie lachte. „Juliet, ich dachte schon wir sehen uns nie wieder.", sie hielt in ihrer Bewegung inne. „103?", fragte ich zögerlich. „Jep.", sie drückte die Klinke der Tür herab und schwang sie Lächelnd auf. „Mein Name ist übrigens Joy", sie schmiss ihren Koffer auf das rechte Bett und schlüpfte aus ihren Boots. „und den Namen konntest du mir eben nicht verraten?", ein leises Kichern überkam meine Lippen.

Joy hielt in ihrer Bewerbung inne und betrachtete mich kurz. „Einiges sollte man am Anfang doch lieber für sich behalten.", mit den Worten schmiss sie sich auf ihr Bett und seufzte leise. „Diese Denkweise ist langweilig,", während die dunkelhaarige mich beobachtete, fing ich an meinen Schrank einzuräumen. Erst die Arbeit dann das Vergnügen. Würde ich meine Kleidung nicht jetzt sofort ausräumen, dann würde das auch nicht in den nächsten Wochen geschehen.

„Wieso das?", forschte die blauäugige weiter. Sie hatte sichtlich eine komplett andere Denkweise als ich und die Sicht auf das Leben war sicherlich nicht verschiedener. Aber gerade das machte es ja so interessant. „Es schadet mir nicht wenn ich nichts von dir weiß.", erklärte ich so sanft wie möglich, bevor ich mich zu ihr umdrehte und ihren Blick auffing. „Es schadet nur dir selbst.", ich vertiefte den Blickkontakt, wandte mich aber dann doch ab und räumte den nächsten Pulli in den Schrank. Reden half Personen, nicht umsonst gab es Therapeuten oder Kliniken.

Wenn ein Mensch nicht über das redete was vorgefallen war, dann tat es nur den Menschen selbst weh. Ich kannte sie nicht. „Schön gesagt.", murmelte Joy. Es wurde still und jeder versank in sich selbst. In seine eigenen Gedanken, die einen fast erdrückten. „wie alt bist du?", fragte Joy nach einigen Minuten. Ich schloss den Schrank, zog die Schuhe aus und setzte mich auf mein Bett. „16", Ich legte meinen Kopf schief. Ein leichtes Grinsen umgab meine Lippen.

„Aber ich bin in einer Woche 17.", ich nahm meine Unterlippe in Gefangenschaft und beobachtete das Mädchen vor mir. Sie lag entspannt auf beiden Armen und starrte an die Decke. Ein kleines, fast übersehbares Doppelkinn hatte sich unter ihrem Kinn bemerkbar gemacht. Joy passte nicht ins Standard Bild der Gesellschaft.

Die trug dunkles make up, dunkle Kleidung und hatte einen leichten Touch von Emo oder e-Girl? Ihre Kleidung schrie quasi schon nach Menschenhass. Aber ihre blaue Augen waren so ganz anders. Freundlich und wärmend. „Hast du einen Freund?", sie lachte noch immer leise wegen meiner Antwort. Ich stoppte kurz und schüttelte perplex meinen Kopf. „Nein-", und ob ich einen wollte war eine weitere Frage. Natürlich wollte ich geliebt werden und auch in einer Beziehung sein, aber irgendwie wehrte ich jeden Typen ab, der sich mir auch nur ansatzweise näherte.

„Du?", ich lehnte mich vor. Joy kramte ihr Handy heraus und schüttelte ihren Kopf. „Meine Freundin hat vor einem halben Jahr Schluss gemacht.", sie sah nicht zu mir sondern starrte weiter auf ihr Handy. Sie war lesbisch?
„Wieso?", wollte ich wissen, wobei mein Kopf sich auf meiner Hand niederließ. „Wir haben nicht gepasst.", Joy erhob sich und schlüpfte zurück in ihre Boots. „Ich geh eine rauchen, kommst du mit?", sie legte ihren Kopf schief, doch ich schüttelte meinen Kopf und bemerkte nur im Hintergrund wir Joy sich entfernte.

Sie stand also auf Frauen. Meine Eltern würden jetzt ihre Augenbrauen heben und beschämt auflachen. Unnormal. Eine Phase. Sie waren durch und durch Homophob. Ich zückte mein Handy und begegnete einigen Nachrichten meines Bruders. Augenrollend schloss ich mein Handy wieder und ließ mich nach hinten auf das Bett fallen.

Gerade als ich meine Augen schloss, riss das klingeln meines Handys mich aus meinen Gedanken. Frustriert atmete ich aus, riss das Handy in die Höhe und hielt es an mein Ohr. „Ja?", zischte ich leise. „Du hast nicht geantwortet.", die Stimme meines Bruders drang zu mir durch. „Ja ich räume gerade mein Zimmer ein.", brummte ich genervt. „Hast du schon neue Leute kennenlernt?", wollte er interessiert wissen. „Ein Mädchen.", keine Sekunde später trat Joy wieder in das Zimmer und gab ein lautes ausatmen von sich.

Was wohl vorgefallen war? „Ich rufe dich später nochmal an ja?", mein Bruder konnte schon garnicht mehr ausreden, da legte ich schon auf. „Wer war das?", sie zog eine Augenbraue in die Höhe und packte die Zigarettenschachtel in ihre Nachtisch Schublade. „Mein Bruder", murmelte ich und beobachtete sie weiterhin. „Hast du Geschwister?", fragte ich mehr als vorsichtig, ihr Blick glitt in meinen und ein leichtes Glitzern nahm diese blauen Augen ein.

„Nein, ich bin Einzelkind.", sie kramte ihr Handy aus einer Tasche und ging Richtung Tür. „Kommst du?", grinsend riss Joy die Tür des Zimmers auf und schnappte sich den Schlüssel. Hastig erhob ich mich und folgte ihr eilig. Wohin gingen wir denn? „Es gibt gleich Abendessen.", erklärte die dunkelhaarige. Nickend kam ich neben ihr an und betrachtete sie nur kurz von der Seite.

„Juliet", eine sanfte stimmte begegnete mir. Avery kam auf mich zu gerannt und stellte sich zu mir, wobei ihr Blick forschend über Joy ging. „Morgen Nacht steigt eine Party -kommst du?", sie hielt vor der Cafeteria inne und legte ihren Kopf schief. Ihr blondes Haar glitt zur Seite. „Äh-", ich wollte nicht zu Joy sehen, doch ich tat es. Wieso konnte ich mir selbst nicht erklären, denn ich brauchte ihre Erlaubnis dafür nicht. Ich wollte nur nicht alleine dort hin gehen. „Wir kommen auch.", gab sie die erwünschte Antwort. Grinsend nickte Avery und ging in den großen Raum, indem schon eine Masse von Menschen war.

Avery war sichtlich beliebt. Das war aber auch kein Wunder. Sie war ein ziemlich offener Mensch und nebenbei gesagt auch echt hübsch. Ihr Körper war dabei nicht das einzige was schön war, sondern auch ihre grünen, sanften Augen und diese minimalistischen Sommersprossen auf ihrer blassen Haut. „Ist sie dein Typ?", ich sah rauf zu Joy, die überrascht ausschaute. Meine Frage kam aber auch wirklich plötzlich. Ich wusste nicht einmal wieso ich sie das fragte.

„Avery ist hübsch-", meinte sie und setzte sich auf einen Platz.

𝗟𝗘𝗦𝗕𝗜𝝠𝗡 𝗟𝝝𝗩𝗘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt