Kapitel 17

36 0 0
                                    

Wir haben uns um 18 Uhr vor ihrem Hotel verabredet, da es aber relativ schönes Wetter ist beschließe ich den halbstündigen Weg zu Fuß zurückzulegen und bringe mein Motorrad noch schnell Heim. Danach mache ich mir eine random Playlist an und gehe in gleichmäßigem Tempo in Richtung Stadt. Links und rechts spenden mir die hohen, dichten Bäume etwas Schatten und die Sonnenstrahlen scheinen mir warm in mein Gesicht. Leise summe ich zu der Musik und atme tief die nach Wald riechende Luft ein. Ich bin so in die Musik vertieft, dass ich erst nach einer Weile die Schritte hinter mir wahrnehme und sofort durchfährt mich Angst, was wahrscheinlich auf meinen Vater zurückzuführen ist, jedenfalls beschleunige ich meine Schritte automatisch in der Hoffnung mir das nur einzubilden. Unauffällig stoppe ich meine Musik und lausche hinter mich, nur um festzustellen das die Geräusche hinter mir näher als erwartet sind. Kurz atme ich durch, dann drehe ich mich um um denjenigen zur Rede zustellen.
Überrascht schaue ich in die großen Augen eines kleinen Jungen, welche mich trüb mustern. Die Angst hat sich sofort in Luft aufgelöst und ich spreche den etwas verloren wirkenden Jungen an: „Hey, kann ich dir helfen ?" Doch er fängt nur an unzusammenhängendes Zeugs zu reden und schaut abwesend durch die Gegend. Ich bin völlig verwirrt und mustere ihn etwas. Irgendetwas an seinem Verhalten erinnert mich sehr an meine verstorbene Tante Susan, sie hat sich auch oft so merkwürdig Verhalten bevor sie einen ihrer epileptischen Anfälle hatte. Besorgt suche ich in den Jungen nach den Vorzeichen ab und werde mir immer sicherer, also frage ich ihn leise: „Setz dich doch mal zu mir." Dieser brabbelt einfach weiter, momentan über Schuhe, aber setzt sich wirklich neben mich auf den halbwegs sicheren Waldboden. Zum Glück denn gleich darauf fängt er an heftig zu zittern und ich versuche mir meine Angst nicht anmerken zulassen. Beruhigende Worte murmelnd sitze ich neben ihm während er abwesend in eine Richtung starrt, als er sich plötzlich versteift und bewusstlos in eine liegende Position gleitet. Total überfordert sitze ich neben ihm, da erinnere ich mich an das was April mir beigebracht hat.

-Zeitsprung-
„Sweetheart", schallt die laute Stimme von April durch die Wohnung, ich lege schnell meine Buntstifte zur Seite und nehme das für sie gemalte Bild mit um es ihr gleich strahlend zu zeigen. Immer wenn ich lächel sieht man die frische Zahnlücke, auf die ich so stolz bin, deswegen laufe ich momentan auch nur strahlend umher, damit sie auch ja niemand übersieht. In der Küche wedel ich wild mit meinem Bild umher und rufe: „Schau mal...schau mal, ich hab was für euch." Als ich meine Tanten aber ernst am Tisch sitzen sehe laufe ich sofort zu ihnen und frage was denn los sei. Susan zieht mich auf ihren Schoß und küsst mich kurz leicht auf den Kopf, was mich zum kichern bringt. „Wir wollen mit dir reden", fängt April an, sie schaut für meinen Geschmack viel zu ernst also schaue ich sie mit großen Augen an. „Wie du weißt ist Tante Susan oft mal krank, du brauchst davor gar keine Angst haben. Ich sehe da vielleicht etwas angsteinflößend aus aber du brauchst echt keine Angst haben", erklärt mir Susan ruhig.
Ich weiß sofort was sie meint, schließlich werde ich das Foto von dem ersten ihrer Anfälle den ich mitbekommen habe niemals mehr vergessen können, so nicke ich ernst und frage leise: „Kann ich da helfen?" Meine Tanten wechseln erst einen kurzen Blick, dann nicken sie und erklären mir wie ich mich am besten verhalten sollte. Als erstes die Zeit stoppen und gefährliche Objekte in der Umgebung so gut wie es geht entfernen, danach während der ganze Zeit da bleiben und vielleicht auch beruhigende Worte sagen, aber ich soll sie nicht anfassen oder sonst so etwas. Wenn der Anfall länger als 5 min geht soll ich den Notruf rufen, die Nummer musste ich mir schon vor Jahren genau einprägen, wenn aber nicht soll ich sie in die erste Hilfe Position legen und sie schlafen lassen. Dabei soll ich dann das was passiert ist am besten genau aufschreiben.
Nach diesem Gespräch habe ich höllische Kopfschmerzen, das ist alles so kompliziert aber ich will Tante Susan helfen können.
-Zeitsprung Ende-

