Kapitel 6

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Ich hatte das Frühstück sausen lassen, nur um die Kippen schon anzünden zu können und irgendwie war ich ja stolz auf mich. Andere hätten vielleicht schon aufgegeben, doch nicht mit einem New York City Girl, wie mir! Ich klebte einen Kaugummi unter den Tisch unseres Lehrers und zerstörte seine schöne Ordnung. Kindisch, aber effektiv.

Die Reaktion war passend. Ich musste den Unterricht verlassen und konnte so Phase zwei meines Plans einleiten. Stefanie hatte ich schon zur Weißglut getrieben, aber ich musste noch viel weiter gehen. Leise und professionell verschaffte ich mir Zutritt zu ihrem Zimmer und platzierte dort ein paar Stinkbomben. Die Fenster klebte ich ab und verschwand dann wieder. Das Schlösser knacken hatte ich von einem meiner Exfreund gelernt und jetzt machte es sich endlich mal bezahlbar. In Kunst sahen wir uns in letzter Zeit Filme an und ich platzierte auf dem Stuhl unserer Lehrerin ein Furzkissen. Ja, ich fand das waren gute Ideen und sie würden sicherlich auch ihren Zweck erfüllen. Auch wenn es extrem kindische Streiche waren nervte es jeden an und im Unterricht würde ich auch unangenehm auffallen, dann hatte ich den Verweis hoffentlich in der Tasche.

Gerade ging ich zurück zum Klassenzimmer, als ich Jessi sah. "Was machst du denn hier?", fragte ich sie und sie sah mich aus roten, verweinten Augen an. Traurig guckte sie zu Boden und schluchzte. Völlig überfordert nahm ich sie in den Arm und fragte sanft, was denn los sei. Ihre Stimme war brüchig und sie flüsterte:"M-m-mein Vater..." Ich verstand, ohne das sie viel dazu sagen musste. "Soll ich dich zu Mrs West bringen?", fragte ich und sie nickte schwach. Wir kamen bei dem Büro an und ich klopfte für sie an. "Herein.", hörte ich die Stimme unserer Direktorin und trat mit Jessi ein. "Madam ich glaube sie sollte mit ihrer Mutter telefonieren. Es geht um ihren Vater.", erklärte ich schnell und sie nickte und führte sie zu einem Stuhl, drückte ihr ein Telefon in die Hand und ich verließ den Raum wieder. Hinter mir hörte ich die Tür nochmal aufgehen. "Das war sehr vorbildlich von dir Isabella.", sagte Mrs West und fragte mich dann:"Wieso bist du sonst nicht so?" Ich zuckte mit den Schultern. Es lag mir wahrscheinlich einfach nicht im Unterricht nett zu sein. Schweigend ging ich in den Kunstunterricht und erklärte dort meine Verspätung.

Es war kurz nach der letzten Stunde, als Jessica von ihrer Mutter abgeholt wurde. Ihr Vater hatte einen Unfall und lag im Krankenhaus. "Tschüss Jessi!", sagten wir drei im Chor und umarmten sie nochmal herzlich. "Sag deinem Dad schöne Grüße!", rief Linda noch und sie nickte, mit einem kleinen Lächeln auf dem Gesicht. "Wie lange kennt ihr euch schon?", fragte ich neugierig und Linda lachte. "Seit wir hierher gehen.", antwortete sie und hakte sich bei uns ein. Ich holte eine Zigarette raus und zündete sie an. Der Rauch stieg in die Luft und ich stumpte ab. Zu meinem "Pech" sah mich unsere Direktorin, doch sie schüttelte nur mahnend den Kopf und winkte mich zu sich. Genervt schlurfte ich zu ihr herüber und ließ eine Kaugummiblase aus meinem Mund. "Hm?", machte ich und sah sie gelangweilt an. "Komm mal bitte mit.", bat sie mich und ging mit mir etwas abseits.

