Kapitel 17 / Ella

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,,Alter, ist die hobbylos!", beschwerte sich Dana am Dienstag am Ende der Mathestunde.

Die Mathelehrerin hatte die Ex vom Montag bereits korrigiert und schrieb den Klassenspiegel an die Tafel.

,,Die Ex ist sehr durchwachsen ausgefallen, aber immerhin gab es keine 6."

,,Wow", zischte Dana, die in unserer Vierer-Reihe zwischen Lara-Sophie und Veronika saß. ,,Aber dafür gab es fünf Fünfer."

,,Ich teile es so aus, wie ich es bekommen habe", informierte Frau Kießling uns, ehe sie in der ersten Reihe anfing zu verteilen.

Sie würde eine Weile brauchen, da wir in der vierten und vorletzten Reihe am Fenster saßen. Hinter uns, wie so oft dumm, dümmer, am dümmsten und Mr Oberschlau.

Auch bekannt als: Linus, Jacob, Mathias und Roman.

,,Hey, psst, Ella!", zischte Linus, der direkt hinter mir saß. ,,Bist du Schnitte schon belegt?"

Ich verdrehte nur genervt meine Augen.

,,Lass die Finger besser von ihr", meinte Lara, die neben mir saß und drehte sich um. ,,Sie kann dich in fünf verschiedenen Sprachen beleidigen."

Eigentlich konnte ich nur drei Sprachen fließend. Mein Arabisch war grauenhaft und ich will gar nicht erst über mein Swahili reden. Oh und da wäre dann auch noch mein Miniwortschatz in Norwegisch, den mir meine Mutter nur beigebracht hatte, weil ich sie darum gebeten habe.

,,Das glaub ich dir nicht! Beweis es!", forderte Linus.

,,Du er en vaskeklut!", fauchte ich ihn an und Linus blieb der Mund offen stehen.

Waschlappen war jetzt wirklich kein großartiges Schimpfwort, aber meine Mutter wollte mir keine schlimmeren beibringen, was ich äußerst schade fand. Wahrscheinlich war sie zu sehr damit beschäftigt die Nationalität ihrer Eltern zu verdrängen, ähnlich wie ihre Vergangenheit mit meinem verdammten Physiklehrer!

Ich war immer noch sauer auf sie. Mum ist fast ausgeflippt, als ich sie gestern Abend so lange mit Fragen gelöchert habe, bis sie mir erzählte, dass sie und Herr Bergmann befreundet gewesen waren und in einem heftigen Streit auseinander gegangen sind.

,,Gut gemacht, Ella!", meine lächelnde Mathelehrerin legte mir eine Ex mit der Note 2 auf den Tisch.

,,Ach du- ", begann ich.

Heilige Scheiße!

,,Glückwunsch, Ella!", Lara-Sophie, die ebenfalls eine 2 hatte, fiel mit glücklich um den Hals.

Ich war in einer Schockstarre. Ich hatte eine zwei in Mathe! In M-A-T-H-E!

Mit zitternden Händen griff ich danach. Da stand es rot auf weiß! Mein Herz pochte in meiner Brust.

,,Hey, alles klar bei dir?", vorsichtig löste sich Lara von mir und betrachtete mich beunruhigt.

,,Ja, ja, ich denke schon."

Der erlösende Pausengong ertönte und ich beeilte mich meine Sachen in meinen Rucksack zu stopfen.

,,Ich muss schnell wohin!", rief ich Veronika, Dana und Lara zu, bevor ich mich durch den Rest meiner Klassenkameraden nach draußen quetschte.

Die Flure des Schulhauses wurden mit Schülern überfüllt und ich hatte Mühe bei der Haupttreppe nicht hinunterzufallen.

Ein Braunschopf erregte meine Aufmerksamkeit. Jonas stand mit einem Freund mitten im Gedränge. Ich beschleunigte meine Schritte und packte Jonas an seinem blauen Hoodie, nachdem er mich nach meinen Rufen nicht gehört hatte.

,,Wa-", er drehte sich zu mir gernevt um, aber als er mich bemerkte wurde seine Miene fröhlicher. ,,Oh hey, Ella."

,,Ich hab ne 2 in Mathe!", gab ich euphorisch von mir.

,,Ne 2? Herzlichen Glückwunsch. Deinen Tutor hätte ich auch gerne", grinste Jonas.

,,Mooooment mal!", unterbrach uns sein Freund. ,,Woher kennt ihr euch?"

,,Ich hab dir doch erzählt, dass Hopf wollte, dass ich eine Neuntklässlerin unterrichte. Das ist sie. Ella, Leon", er deutete er auf mich dann auf seinen Freund. ,,Leon, Ella."

,,Hi", begrüßte ich Leon.

,,Hi, du bist hergezogen richtig?"

,,Ja."

,,Ella!"

Ich drehte mich um. Lara-Sophie, Dana und Veronika kamen auf uns zu und mein Lächeln entgleiste mir, als ich den entsetzten Gesichtsausdruck der letzten beiden bemerkte. Laras dagegen war... entschlossen.

,,Hallo, Leon", sprach Lara den Zehntklässler mit so viel Kälte in der Stimme an, dass ich beinahe fröstelte.

,,Hallo, Lara", entgegnete Angesprochener trocken.

,,Willst du dir jetzt auch noch meine andere Freundin schnappen?!", fauchte sie ihn an.

Andere Freundin? Waren die drei deswegen so sehr mit dieser Felicitas Braunstein zerstritten? Die ignorierten sie ja schon seit dem ich hier war.

,,Halt mal die Luft an, Lara. Sie ist nicht wegen mir hier."

Ich sollte jetzt mal etwas sagen, um dieses Missverständnis zu klären: ,,Ich ähm... Jonas gibt mir Nachhilfe und ich wollte ihm von meiner 2 erzählen."

,,Ja, genau", sprang Jonas ein. ,,Kann ich mit dir übrigens noch wegen etwas reden, Ella?"

,,Ähm... Ja, klar."

Jonas packte mich am Ärmel meines Pullovers und zog mich in den nächsten leeren Gang.

,,Hast du deine Mutter gefragt, ob sie Kaja Preissner kannte?"

,,Nein", gab ich zerknirscht zu. ,,Sie ist schon ausgerastet, als ich nach deinem Vater gefragt habe. Da wollte ich sie nicht noch mehr bedrängen."

Jonas nickte verständnisvoll: ,,Mein Vater sagte mir, dass deine Mutter und er beste Freunde waren in der Schulzeit und sie dann einen heftigen Streit hatten und den Kontakt verloren haben."

,,Ja, das hat meine Mum auch erzählt."

,,Jetzt kommt das beste", Jonas senkte seine Stimme. ,,Mein Vater war der feste Freund von Kaja Preissner, als sie sich umgebracht hat."

Wie ein Echo wiederholten sich die Worte des alten Mannes von Montag Nachmittag in meinem Kopf: Kaja war mit ihrem festen Freund und ihrer besten Freundin da. Die Feier neigte sich dem Ende zu. Jeder schien einen heiden Spaß zu haben, also beschloss Kaja noch ein Stück Kuchen zu holen, aber sie kam nie zu ihren Freunden ans oberste Deck zurück.

,,Glaubst du, dass sie nie zu unseren Eltern zurückkam?", stellte ich die unausgesprochene Frage.

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