19. Matteo

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Matteo schaut genervt auf sein Handy, als es ununterbrochen klingelt. Was will Vivi denn, sie müsste doch längst im Zug nach Hamburg sein.

„Was?“, faucht er ins Telefon, als er rangeht.

„Du fragst mich ‚was‘? Ist das dein fucking Ernst?“, schreit sie förmlich und im Hintergrund hört er das empörte Schnauben einer Frau.

„Was meinst du?“, fragt er erneut, immer noch völlig ahnungslos, was sie jetzt eigentlich von ihm will.

„Spinnst du eigentlich komplett? Was fällt dir ein, Isabella wieder hinterher zu rennen und Cassy verlassen zu wollen?“.

Bitte was? Matteo fällt beinahe vor Schreck das Handy aus der Hand, doch dann lacht er bloß.

„Schlechter Witz Vivi“, knurrt er und hört ihr Schnauben am anderen Ende der Leitung.

„Das ist kein Witz! Das ist doch das, was du Isabella geschrieben und gesagt hast! Cassy hat die Nachrichten von einer unbekannten Nummer bekommen, wahrscheinlich Isabella, die dein falsches Spiel aufdeckt!“.

Was für Nachrichten? „Vivi, ich weiß echt nicht, was du meinst!“.

Kurze Stille. „Dann schau im Handy nach!“. Und schon hat sie aufgelegt.

Nach wenigen Sekunden schaut Matteo fassungslos auf die Nachrichten, die sich ihm da zeigen. Das hat er nicht geschrieben! Niemals!

Schnell tippt er Cassys Nummer ein und wartet, doch sie nimmt nicht ab. Weder auf ihrem Handy noch zuhause.

„Scheiße!“, flucht er und sprintet aus dem Labor. Dort kommt ihm Professor Patzelt entgegen, die ihm anscheinend etwas sagen möchte.

„Keine Zeit!“, sagt er nur und läuft weiter. Mit Arztkittel und allem was dazugehört hinaus auf den Parkplatz in Richtung seines Wagens.

Neben ihm will Elias gerade in seinen Wagen einsteigen. „Du hast Vivi die Nachrichten gezeigt!“.

Natürlich kann Matteo eins und eins zusammenzählen. Elias schaut ihm direkt in die Augen und bleibt demonstrativ stehen.

„Nicht ich, sondern Isabella zuerst. Ich habe nur eine Bestätigung gesucht!“. Natürlich verteidigt er seine beste Freundin.

„Mensch Elias. Sprich doch erstmal mit mir! Die Nachrichten habe ich nicht geschrieben!“.

Elias rückt sich verwundert seine Brille zurecht. „Nicht?“. Matteo verdreht die Augen und zückt kopfschüttelnd sein Tablett.

„Sieh doch. Zu der Zeit war ich im OP“. Elias Augen werden immer größer, sein Gesicht blasser und blasser.

„Scheiße!“, flüstert er und Matteo knurrt leise. „Ja, scheiße! Kannst du ruhig laut sagen!“.

Mit schuldbewusster Miene sieht er zu ihm auf. „Es tut mir leid Matteo“.

Matteo entreißt ihm das Tablett und deutet auf seinen Wagen. „Entschuldige mich bei den Kollegen, aber ich muss nach Hause fahren. Cassy geht nicht ans Telefon. Und danach finde ich heraus, wer solche Nachrichten verfasst hat!“.

Im Grunde genommen ahnt er es schon. Aber wahrhaben möchte er es auch nicht.

Wie ein Verrückter fährt er den kurzen Weg nach Hause, seinen Führerschein wäre er mit Sicherheit losgeworden. Als er die Auffahrt zu ihrem Haus sieht, atmet er erleichtert aus. Ihr Auto ist noch da.

Halb noch auf der Straße stehend parkt er hinter ihr und bemerkt die offene Kofferraumklappe mit gepackten Koffern.
Bloß nicht, das weiß er aber zu verhindern!

Als er in den Flur stürmt, verpackt Cassy gerade die kleine Charlotte in ihrem Jäckchen und sieht erschrocken, aber auch mit vor Wut blitzenden Augen auf.

„Du vertraust mir nicht?“, fragt Matteo fassungslos und mit so leiser Stimme, dass sie ihm am Ende sogar wegbricht. Allein der Gedanke daran, dass sie ihn verlassen könnte oder das Vertrauen verloren hat, schmerzt ihn zutiefst.

„Wie soll ich das? Wie? Erst verschweigst du mir, dass deine Ex hierherkommt und hast mir auch gar nicht von ihr erzählt und dann bekomme ich solche Nachrichten zugeschickt!“.

Tränen schillern in ihren Augenwinkeln und ihre Unterlippe beginnt zu beben. Sie ist kurz davor, richtig loszuweinen und Matteo weiß, dann weint er mit. Er kann sie nicht weinen sehen.

Langsam nähert er sich ihr und hält ihr seine Hände entgegen. Sie ergreift sie sofort, was ihn beruhigt.

Stückchen für Stückchen zieht er sie näher heran und legt ihr eine Hand an die Wange.

„Ich war zu dem Zeitpunkt, als diese Nachrichten verschickt wurden, im OP. Elias tut es furchtbar leid, dass er sich nicht vergewissert hat. Und ich bin ein Trottel, lasse einfach mein Handy offen herumliegen“.

Cassys Zweifel stehen ihr noch deutlich in den Augen. Matteo holt sein Tablett hervor und zeigt ihr genau wie Elias eben den OP Plan von gestern.

„Siehst du?“. Blinzelnd betrachtet sie den Plan und er sieht, wie ihre Schultern langsam herabsinken und die Anspannung von ihr abweicht.

Trotzdem fängt sie an zu weinen und vergräbt ihr Gesicht in den Händen.

„Oh Matteo, wie konnte ich nur so dumm sein?“, schluchzt sie und zärtlich nimmt er sie in die Arme. Spürt ihren rasenden Herzschlag an seiner Brust und streicht ihr zärtlich über den Rücken. Ihr Atem kitzelt über seinen Hals, ihre Tränen durchweichen den Kittel an seiner Schulter.

„Du bist nicht dumm. Und ja, diese Sprachnachricht war von mir. Aber auf einem Anrufbeantworter von vor über 25 Jahren. Das ist längst vergangene Zeit!“.

Cassy hebt den Kopf, sofort hat sie begriffen, was das heißen muss.

„Also ist Isabella schuld an allem? Sie versucht, uns auseinander zu bringen?“.

Matteo nickt resigniert. „Keine Sorge, ich werde das Problem aus der Welt schaffen“.

In aller Freundschaft - die jungen Ärzte: LebensabschnitteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt