Kapitel 60 / Kerim

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,,Du wolltest mich sprechen?", fragte ich meinen ehemaligen besten Freund Sebastian Bergmann, als ich mich langsam ihm gegenüber auf den Stuhl im Verhörraum nieder ließ.

,,Ja, Julia hat mir das Video gezeigt und mir von der bescheuerten Behauptung eurer Profilerin erzählt", Sebastian lachte kalt auf. ,,Ich hätte Julia vergewaltigt? Das ist wirklich das dümmste, was ich seit langem gehört habe und ich bin Lehrer und Vater."

,,Witze kannst du anscheinend noch reißen, was?", genervt kreuzte ich meine Arme vor der Brust.

Sebastian legte seinen Kopf schief und schüttelte ihn dann.

,,Du hättest mitbekommen, wenn ich sie angerührt hätte!"

,,Oh, du weißt gar nicht, wie viele Frauen in ihrem Abschlusskleid vergewaltigt werden und es aus Scham niemanden erzählen!"

Sebastian schloss kurz die Augen.

,,Ich bin aber keiner dieser Arschlöcher!", Sebastian beugte sich mit einem gefährlichen Blick über den Tisch. ,,Du warst Julias erstes Mal und du weißt, dass sie niemand vor dir angerührt hat. Wieso also lässt du diese Profilerin mit so einer banalen Unterstellung davon kommen?"

Ich biss mir auf die Zähne. Sebastian provozierte mich absichtlich. Er wollte mich aus der Reserve locken und mir war nicht klar zu welchem Zweck. Schließlich hatte man mir keine Handschellen angelegt.

,,Ich will, dass derjenige, der Kaja umgebracht hat, dafür bezahlt."

,,Nein, du bist es einfach nur satt in meiner und Julias Schuld zu stehen, weil wir damals die Polizei für dich angelogen haben, wegen dem Champagner, den du illegal auf die Party geschmuggelt hast und von dem Kaja eine Menge getrunken hatte, bevor sie starb. Du bist es einfach nur leid, zu glauben, dass sie stockbesoffen über die Reling gesprungen ist und dann ertrank!"

,,So war es aber nicht", knurrte ich und bemerkte wie ich langsam Kopfschmerzen bekam. ,,Jemand hat ihr den Schädel eingeschlagen und sie dann im Wald vergraben!"

,,Ja und das weißt du erst seit zwei Wochen, davor musstest du immer mit den Gewissensbissen leben, die dir sagten, dass du sie umgebracht hast!"

,,Was soll die Scheiße, Sebastian?", unterbrach ich ihn ungeduldig.

,,Ich will dir nur noch einmal vor Augen führen, dass du auch an Kajas Tod Schuld bist. Genauso wie ihre Eltern, der DJ, der die Musik so laut hatte, dass man nicht einmal hörte wie jemand über Bord fiel... und ich, Julia und der Rest des ganzen Schiffes, der ihr nicht helfen konnte."

,,Was soll das denn heißen?"

,,Ich mache dir ein Angebot. Komm um Mitternacht zum Steg am Stausee. Julia wird dir dort den Mörder hinbringen und er wird dir sein Geständnis ablegen", Sebastian machte eine kurze Pause. ,,Unter der Bedingung, dass du es keinem erzählst, alleine kommst und ohne Verkabelung. Es ist zu deinem besten."

Kajas Mörder? Was zur Hölle passiert hier?

,,Du... du willst mir gerade ernsthaft sagen, dass du und Julia mir Kajas Mörder auf einem Silbertablett servieren könnt?", ich stand abrupt auf. ,,Wusstest ihr das schon vor 21 Jahren?!"

Sebastian antwortete nicht.

Das war ein Ja! Diese verdammten-

,,Freu dich nicht zu früh, Kerim und halt dich an die Bedingungen", meinte Sebastian nur, dann stürmte ich aus dem Raum.

Und ich hielt mich an die Bedingungen. Jedenfalls teilweise. In meiner Jackentasche befand sich ein bereits aufnehmendes Diktiergerät, als ich kurz vor Mitternacht, mindestens genauso hibbelig wie meine kleine Tochter, wenn sie zu viele Süßigkeiten gegessen hatte, zum See fuhr.

Man servierte mir Kajas Mörder und wenn ich diesen Psychopathen, der meine Freundin umgebracht hatte, in die Finger bekam, würde mich wenig davon abhalten ihn am Kragen zu packen und ihn durchzuschütteln. Ihn zu fragen, wieso er das unschuldigste Mädchen auf Erden hat umbringen müssen!

Wieso hat es Kaja Preissner sein müssen?

Ich fuhr auf den Parkplatz, der sich genau vor dem Steg befand und ich konnte im Dunkeln bereits eine Silhouette erkennen.

Endlich war der Moment der Wahrheiten gekommen. Endlich konnte ich Kajas Mörder in die Augen sehen und ihm meinen Hass und Abschaum ins Gesicht spucken.

Meine Autoscheinwerfer beleuchteten die Gestalt von hinten. Völlig überrascht stieg ich aus, als sich die Person umdrehte.

,,Ich war's", sagte Julia, die alleine vor dem Steg stand und deren Augen rot von den vielen Tränen waren, die sie bereits vergossen hatte und es immer noch tat. ,,Ich habe Kaja umgebracht."

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