12. Ben

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Ben steht nachdenklich vor den Schließfächern und starrt auf das Stück Papier in seinen Händen. Seit Tagen schleppte er den Brief mit sich herum, den er im Altpapier gefunden hatte ... ungeöffnet.
'Leyla Sherbaz', steht in schön geschwungener Handschrift auf dem Umschlag. Er erkennt sie, nur zu oft hat er mit ihm zusammengearbeitet.

Ben hasst Dr. Steins Annäherungsversuche. Nicht nur, weil er meint sich ständig an eine verheiratete Frau heranmachen zu müssen. Sondern auch, weil dann jedes Mal diese nagenden Zweifel in ihm hochkommen. Dieser grüne, giftige Zwerg namens Eifersucht.

Mit zittrigen Händen öffnet er sein Schließfach und legt den Brief hinein. Dafür hat er jetzt keine Nerven. Andererseits ... würde er sich nicht wieder den ganzen Tag verrückt machen? Die Entscheidung wird ihm schnell abgenommen, als die Tür zu den Umkleiden geöffnet wird und Theresa hereinkommt.

„Gott, irgendwann bringen mich diese 24-Stunden Schichten noch um". Gähnend reckt sie sich und fährt sich dann über ihre Augen, die sie müde reibt. Dicke, dunkle Ringe zieren die Haut unter diesen.

Ben schließt seine Schließfachtür und lächelte gezwungen. „Es dauert doch nicht mehr ewig, bald sind Charlotte und Max älter. Dann sind Matteo und Leyla wieder voll da".

Theresa nickt bloß und legt sich auf die Couch. „Ich mach nur kurz die Augen zu", meint sie und ist innerhalb von Sekunden eingeschlafen.
Ben schleicht aus den Umkleiden und beginnt mit seinem Dienst. Er führt die Visite wie immer gewissenhaft und zuverlässig durch, doch ein kleiner fieser Gedanke will nicht aus seinem Kopf verschwinden.

Als er nach wenigen Stunden wieder an den Umkleiden vorbeikommt, sieht er Elias am Tisch sitzen. Er musste mit ihm reden. Dringend! „Elias, hast du eine Minute?", fragt Ben und dieser hebt den Kopf. „Klar, schieß los".

Ben nimmt den Brief aus dem Schließfach und zeigt ihn Bährchen. Stirnrunzelnd betrachtet dieser die Schrift und schaut dann mit hochgezogener Augenbraue zu Ben auf.

„Dr. Stein? Schon wieder?". Ben nickt und fährt sich seufzend mit der Hand durchs Gesicht. „Soll ich ihn lesen?". Elias öffnet den Mund, um etwas zu sagen, schließt ihn dann aber wieder. Runzelt wieder die Stirn, wobei seine Brille wie so oft verrutscht und er sie ungelenk wieder hochschiebt.

„Ich finde nicht. Dann zeigst du ihr nur, dass du ihr nicht vertraust. Andererseits, sie hat ihn nicht gelesen und direkt weggeschmissen?".
Sein Nicken bestätigt Elias Vermutung. „Dann interessiert es Leyla auch nicht. Aber alleine, dass du darüber nachdenkst, den Brief zu öffnen und zu lesen zeigt deutlich, wie sehr dein Vertrauen geschädigt ist".

Elias gibt Ben den Brief zurück. „Wenn es für dein Seelenfrieden besser ist, lies ihn. Aber dann musst du mit Leyla über deine Gefühle sprechen".
Ben verzieht das Gesicht. „Seit wann bist du so rührselig geworden?", fragt er und Elias grinst. „Seit ich ebenfalls eine wundervolle Frau an meiner Seite haben und alles für sie tun würde".

Elias Handy klingelt. „Ich muss los. Überleg es dir Ben und vor allem, sprich mit deiner Frau!". Mitfühlend legt er ihm eine Hand auf die Schulter und drückt sie kurz. Dann verschwindet er in den geschäftigen Gängen des JTK.
Seufzend setzt sich Ben auf die Couch und reißt mit zittrigen Fingern den Umschlag auf. Langsam faltet er das Papier auseinander und beginnt zu lesen.

'Liebste Leyla,
es tut mir leid. Ich hätte Dich niemals in so eine Situation bringen dürfen. Ich kann verstehen, dass Du mit mir nichts mehr zu tun haben möchtest und Dein Leben mit Deinen beiden Kindern und Deinem Ehemann verbringen willst. Aber ich kann Dir immer nur wieder sagen, wie sehr ich Dich liebe! Mein Herz schlägt nur für Dich liebste Leyla! Ich wünschte mir, dass Du dasselbe für mich empfinden würdest und erkennst, wie sehr wir beide zusammengehören. Bitte melde Dich bei mir!
Ich schenke Dir all meine Liebe,
Martin'

Ben dreht sich der Magen um. Er hat es einfach immer noch nicht begriffen und versucht es wirklich immer wieder. Er knüllt den Brief in seinen Händen zusammen, steckt beides in seinen Kittel und macht sich mit zu Fäusten geballten Händen wieder an die Arbeit. Er würde sich ihn vorknöpfen, das ist sicher!

In aller Freundschaft - die jungen Ärzte: LebensabschnitteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt