Vergissmeinnicht

Kapitel 61 / Julia

14. Juli 2000:

,,Ich hol mir Nachschub", flötete Kaja und drehte sich in ihrem dunkelgrünen Abschlusskleid mit ihrem leeren Champagnerglas um.

,,Nicht schon wieder!", beschwerte sich Sebastian, der in seinem dunkelblauen Anzug unglaublich gut aussah. ,,Du verträgst das nicht. Außerdem wird noch irgendein Lehrer merken, dass statt Cola Champagner drin ist!"

,,Du hast mir gar nichts zu sagen", damit drehte sich Kaja um und schritt elegant ins Schiffsinnere.

,,Sie übertreibt es heute", meinte Sebastian und lehnte sich seufzend über die Reling.

,,Naja", ich sah meiner besten Freundin traurig nach und kippte mir ebenfalls den Rest meines Champagners in den Rachen. ,,Würde ich auch machen, wenn meine Eltern sich scheiden lassen würden."

,,Die Scheidung ist doch auch jetzt schon seit einer Woche vom Tisch", murrte Sebastian. ,,Und wer auch immer DJ ist, kann der nicht ein wenig zurück drehen?"

Tatsächlich hörte man die Band NSYNC mit ihrem Megahit ,,Bye Bye Bye" bis ans oberste Sonnendeck.

,,Nimm es ihr nicht so übel", verteidigte ich sie und starrte den Halbmond, der über dem Stausee stand, an. ,,Es ist unsere Abschlussfeier wir sollten uns darüber freuen!"

Sebastian drehte seinen Kopf zu mir: ,,Tja, funktioniert nicht richtig."

,,Sebastian", ich zog meine Unterlippe hervor und strich meinem Kindergartenfreund über den Ärmel seines Jacketts. ,,Mach nicht so ein Gesicht. Die Falten ruinieren noch dein hübsches Gesicht."

Kichernd tätschelte ich seine Wange.

Oh Mann, ich hatte tatsächlich schon zu viel Alkohol intus. Mein Verstand war irgendwie nicht mehr erreichbar. Das Vorglühen mit Kerim war keine so gute Idee gewesen.

,,Du bist wunderschön in dem Kleid."

,,Findest du?", ich zog meinen dunkelblauen Tüllrockt etwas hoch. ,,Meine Oma hat ihn mir gemacht, bevor sie gestorben ist."

,,Sie war wirklich sehr talentiert."

Mein Blick verlor sich träumerisch in Sebastians blauen Augen und ich legte meine Arme um seinen Hals.

Mein Bauch fing an komisch zu knistern und meine Hände strichen wie von allein durch sein dunkelbraunes Haar. Und plötzlich sah ich nicht mehr meinen besten Freund vor mir, sondern einen Menschen, den ich unbedingt küssen wollte.

Blöder Alkohol!

Ehe ich mich versah, küsste mich Sebastian. Mein Gehirn war ganz vernebelt und seine Lippen auf meinen fühlte sich an wie das beste Gefühl auf Erden.

,,Hey, Leute! Ich-"

Wir zuckten auseinander.

Scheiße!

Kaja stand mit einem vollen Champagnerglas in der Hand wie angewurzelt vor uns und starrte uns entsetzt an.

Erst jetzt realisierte ich, was ich gerade getan hatte. Ich hatte den festen Freund meiner besten Freundin geküsst!

,,Oh Gott! Kaja ich- ich", japste ich hilflos.

Scham und Entsetzen packten mich.

Was hatte ich nur getan?!

,,Du verdammtes ARSCHLOCH!", schrie sie Sebastian an und sah ihn mit einem so wütenden Blick an, dass ich Angst bekam.