Sie hielt mir eine Standpauke und ich hatte nur genickt, wirklich die ganze Zeit. Meine Freundinnen verstanden es nicht, warum ich unbedingt von der Schule fliegen wollte. Wir machten unsere Hausaufgaben, beziehungsweise sie erledigten ihre Hausaufgaben und ich chillte auf meinem Bett und las ein Buch. "Was liest du da?", fragte Kelly und sprang zu mir. Leise las sie den Titel und sagte:"Hab mit Linda und Jessi nur den Film gesehen. Irgendwie traurig..." Ich sah sie empört an und fauchte:"Ihr habt keinen Geschmack!" Sie lachten, doch ich stieß sie einfach um. "Klappe!", kreischte ich und schlug mit einem Kissen auf sie ein.

"Moment!", schrie Kelly und wir hielten inne. "Was ist eigentlich mit Thomas? Ihr scheint euch ja prächtig zu verstehen.", sie wackelte anzüglich mit ihren Augenbrauen und ich prustete los. Verwirrt sahen sie mich an und ich erklärte:"Ich könnte mich nie in einen verspießten Engländer verlieben." Sie nickten vielsagend und kindisch wie sie waren machten sie Knutschgeräusche. Mit viel Schwung warf ich ein Kissen nach ihnen und traf eines unserer Regale. Alle Bücher und das ganze andere fiel krachend heraus. Hurtig räumte ich wieder alles ein und warf das Kissen zurück auf mein Bett.

Nachdem Abendessen, wo ich Thomas übrigens wiedergesehen hatte, lagen wir im Bett und redeten noch miteinander. "Vielleicht fragt er sie ja.", hörte ich eine meiner Freundinnen und ich fragte leise:"Wer wen?" Sofort hielten sie die Klappe und ich konnte vermuten, wen sie meinten. "Nein.", sagte ich kalt und schmiss mich in meine Kissen. Es nervte mich, dass sie vermuteten, das ich auf ihn stehen könnte. Nur, weil er hübsch war, hieß das lange noch nicht, dass ich auf ihn stehen musste. "Man Isabella!", stöhnte Linda und kletterte zu ihr unter die Bettdecke, auf der anderen Seite kam Kelly herein und ich musste schmunzeln. Solche Freundinnen hatte ich noch nie gehabt. "Ich mag ihn. Und ja.... er ist hübsch.", lachte ich leise und vergrub dann mein Gesicht an einer Schulter. "Sie hat es zugegeben!", kreischte die eine und die andere kicherte. "Was sollte er mich eigentlich fragen?" Beide grinsten von einem Ohr zum anderen und erklärten dann:"Ein Weihnachtsball. In weniger, als zwei Monaten." Ich sah sie verdattert an und beide lachten wieder los.

Irgendwann schliefen wir alle drei in meinem Bett ein und ich wachte erst durch Heulen auf. Wir drei sahen und panisch an und rannten dann raus. Kelly und Linda packten sich ihre Mäntel, denn anscheinend wussten sie das es nur eine Übung war. Ich stand in meinem kurzen Pyjama, bestehend aus Top und kurzer Hose, da. Alle hatten entweder etwas langes an oder trugen noch einen Mantel oder etwas ähnliches darüber. Bibbernd stand ich da und wartete, dass mein Name aufgerufen wurde. Mein Name war ja ziemlich am Ende und so stand ich bibbernd in der Kälte. Thomas kam auf mich zu und fragte frech:"Kalt?" Ich sah ihn bitterböse an und rubbelte mir über die Arme. "Nee.", sagte ich sarkastisch und er reichte mir seine Collegejacke. "Komm zieh an.", forderte er mich auf und ich schlüpfte hinein. Da ich mindestens einen Kopf kleiner, als er war ging mir die Jacke bis zu den Knien und ich sagte fröhlich:"Danke Tommy!" Er verdrehte genervt die Augen und stand noch bis mein Name kam neben mir, dann ging ich hinein und legte die Jacke auf meinen Stuhl mit den Klamotten.

Das Internat (Thomas Sangster FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt