Diese gelb goldene Augen

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Stella

Die erste Sitzung war schon voller Schmerz, Trauer und Gefühle gewesen. In Reiners Augen sah ich den stolzen Soldat, aber auch den gebrochenen Mann. In der zweiten Sitzung ging es mehr darum wie er all seine Kameraden starben sah. Es war hart, aber er musste sich bewusst machen, dass alle tot sind und nicht wieder kamen und versuchen damit zu leben. „Erzähl mir von dem Tod deines Vorgesetzten Erwin Smith.“ Ich lehnte mich zurück, sah ihn lange an und bemerkte direkt wie er mit seinen Nacken knackte. Eine normale Reaktion des Körpers wenn den Kopf sich gegen schlechte Erinnerungen wehrte. Auf seiner Stirn bildeten sich direkt Schweißperlen und wieder befand er sich an einem, mir nicht zugänglichen Ort. „Reiner.“ Um die Sache zu vereinfachen nahm ich einen besonderen Stein aus einer meiner Schubladen. Ich legte den Edelstein namens Karneol genau vor Reiner ab. „Es möge dich verwundern Reiner, aber ich glaube an die Wirkung von Heilsteine. Dieser Edelstein nennt man Karneol, man nennt ihn auch Lebensstein, er soll einem Mut und Lebenskraft schenken. Wenn ich ihn mir so anschaue passt er zu deinen Augen und könnte dir vielleicht helfen wie der Peridot an deinem Hals.“ Ein Karneol hatte sämtliche Braun Töne in sich vereint mit ein bisschen Orange gemischt. Tatsächlich blickte Reiner zu seiner Kette runter und dann zu dem Stein auf dem Schreibtisch. „Den hat mir meine Mutter geschenkt. Er soll mich vor dem Bösen schützen und gleichzeitig ist er mein Geburtsstein.“ „Mein Geburtsstein ist der Saphir, aber darum geht es ja grad nicht. Konzentriere dich nun nur auf den Edelstein der vor dir liegt oder nehme ihn auch in die Hand, dann erzähle mir von Erwins Tod.“ Er war sichtlich über meinen Methoden verwirrt, aber ließ sich darauf ein.

„Erwin kam grad aus seinem Zelt raus als die ersten Granaten fielen, dass war noch bevor das Auto in dem ich drin saß, getroffen wurde. Er wusste zu nächst gar nicht was in dem Moment passiert, aber dann verstand er alles recht schnell. Er starb weil er Levi Ackerman vor eine Granate beschützt hatte. Erwin stieß Levi so weit es ging weg und wurde selbst Opfer dieses Angriffs.“ Immer wieder knackte Reiner mit seinem Nacken und nahm unbewusst den Edelstein in seine Hände. „Ich bin bei dir Reiner. Du bist nicht allein.“ Ich versuchte ihn mit meiner Stimme zu beruhigen und ihn daran zu erinnern, dass er sich in einem Raum befand wo ihm nichts passieren konnte. Zunächst sah man ihn seinen erhöhten Herzschlag an aber der Herzschlag wurde immer langsamer und dann blickte mich mein Patient einfach nur an.

Die restliche Sitzung verging fast genauso und mit jeder weiteren Erzählung sah man die Furcht und die unbändige Angst die in ihm verankert war. Es ging so weit, dass ich es abbrechen musste und ihm fürsorglich eine Hand auf seine Schulter gelegt habe und ihm gut zusprach. „Es möge für dich wie eine Schwäche vorkommen weil du es nicht schaffst darüber zu reden. Lass mich dir eins sagen, jeder Mensch hat seine tiefen Geheimnisse und sehr schlimme Erinnerungen die er nicht preisgeben kann. Du willst wieder ruhig schlafen können, du willst in den normalen Alltag wieder zurückkehren und das ohne Panikattacken zu haben. Es braucht seine Zeit, aber du bist hier oder? Du willst diese Hilfe und ich gebe sie dir gerne. Ich möchte dir helfen und es wird mit jedem Mal besser.“ Während ich sein Gesicht musterte, fiel mir wieder auf wie gut er aussah, er war wahrlich ein Mann dem ein Dreitagebart gut stand. Sein Parfüm stieg mir in meine Nase, es war ein leicht würziger Geruch gewesen. Dieser Geruch mochte ich an Männer am liebsten, dennoch erinnerte ich mich sofort daran, dass er mein Patient war. Scheinbar drangen meine Worte zu ihm durch. „Ich muss wirklich sagen, dass Sie ganz anders sind als die anderen Therapeuten. Und ich versuche wirklich daran zu glauben das es besser wird.“ Seine gelb goldenen Augen suchten nach meinen braunen Augen und ich musste mich zurückhalten um nicht hörbar ein und aus zu atmen. Denn für einen kurzen Moment verlor ich mich in diese Augen.

Die zweite Sitzung verging und das Wochenende kam schneller denn je. Für den Samstag hatte ich ein Treffen mit meine besten Freundin, Hanji, in der Innenstadt von Saarbrücken geplant. Ungeduldig wartete ich in der Europagalerie bei Starbucks. Ich hatte uns schon etwas bestellt, für sie einen großen schwarzen Kaffee und für mich einen großen Cappuccino mit Sahne. „Danke, danke das du uns schon was bestellt hast und hallo.“ Mit diesen Worten schwang sie sich auf den Holzstuhl vor mir. Trotz das ihre Haare zu einem Zopf gebunden waren, standen sie in allen Himmelsrichtungen ab, als ob sie gerannt wäre. „Ach schon gut Hanji. Eigentlich kenne ich es ja nicht anders.“ Lachend widmete ich mich der Tasse zu. Etwas verwirrt sah mich meine Freundin an und sie hob langsam ihre Augenbraue. „Was genau ist los? Lief die letzte Sitzung mit dem neuen Patienten gut oder wieso reagierst du so ruhig?“ Ich hörte sie gar nicht richtig, denn von weitem sah ich Reiner Braun der grad an mehreren Geschäften vorbei ging. Was war nur los mit mir? Es war doch nicht das erste Mal, dass ich meine Patienten auch privat sah. „Naja die Sitzung lief relativ gut, mehr darf ich auch nicht sagen.“ Hanji sah mich eindringlich an und verfolgte meinen Blick, aber sie wusste nicht auf welchen Menschen ich genau sah. „Du benimmst dich merkwürdig Stella. Was geht dir durch den Kopf?“

Das konnte ich nicht mal selbst sagen. Mir ging dieser Blick nicht mehr aus dem Kopf und ich wusste es war ein Fehler ihn genauso angesehen zu haben. Ein Therapeut sollte zwar stets offen und einfühlsam sein, aber es gab eine Grenze die man nicht überschreiten durfte. Man musste stets einen gewissen Abstand halten und diesen Abstand hatte ich in der letzten Sitzung überschritten. Für manche möge es nichtig sein, aber nicht für mich. Ich biss mir auf die Lippe und zwang mich dazu meine Freundin anzusehen. „Alles gut. Ich darf ja auch mal etwas neben der Spur sein. Also..“ Bevor ich meine Frage fertig stellen konnte, sprang sie auf und winkte jemanden zu. Ich drehte mich nicht zu der Person um die neben mir zum stehen blieb, aber ein bekannter Geruch kam mir entgegen. „Oh Gott was ein Zufall, Reiner. Dich habe ich das letzte Mal vor paar Monaten gesehen als du zurück kamst.“ Ich sah wie Hanji ihn angrinste und ich bewegte langsam meinen Kopf in seine Richtung.

Die Flucht vor den SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt