7. Rebecca

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Seufzend hebt Rebecca die Hand, um zu klopfen, verharrt aber kurz vor dem Holz der Wohnungstür. Irgendwie fühlt es sich falsch an, hierher zu kommen, obwohl es eine lieb, gemeinte Einladung war. Sie werden ganz alleine sein.

Nochmal tief einatmend schließt sie kurz die Augen, um ihre Gedanken zu sammeln. Dann klopft sie.

Von drinnen hört sie ein hektisches Klappern von Töpfen und Schritte, die zur Tür geeilt kommen. Mikko öffnet mit einem Grinsen die Tür und tritt zur Seite. "Danke das du da bist", meint er und Rebecca kommt herein, die stickige Luft erfüllt vom Duft eines Abendessens. "Ich habe mir gedacht, du würdest gerne etwas Essen", meint Mikko achselzuckend und Rebecca presst die Lippen aufeinander. "Danke. Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen".

Mikko zeigt tadelnd mit dem Finger auf sie, als sie ihm bis zur Küche folgt. Sie war bis jetzt nur ein weiteres Mal in der Wohnung gewesen und damals war die Welt mit Emma und Tom an ihrer Seite noch in Ordnung gewesen. Vor allem mit Tom.

"Ich habe Toms Lieblingsschnaps geholt, der muss heute auf ihn getrunken werden. Und vorher sollte man etwas im Magen haben".

Rebecca schaut neugierig in die Töpfe und grinst. Ein typisches "Sauf-Essen", wie sie es nennen würde. Kartoffelstampf, Kassler und Apfelmus. Schön füllend für den Magen.

"Das war eine gute Idee". Während Mikko weiter den Kartoffelstampf bearbeitet, deckt sie schonmal den Tisch. Es fühlt sich komisch an, nur für zwei zu decken, aber das legt sich vielleicht bald.

"Was möchtest du trinken? Ich hätte auch Bier da". Mikko steht am Kühlschrank und schaut Rebecca fragend an. "Bier ist gut". Während Mikko ihr Bier vom Kronkorken befreit, setzt sich Rebecca an den Tisch. Zunächst beginnen sie ihr Abendessen schweigend. Rebecca lässt Mikko nicht aus den Augen, immerhin weiß sie, dass dieser Tag besonders hart für ihn ist.

Als Mikko ihren Blick bemerkt, wendet sie sich schnell dem Essen zu. "Hab ich irgendwo was hängen?", fragt er und sie schüttelt nur den Kopf.

Seufzend legt er das Besteck beiseite und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. "Rebecca, mir geht es gut! Wirklich. Ich möchte nur nicht an diesem Tag alleine sein!".

Rebecca schluckt ihren Bissen herunter und schiebt sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. "Tut mir leid. Es ist nur ungewohnt, dass wir beide etwas alleine machen".

Mikko nickt und zuckt grinsend mit den Schultern. "Bist gar nicht so langweilig, wie ich dachte". Rebecca beginnt zu schmunzeln und verdreht die Augen. "Kann ich nur zurückgeben".

Als sie sich ein Kichern nicht verkneifen kann, erschrickt sie beinahe über sich selbst. Flirtet sie gerade etwa? Ernsthaft? Schnell kippt sie einen Schluck Bier hinterher, wobei das nicht wirklich hilft.

Um nicht noch etwas Peinliches zu machen, isst sie schweigend weiter. Nach dem Essen deckt Mikko den Tisch ab und setzt sich danach mit ihr ins Wohnzimmer. Rebecca knetet nervös ihre Finger durch und verzieht das Gesicht, als sie den Schnaps erkennt, den er zu Toms Ehren auf den Tisch stellt. "Prinzen Schnaps? Das Ding hat doch ordentlich Umdrehungen", meint sie und Mikko nickt. "Nur einen. Zu Toms Ehren".

Widerwillig lässt sie sich etwas einschütten und kippt die Flüssigkeit dann ganz schnell hinunter. Brennen breitet sich in ihrer Kehle aus und sie spürt, wie eine Wärme von ihrem Magen in sämtliche Glieder gleitet und sich breit macht.

Natürlich bleibt es nicht nur bei einem Schnaps. Immer wieder schütten Mikko und sie sich ein Pinnchen nach dem anderen in den Mund und bald ist die Flasche nur noch bis zu einem Viertel voll.

"Weißt du, ich glaube nicht, dass du so unnahbar bist, wie du tust", meint Mikko und Rebecca drückt sich ein Kissen an ihre Brust. "Wieso denkst du das?", fragt sie und schaut ihn mit halb geschlossenen Augenlidern an. Alkohol lässt sie schnell schläfrig werden und sie wusste, sie würde heute nicht mehr nach Hause kommen.

"Weil du dich danach sehnst. Nach Aufmerksamkeit. Und vor allem nach der von Berger". Mikko weicht grinsend einem Kissen aus, welches sie nach ihm wirft. Seine vom Alkohol roten Wangen glühen förmlich auf seiner blassen Haut. Die finnische Herkunft kann er einfach nicht leugnen.

"Ich sehne mich ganz bestimmt nicht nach der Aufmerksamkeit von meinem Vater", brummt sie und verflucht sich aber innerlich, dass sie überhaupt darauf eingegangen ist. Natürlich versucht sie sich, gegenüber ihrem Vater zu zeigen und ihn zu beeindrucken, vor allem seit Julia in San Francisco ist.

"Ganz genau. Deswegen leugnest du es auch so vement". Mikko grinst und Rebecca schnaubt. "Es heißt vehement. Der Alkohol benebelt zu sehr deine Sinne".

Langsam lässt sie den Kopf gegen eines der Kissen sinken und schließt die Augen. Nach Hause würde sie es definitiv nicht mehr schaffen.

"Du kannst hier übernachten, wenn du möchtest", meint Mikko und sie hebt kurz ein Augenlid. "Danke", murmelt sie und kuschelt sich tiefer in die Couch hinein. Mikko erhebt sich, nimmt eine Decke und legt sie ihr über. "Bis morgen!", meint er sanft und lächelt auf sie hinab.

In aller Freundschaft - die jungen Ärzte: LebensabschnitteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt