17. Ben

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Dunkelheit umfängt ihn, als er mit tiefgezogener Kapuze im Schatten einer Wand sich versteckt hält. Seit Stunden harrt er schon hier aus, wartend auf die eine Person, die sein Leben ruinierte und es weiterhin tut.

Endlich. Endlich sieht er ihn aus dem Klinikum kommen. Schweren Schrittes, aber dennoch aufrecht und vor allem Stolz wie eh und je.

Dieses selbstverliebte Arschloch. Als sein Ziel endlich bei seinem Wagen angekommen ist, außerhalb jeglicher Kameras oder einer Hörweite, zieht er sich noch weiter in den Schatten der Wand zurück. Der Baseballschläger liegt schwer in seiner Hand.

Der Mann lässt sein Auto entriegeln und will gerade einsteigen, als er seinen platten Reifen bemerkt.

„Nicht doch!“, schimpft dieser und setzt einen derben Fluch noch hinterher. Müde fährt er sich mit der Hand durch das Gesicht und greift in die Tasche seines Mantels.

„Ja, Dr. Stein hier. Ich bräuchte einen Abschleppwagen an der Sa…“. Weiter kam er nicht, denn Ben stürmt aus dem Schatten heraus und schwingt mit enormer Wucht den Baseballschläger.

Dr. Stein lässt vor Schreck sein Handy fallen und reißt die Arme hoch, doch da trifft der Baseballschläger schon mit voller Wucht sein Ziel.

Scheppernd knallt das Ende auf die Seitenscheibe, sodass diese in tausend Einzelteile zerspringt. Ben schnauft, als er den Schläger erneut hebt und auch die andere Scheibe zertrümmert.

„Dr. Ahlbeck?“. Dr. Stein ist fassungslos, als er Ben mit offenem Mund dabei zusieht, wie dieser sein Auto demoliert.

„Ja richtig. Und dies hier…!“. Wütend zeigt Ben mit dem Schläger auf das Auto.
„Soll Ihnen eine Lehre sein! Halten Sie sich von meiner Frau fern! Halten Sie sich von unserem Leben fern!“, schrie er und schlug mit voller Wucht auf die Windschutzscheibe ein.

Dr. Stein schaut immer noch fassungslos drein. „Was zum Teufel meinen Sie?“, fragt er ihn und Ben schnaubt wütend.
„Als ob Sie das nicht wüssten! Ich habe Ihren Brief gelesen!“, schrie er und zeigt drohend mit dem Schläger auf ihn.
„Ich habe Ihre verfluchte Handschrift erkannt“.

Erschrocken weicht Dr. Stein ein, zwei Schritte zurück und schüttelt den Kopf. „Es tut mir leid, wirklich. Aber ich hatte nicht gedacht, dass ich Leyla nach unserem Treffen nun vollends verlieren würde. Ich liebe sie und würde alles dafür tun, sie zurückzubekommen!“.

Treffen? Welches Treffen? Langsam lässt Ben den Schläger sinken, sein Atem beruhigt sich etwas.

„Was meinen Sie damit?“. Dr. Stein greift nach seinem Handy und flucht leise über das gesprungene Display.

„Das Treffen? Leyla bat um eines, ungefähr vor drei Wochen“. Nun ist es Ben, der fassungslos dasteht. Vor drei Wochen war sie doch angeblich in London?
„Was wollte sie von Ihnen?“.

Dr. Stein schnaubt und steckt sein Handy ein. „Hat mit mir reden wollen. Und mir verständlich gemacht, dass Sie derjenige sind, den sie will. Wie es mir und meinen Gefühlen damit geht, ist ihr vollkommen egal gewesen“.

„Scheiß auf Ihre Gefühle! Sie pfuschen ständig in unserem Leben herum und das lasse ich nicht länger zu!“.

Erneut lässt Ben den Schläger auf die Windschutzscheibe krachen. „Ein für alle Mal!“, knurrt er und wendet sich ab. Läuft energischen Schrittes in Richtung seines Wagens und fährt mit quietschenden Reifen davon.

Sein Herz rast noch einige Kilometer und als er sich endlich beruhigt hat, kommt die Erschöpfung. Müde hält er am Rand einer Landstraße mit Warnblicklicht und weint. Weint über die Enttäuschung, die er verspürt und das fehlende Misstrauen, welches Leyla ihm anscheinend entgegenbringt. Wieso hat sie ihm nichts von diesem Treffen erzählt? Und lügt ihn noch stattdessen an?

Bens Tränen tropfen langsam und stetig auf das Lenkrad seines Wagens. Das Wimmern erfüllt das vollkommen stille Innere, bis er sich ein Taschentuch nimmt und geräuschvoll hineinschüttet.

Langsam fährt er nach Hause. Vor dem Haus angekommen sieht er sofort eine Gardine, die sich bewegt. Leyla wartet schon auf ihn.

Schleppend erklimmt er die Treppenstufen und gerade als er seinen Schlüssel ins Schloss stecken will, wird die Tür aufgerissen. Mit wütenden und weit aufgerissenen Augen steht seine Frau vor ihm, ihre Nasenflügel beben.
Mit kräftiger Hand zieht sie ihn hinein und schließt die Tür hinter ihm.

„Wo warst du zum Teufel?“, faucht sie ihn an, leise, damit Raya nicht aufwacht. Ben schnaubt bloß und zieht sich die Schuhe aus.

„Als ob du das nicht wüsstest!“, knurrt er und Leyla lacht empört.

„Woher denn bitte? Du verschwindest einfach am späten Abend ohne ein Wort des Abschieds und tauchst erst Stunden später wieder auf!“.

Ben hängt seine Jacke auf und mustert sie. „Ich war bei Dr. Stein. Und hab ein für alle Mal geklärt, dass er dich in Ruhe lassen soll!“.

Er drückt ihr den Brief in die Hand und geht in die Küche. Er braucht dringend etwas zu trinken. Es dauert einige Sekunden, bis Leyla ihm folgt.

„Du hast ihn gelesen? Warum?“.
Ben schüttet sich ein Glas Wasser ein und kippt es in nur zwei Zügen hinunter.

„Das fragst du dich noch? Leyla, du hattest eine Affäre mit dem Mann! Es war überhaupt nicht klar, ob Max von mir ist oder nicht. Und dann finde ich diesen Brief von Dr. Stein. Und erfahre, dass du dich letztens noch mit ihm getroffen hast. Als du eigentlich in London sein solltest“.

Leyla verdreht die Augen und reißt den Brief in Stücke. „Ich bin vor meinem Flug nach London zu Martin und habe ihm gesagt, er soll mich in Frieden lassen. Mehr war da nicht!“.

Ben nickt. „Weiß ich jetzt auch. Aber es wäre trotzdem schön gewesen, es von dir zu hören und nicht durch Dr. Stein zu erfahren“.

Leyla presst die Lippen aufeinander. „Das tut mir leid. Aber ich dachte, es würde dich nur wieder viel zu sehr aufregen!“.

Ben sieht traurig auf seine Frau hinab.
„Und genau das ist unser Problem … fehlendes Vertrauen!“.

In aller Freundschaft - die jungen Ärzte: LebensabschnitteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt