Inzwischen war Weihnachten und wie ich erfuhr hatten meine Eltern die Sangster's zu einem Weihnachtsessen eingeladen. Jetzt konnte ich nicht mal mehr diesen Tag ohne ihn verbringen. Anscheinend kannten sie sich schon, seit sie in London waren. Das Mom mir das nicht gesagt hatte nervte mich schon wieder. Ich zog ein rotes Ballkleid an, trug mir Lippenstift auf und schminkte mich ein bisschen. Dann ging ich nach unten. Wir begrüßten einander und setzten uns dann ins Esszimmer. Thomas und sein Vater trugen Anzüge und seine Mutter und seine Schwester jede ein Kleid. "Ich habe gehört du kannst sehr gut zeichnen, Isabella.", sagte Thomas' Mutter und ich zuckte mit den Schultern. "Sei doch nicht so bescheiden.", lachte sie und ich zog eine Augenbraue nach oben. "Thomas hat mir in seinen E-Mails eins deiner Bilder geschickt.", erzählte sie und ich sah zu ihm. Er war knallrot geworden und starrte auf seinen Teller. "Ach hat er das?!", fragte ich etwas hitzig und er sah auf. "Ja habe ich.", erwiderte er und sah mir in die Augen. Wir starrten uns eine Weile lang böse an, bis meine Mom etwas angespannt meinte:"Packen wir die Geschenke aus."
Unter unserem Tannenbaum, im Wohnzimmer lag ein Haufen Geschenke und meine Mutter verteilte alle. Sie hatte an dem Abend, an dem wir uns so nahe waren die Zeichnungen mitgenommen und ich war echt froh sie nicht mehr sehen zu müssen. "Bella, hier ist noch ein Geschenk für dich.", sagte mein Vater und reichte mir ein kleines Päckchen. Es war mit einer silberblauen Schleife verziert und ich machte sie vorsichtig auf. In dem Päckchen lag eine kleine silberne Kette, mit einem Infinity-Zeichen. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und ich gab Dad einen Kuss auf die Wange. "Danke, Dad.", sagte ich fröhlich und er sah mich verwirrt an. "Das ist nicht von mir.", gab er zu und zuckte mit den Schultern. "Komm. Ich mach sie dir rum.", sagte meine Mutter eilig und zog mich auf die Beine. Das kalte Silber berührte meinen Hals und mich überlief ein kurzer Schauer. "Was hast du gekriegt, Tommy?", wollte seine Schwester wissen und aß ein Plätzchen. Er zuckte kurz zusammen und runzelte die Stirn. "Nichts.", sagte er und stopfte sein Geschenk weg. Neugierig reckte ich den Hals ein bisschen, doch ich konnte nichts erkennen.
Ich stand in der Küche und holte Wein für meine Eltern und unsere Gäste. Hinter mir ging die Tür zu und ich flötete:"Ich kann das schon tragen, Mom." Meine Laune hatte sich gebessert, denn ich musste noch kein Wort mit Thomas wechseln. "Das bezweifle ich nicht.", sagte er und ich fuhr herum. Zum Glück hatte ich das Tablett noch stehen gelassen, denn sonst hätte ich es womöglich noch verschüttet. Er nahm sich eines der Gläser und trank einen Schluck. "Steht dir.", meinte er und deutete mit dem Glas auf meine neue Halskette. "D-danke.", stotterte ich und fasste mir an den Hals. Thomas grinste mich an und stellte den Wein zurück. Es schien so, als wolle er mich etwas fragen, doch ich rief mir schnell wieder in Erinnerung, dass ich wütend auf ihn war. "Was willst du jetzt?", zickte ich und warf ihm einen filmreifen Zickenblick zu. Ich würde mich nicht wieder um den Finger wickeln lassen. Nie wieder! "Ich wollte eigentlich mit dir reden.", sagte er und nippte wieder an seinem Glas. Wieso musste er dabei so gut aussehen? Diese Gedanken, verdammt. Ich musste sie abschalten! "Dann rede.", riet ich ihm und stolzierte, das Tablett auf einer Hand balancierend aus der Küche hinaus. Wenn er reden wollte, dann musste er mir wohl oder übel folgen. Seit wann war ich so Ideenreich? Elegant servierte ich den Wein und lächelte seine Eltern charmant an. Ich musste mir einen Vorteil schaffen, wenn sie schon hier waren. "Isabella, wie gefällt es dir in England?", fragte sein Vater und ich überlegte kurz. Sollte ich ihm die Wahrheit sagen oder charmant, bis zum geht nicht mehr sein. Zweiteres wäre wahrscheinlich besser. "Ich bin es zwar noch nicht gewohnt aber bis jetzt ziemlich gut. In Amerika war alles so stressig und hier kommt mir alles viel ruhiger vor.", sagte ich und lachte dann, sofort stimmten alle in mein Lachen ein. Alle bis auf Thomas. Der starrte mich ungläubig an und stellte sein Glas ab. "Thomas?!", rief seine Mutter empört und starrte das Glas an. Jetzt kam ihm wohl, dass er gerade vor seinen Eltern Alkohol trank. "Entschuldige, Mom...", sagte er etwas zerstreut und räumte das Glas in die Küche. Zum ersten mal hörte ich den Namen seiner Schwester und ich setzte mich neben sie. Wir unterhielten uns über typisches Mädchenzeug. Klamotten, Jungs, Schmuck und so. "Ava Schatz? Kommst du?", rief ihre Mutter und wir tauschten noch schnell unsere Nummern. Ich fand sie cool und sie war gar nicht wie ihr Bruder. Sie war lockerer und hoffentlich nicht so falsch wie ihr Bruder. "Bis dann!", lachte Thomas' Mum und umarmte uns alle. "Tschau Tasha. Nacht Mark!", riefen meine Eltern ihnen nach und ich winkte. Tasha und Mark. Sie hatten sich mir ganz bestimmt schon mal vorgestellt, wahrscheinlich hatte ich nur ihre Namen vergessen. War ja ein guter Eindruck.
"Bella!", weckte mich die Stimme meiner Mutter und ich verkroch mich unter meiner Decke. Wenn ich mich nicht rührte dachte sie vielleicht ich wär tot. Mein Plan ging nicht wirklich auf, denn sie kam in mein Zimmer. Riss mir die Decke weg und machte die Fenster auf. Die ganze kalte Winterluft kam in mein Zimmer und ließ mich zittern. Manchmal hasste ich diese Frau. "Moooom!", stöhnte ich genervt und stand auf. Das alles war reine Energieverschwendung! Ich machte das Fenster zu, holte mir Klamotten aus meinem Schrank und ging dann ins Bad. Das Duschen ließ ich weg, denn sie sollten mich heute mit meiner ganzen schlechten Laune ertragen und meine Haare waren noch nicht fettig. Aus dem Spiegel starrte mich ein Mädchen mit Augenringen und einem blassen Gesicht an. Wow, ich sah echt kacke aus. Irgendwie brachte es mich zum lächeln und ich fing an mich abzuwaschen. Zähne geputzt und gemake-upt. Ja, dieses Wort gab es. Meine neue Kette lag auf dem Rand meines Waschbeckens und ich legte sie mir um.
Mit federnden Schritten sprang ich die Treppe nach unten und setzte mich an den Esstisch. Mom hatte mir Pancakes mit Ahornsirup gemacht. Daneben stand ein Glas mit Orangensaft und ich fragte mich, warum sie mir so ein tolles Frühstück gemacht hatte. Gierig stopfte ich alles in mich und versuchte es irgendwie mit meinem Getränk hinunter zu spülen. "Schön das es dir schmeckt.", lachte mein Dad und ich grinste ihn an. Er setzte sich zu mir und ich aß weiter. Es musste wohl witzig aussehen, wie ich da so mampfte, denn mein Vater hatte ein Lächeln im Gesicht und ich legte den Kopf schief. "Du siehst aus wie früher.", stellte er fest und machte ein Foto von mir, wo ich wieder ein Stück Pancake in mich reinstopfte. Wir alberten noch ein bisschen rum und ich genoss die Zeit mit meiner Familie. Vielleicht waren meine alten Freunde nicht so gut für mich, wie ich früher immer gedacht hatte.