Und weil ich eben helfen wollte, habe ich mich nach diesem Gespräch so gut es eben ging über Epilepsie informiert. Also stoppe ich die Zeit und versuche mich möglichst an alles von früher zu erinnern. Der kleine Junge bekommt ein paar leichte Krampfanfälle und schläft dann ein. Ich ziehe ihn näher zu mir und lege seinen Kopf auf meine Beine, um danach seinen restlichen Körper in die richtige Lage zu bringen, sodass er leichter atmen kann. Er ist so klein, wie er so schlafend da liegt. Immer noch habe ich keine Ahnung wer er überhaupt ist und ich hoffe er schläft nicht allzu lange, weil der Boden nicht gerade warm ist. Er könnte sich noch erkälten und das kann er nicht noch zusätzlich gebrauchen. Neugierig schaue ich auf seine Sachen, in der Hoffnung das ich was hilfreiches finden könnte fange ich vorsichtig an sie durchzusehen. Als ich ein Handy in meiner Hand spüre ziehe ich es triumphierend heraus, es geht auch an aber leider brauche ich einen Code, den ich natürlich klarer weise nicht habe. Enttäuscht lege ich das Handy wieder weg, da fällt mir etwas auf und ich nehme es wieder in meine Hand. Der Hintergrundbildschirm, er zeigt den Kleinen in den Armen von einem älteren Jungen, wahrscheinlich sein Bruder. Verwundert muss ich feststellen das ich den anderen Jungen kenne, leider. Und bei meinem Glück dürft ihr mal raten wer das ist, na klar Nathan-.-
Plötzlich fängt das Handy in meiner Hand an zu klingeln und ich gehe automatisch ran.
N ist Nathan und G Grace.

N: Hallo ?! Malachai, wo zur Hölle bist du ?!

Ich verdrehe die Augen, der hat mal wieder eine Laune. Aber ok der Junge heißt Malachai.

G: Hey, hast du einen kleinen Bruder ?
N: Wer ist da und warum hast du dieses Handy? Moment hast du Malachai gesehen ?!!

Bilde ich mir das gerade ein oder klingt er besorgt ?

G: Wenn das der Junge ist dem das Handy gehört, dann ja. Er liegt gerade schlafend in meinem Schoß, hatte einen Anfall.
N: Wo ist er ?
G: Im Wald kurz vor der Stadt
N: Bin gleich da
//Hat der gerade ernsthaft aufgelegt? Ja, scheint so. Pfff, unhöflich. Er macht sich vllt Sorgen um seinen Bruder ? Also verständlich. Pfff//

Eine ganze Zeit hört man nichts außer den Wind, der durch die Bäume raschelt und das sanfte atmen des Jungen. Der Arme, er ist noch so jung und hat es so schwer. Erfreut stelle ich fest das er versucht die Augen zu öffnen, ich warte ab und wirklich seine dunkelbraunen Augen treffen auf meine, es ist unfassbar wie ähnlich sie Nathans sehen und auch unfassbar ist das mir das vorhin nicht aufgefallen ist. Langsam versucht er sich aufzusetzen und ich helfe ihm dabei, als er dann schließlich sitzt schaut er sich verwirrt um bis sein Blick ängstlich an mir hängen bleibt. „Hallo, ich bin Grace. Wie gehts dir ?", frage ich mit der Hoffnung ihn nicht zu sehr zu verschrecken.
Malachai öffnet seinen Mund doch kein Wort verlässt seine Lippen, schnell suche ich in meiner Tasche nach meiner Wasserflasche und reiche sie ihm. Zögerlich nimmt er sie und trinkt ein paar Schlucke dann sagt er leise: „Hi, mir gehts gut. Ich heiße Malachai, weißt du was passiert ist ? Oder wo ich bin ? Oder wo mein Bruder ist ?" Er wird immer röter und ich lächel ihn an und beantworte seine Fragen. „Dein Bruder ist auch bald da", ende ich und er erwidert mein Grinsen schüchtern. In meiner Tasche habe ich noch eine Tafel Schokolade gefunden, welche ich ihm jetzt rüberreiche: „Willst du ?"
Kurz mustert er mich misstrauisch dann nickt er strahlend und bricht sich ein kleines Stück ab und nuschelt ein: „Danke" „Hier behalte sie", reiche ich ihm die ganze Tafel und seine Augen werden riesig. „Die ganze?", fragt er, so knuffig dass ich lachen muss und nicke. Er strahlt noch mehr und umarmt mich kurz stürmisch, überrascht zucke ich leicht zurück aber dann ziehe ich ihn näher zu mir. Knallrot löst er sich von mir und fängt an an seiner Schokolade zu mümmeln. Dabei beobachte ich ihn und ich muss echt sagen er ist wahnsinnig süß. Er gähnt kurz und ich biete ihm an sich wieder hinzulegen, dabei muss ich ihm versprechen ihn mit nach Hause zu begleiten, was ich mache und so kuschelt er sich wieder auf meinen Schoß und ich decke ihn leicht mit meiner Jacke zu.

Als ich Autogeräusche hinter mir höre drehe ich mich vorsichtig um, um ihn nicht zu wecken.  Ich kenne Nathans Wagen und bin froh das er es auch wirklich ist.
//Wow, hätte nie gedacht, dass das mal passiert. Was ? Na das wir froh sind den zusehen. Achso, ja//
Malachai gibt ein leises Geräusch von sich und ich streiche ihm leicht über den Kopf und gleich wird er ruhiger und schläft weiter. Ihn scheint nichtmal zu stören das er halb auf dem Boden liegt. Ich höre wie eine Autotür geschlossen wird und schnelle Schritte auf uns zu kommen. Nathan hockt sich sofort neben uns und mustert den schlafenden Jungen besorgt, mich ignoriert er dabei völlig. Erst als er sicher gegangen ist, dass es Malachai gut geht schaut er auf und seine Augen weiten sich überrascht. „Grace?!" „Nein, Nemo ", erwidere ich etwas zynisch auf diese dumme Frage. Er schaut mich böse an aber sagt nicht, will wohl Malachai  nicht wecken. Dieser klammert sich im Schlaf so an mich, dass ich nicht denke das er mich bald loslassen wird.
Nathan mustert uns beide kurz und gibt ein genervtes Geräusch von sich. Ich beschließe dazu mal lieber nichts zu sagen, stattdessen nehme ich Malachai in den Arm und stehe vorsichtig auf. Nathan will ihn mir sofort abnehmen aber der kleine Junge hat sich so in mein Shirt gekrallt das es nicht funktioniert.
Frustriert fährt sich Nathan durch die Haare, sodass sie nur noch verstrubbelter aussehen.

„Steig ein !", knurrt er mich an, während er seine Autotür öffnet. Sauer funkele ich ihn an, ich meine hat der sie noch alle. Da versuche ich mal nett zu sein und zu helfen und er verhält sich wie immer wie ein kompletter Trottel. Aber da ich es Malachai sowieso versprochen hatte, steige ich in den Wagen und lege den kleinen Jungen etwas zurecht, damit er es auch bequem hat. Nathan steigt auf der Fahrerseite ein und knallt die Tür laut zu, ich zucke leicht zusammen und Malachai fängt wieder an unruhige Geräusche von sich zu geben. Mit einem meiner Todesblicke an Nathan fange ich an durch Malachais Haare zu streichen und leise Worte zu murmeln, bis er sich endlich wieder entspannt. Den Blick den Nathan mir dabei zuwirft ignorieren wir bitte mal. Dieser startet endlich den Motor und fährt los.

Behind these WallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt