10. Cassy

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Ich hasse Warten. Vor allem, wenn es um meine Tochter geht. Nur langsam schlagen die Medikamente an und Matteo meint zu mir, dass es möglicherweise noch etwas dauert, bis alles überstanden ist. Zumindest hat er Ella angerufen, die anscheinend direkt ins JTK kommen will. Vivi hatte auch mich versucht anzurufen, doch mir fiel es erst knapp zwei Stunden später auf.

Charlotte würde die nächsten Stunde erst einmal über die Infusion ernährt werden, sodass ich von Rebecca eine Milchpumpe ersatzweise bekomme, um meine spannenden Brüste zu entlasten. Matteo sieht mich grinsend an, wie ich versuche mit dem Ding zu hantieren und ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch.

"Ich würde dir ja gerne zur Hand gehen, aber irgendwie finde ich den Anblick belustigend". Ich verdrehe die Augen, kann aber ein Grinsen nicht verbergen. Matteo sieht seufzend auf seine Tochter und schüttelt leicht den Kopf. "Du machst uns aber auch Sorgen mein Engel".

Als ob Charlotte ihn gehört hätte, quiekt sie leicht im Schlaf. "Es wird alles gut werden", flüstere ich und er nickt. "Natürlich. Sie ist in der besten Klinik der Welt". Es klopft leise an der Tür.

Ich verstaue wieder alles an seinen rechtmäßigen Platz, bevor Matteo 'Herein' ruft. Ella steckt den Kopf herein und grinst breit. "Na ihr Zwei", meint sie und kommt klackernd mit ihren Stilettos in das Zimmer.

"Hallo Ella". Matteo erhebt sich und nimmt seine Stiefmutter in die Arme, danach folge ich. Ihr unverwechselbarer Duft nach ihren Gewürzen, mit denen sie regelmäßig kocht und dem alten, schweren Parfüm umwabern mich.

"Und wie geht es meinem Enkelkind?", fragt sie leise und beugt sich über Charlotte, die seelenruhig weiterschläft. "Es wird. Die Medikamente schlagen an". Ella streicht Charlotte ebenfalls sanft über die Wange und lächelt. "Tapferes kleines Mädchen. Ganz wie die Eltern". Ich mache ihr Platz auf meinem Stuhl und nehme auf Matteos Schoß Platz.

"Wie war die Fahrt?", frage ich und Ella stöhnt leise auf. "Furchtbar. Die Deutsche Bahn hat einfach keinen Komfort, trotz des Reisens in der 1. Klasse". Da es im Raum etwas stickiger ist, fächelt sie sich theatralisch mit einer Zeitung Luft zu.

"Und der Service, alles nur Stümper". Ich muss über Ellas Ansichten grinsen. Ich höre deutlich die Ironie in ihrer Stimme, was nicht immer jedem vergönnt ist. Doch genau wegen dieser Ironie und ihrem Hang zu Scherzen mag ich sie sehr.

Matteo hinter mir brummt leise. "Ach Ella, hätte ich mir ja denken können", meint er und seine Stimme trieft ebenso vor Sarkasmus. Hier treffen zwei Urgewalten aufeinander, die sich in nichts unterscheiden. Faszinierend, wenn man bedenkt, dass sie nicht seine leibliche Mutter ist.

"Nicht in diesem Ton, junger Mann", meint sie und schmunzelt leicht. "Jung?", frage ich und bekomme sofort einen Knuff in den Oberarm. Ich quieke leise und kuschle mich nur noch enger an Matteo. Charlotte neben uns fängt an, sich mehr zu bewegen und blinzelnd öffnet sie die Augen. "Oh, darf ich?". Ella hat es natürlich auch bemerkt und ich nicke ihr ermutigend zu.

Vorsichtig, um kein Kabel von dem kleinen Körper zu entfernen, hebt sie Charlotte hoch und legt sich auf den Arm. "Hallo du hübsche Maus. Hast du gut geschlafen?". Charlotte schaut mit großen Augen zu ihrer Großmutter auf, ihr Mund leicht geöffnet. Oft hatte sie sie noch nicht gesehen, aber ich bin mir sicher, dass wenn sie größer ist Ella sie gerne bei sich zuhause hätte. So als Urlaub versteht sich.

Es klopft wieder an der Tür. Heute ist aber auch reger Betrieb. "Alles in Ordnung?", fragt Rebecca und Matteo hinter mir nickt. Natürlich überprüft er regelmäßig Charlottes Werte und dadurch kam auch selten jemand zum Kontrollieren herein. Soweit ich es verstanden habe, übernimmt Mikko Matteos Patienten bis zu seinem Schichtende. Genau dafür liebe ich das JTK und die Menschen, die hier arbeiten. Sie unterstützen und helfen sich gegenseitig.

"Sehr gut. Cassy, möchtest du heute Nacht hierbleiben?", fragt Rebecca und ich nicke sofort. Matteo hinter mir räuspert sich. "Ich bleibe dann auch hier. Soll ich gleich nach Hause und ein paar Sachen holen?", fragt er leise in mein Ohr und ich drücke dankend seine Hand.

"Ich weiß aber nicht, ob wir genug Betten haben", meint Rebecca und ich höre förmlich, wie Matteo die Augen verdreht, auch wenn ich ihn nicht sehe. "Dann bringe ich mir eben das Klappbett von zuhause mit".

Rebecca presst die Lippen aufeinander und ich forme ein stummes 'Entschuldigung'. Grinsend schließt sie wieder die Tür hinter sich. Durch das Fenster kann ich beobachten, wie sie beinahe in Mikko rein rennt.

In aller Freundschaft - die jungen Ärzte: LebensabschnitteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt