tausend Scherben

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Stella

Mit nassen Händen klopfte ich an die Tür bis mir mein Chef die Erlaubnis gab einzutreten. Es war nicht übertrieben wenn sagte ich hatte Angst vor dem was kam. Mit einem beklommenes Gefühl trat ich ein und er schaute mich sofort sehr ernst an. „Guten Tag Herr Schmidt." „Setzen sie sich Frau Weiß." Ohne Widerworte trat ich an den braunen Ledersessel und setzte mich hin. Herr Schmidt stand nun auf und ging hinter seinem Stuhl hin und her. „Ich hab etwas erfahren, was unfassbar ist. Ich kann nicht sagen wie enttäuscht ich von Ihnen bin." Seine Augen waren streng auf mich gerichtet und sofort merkte ich wie meine Hände noch feuchter wurden. Ich betete dafür dass es nicht um das ging was ich befürchtete, aber leider kam es genau so. Mir wurde gar nicht die Zeit gelassen um mich zu verteidigen. „Ich habe erfahren das sie eine Beziehung mit ihren Patienten, Reiner Braun, eingegangen sind. Sie waren immer eine der besten hier, sämtliche Patienten waren glücklich mit ihnen und sie haben sich immer an die Regeln gehalten und dann sowas. Grad sowas. Ich hätte das nie für möglich gehalten und da gibt's auch keine Diskussion. Ich werde ihnen den Patient entziehen und er wird einen anderen Therapeuten bekommen." „Aber-" „Und ich werde sie auf eine unbestimmte Zeit suspendieren bis ich mich dazu entschieden habe ob sie weiter hier in Firma arbeiten dürfen oder nicht."

In mir brach etwas in tausend Teile und mein Atem ging immer schneller. Ich wollte noch etwas sagen, aber für ihn war das Thema schon geschlossen und er forderte mich auf meine Sachen zu holen und nach Hause zu fahren. Mein größter Albtraum wurde wahr, mit zitternden Beinen ging ich langsam zurück zu meinem Büro. Entweder schaute mich wirklich jeder an oder ich bildete mir das nur ein. Die Tränen stiegen mir in die Augen und ich konnte sie nur mit Mühe zurückhalten, denn ich wollte nicht hier in der Firma weinen. Nach gefühlter Ewigkeit erreichte ich mein Büro und ich konnte es immer noch nicht glauben. Wer hatte uns gesehen? Wer hatte mich verraten? Nur mit Mühe konnte ich all meine Sachen zusammen packen und von hier verschwinden. Einige meiner Kollegen riefen meinen Namen, aber ich wollte nur noch flüchten. Ohne mich noch einmal umzudrehen rannte ich halber zum Aufzug. Wie von selbst rief ich Hanji an, sie ging auch sofort dran.

Dann konnte ich es plötzlich nicht mehr zurückhalten. Meine Tränen flossen unaufhörlich über meine Wange. „Stella? Stella?! Was ist los?" Ich versuchte mich zu beruhigen, aber mein Herz krampfte sich weiter zusammen. „Ich wurde auf unbestimmte Zeit suspendiert. Jemand hat mich mit Reiner gesehen und man hat ihn mir als Patient entzogen. Es ist noch nicht klar ob ich weiter in der Firma arbeiten darf." „Aber-" „Nichts aber!!! Hörst du mir zu? Ich würde suspendiert?!" Wieder fühlte ich diese Leere. Mein Traum zerbrach in tausend Scherben und das ABER brachte mich nicht weiter. Ich hörte wie Hanji mehrmals zu einem Satt ansetzte aber es nicht über ihre Lippen kam. „Sorry Hanji. Aber ich kann grad nicht mehr." Daraufhin legte ich ihr einfach auf.

Es war wieder ultrariskant in dem Zustand zu fahren und eigentlich wollte ich irgendwo anders hin aber nicht nach Hause. Ich wusste nicht was ich machen sollte weil sagen, dass das nicht stimmt wäre eine Lüge weil es ja stimmte. Für mich war Reiner von Anfang an ein besonderer Mensch, aber diese Suspendierung war ein richtiger harter Schlag in die Fresse. Wie ein Weltwunder schaffte ich es heil nach Hause, obwohl ich komplett aufgelöst war von dieser Situation. Eigentlich sollte ich Reiner Bescheid sagen, aber ich konnte grad mit niemanden reden, ich wollte es nicht. Ich liebte meinen Job, ich fühlte mich in der Firma wohl und dann kam sowas.

Selbst nach zehn Minuten saß ich noch in meinem Auto und starrte nur ins Leere. Ich war komplett in meinen Gedanken versunken und deswegen bemerkte ich nicht mal wie Hanji mich mehrmals anrief. Erst als der Regen immer stärker wurde und auf das Auto nieder prasselte erwachte ich aus meiner Trance. Plötzlich war es so als würde ich gar nichts mehr spüren, selbst die Kälte und Nässe spürte ich nicht. Durchnässt erreichte ich meine Haustür und da versuchte mich Hanji wieder anzurufen. Ich sah erst paar Sekunden auf das Display meines Handys bevor ich abhob. „Stella! Wo bist du?" „Ich bin jetzt daheim." Mit langsamen Bewegungen öffnete ich die Tür und begab mich in meine Wohnung. „Es tut mir so leid Stella. Es tut mir so unendlich leid." „Wieso entschuldigest du dich? Du hast mich ja gewarnt." „Ich weiß die Frage ist bescheuert, aber wie geht's dir?" „Wie es mir geht? Scheiße. Ein anderes Wort gibt es dafür nicht." „Soll ich vorbeikommen?" Selbst Hanji hätte meine Stimmung nicht verbessern können. „Nimm es mir nicht böse, aber ich möchte grad alleine sein." Ich wusste das sie ein wenig traurig deswegen war, aber sie wusste auch wieso ich alleine sein wollte. „Falls du dich doch umentscheidest, dann sag mir Bescheid." „Mach ich." Mit diesen Worten legte ich abermals auf.

Geschockt sah ich in den Spiegel, der in meinem Bad, hing. Man sah mir direkt an wie es mir erging. Ich warf all meine Kleidung in die Ecke und begab mich in die Dusche. Das heiße Wasser floss über meinen Körper, meine Magen fing an zu knurren, aber ich verspürte keinen Hunger. Das Einzige was ich momentan verspürte war eine gewisse Leere. Manch einer würde sagen ich solle optimistisch denken, aber diese Fähigkeit hatte ich schon vor langer Zeit begraben. Wer hasst mich so sehr? Ein anderer Grund gab es für mich nicht wieso man sowas tun sollte. Ich verbrachte einige Minuten unter der Dusche bevor ich mich dazu entschloss rauszugehen und mich abzutrocknen. Es fühlte sich so an als wäre Blei an meinem Körper, so schwerfällig schlürfte ich zu meinem Bett. Alles war ganz still, ich nahm nur meinen schweren Atem war. Wieder zog sich mein Herz zusammen, mit diesem Gefühl schlief ich irgendwann ein.

Ich wurde nach zwei Stunden wieder durch mein Handyklingeln wach. Noch komplett orientierungslos schaute ich auf mein Display um zu sehen wer mich da anrief. Zu meiner Überraschung war es meine Praktikantin Emily. „Hallo Emily." „Es tut mir leid, dass ich sie belästige." „Mach dir keine Sorgen, dass tust du nicht. Was ist denn los?" „Das wollte ich eigentlich Sie fragen. Alle reden darüber, dass sie so schnell es ging aus der Firma gerannt sind." Natürlich war ich das Gesprächsthema Nummer Eins, aber ich wollte meine Praktikantin auch nicht anlügen. „Ich wurde suspendiert. Auf eine unbestimmte Zeit." „Also stimmt das? Es gab dieses Gespräch, aber keiner weiß wieso. Es tut mir wirklich leid, dass ich so ungeniert nachfrage." „Wie gesagt du musst dich nicht entschuldigen. Es ist dein gutes Recht nachzufragen. Ich mein du bist meine Praktikantin und ich schätze dich sehr. Ich bin eine Beziehung mit einem Patienten eingegangen. Jemand hat uns gesehen und es dann meinem Chef erzählt. Ich habe keine Ahnung wer oder warum. Das Einzige was ich momentan weiß ist, dass es mir echt schlecht geht. Ich bereue die Beziehung nicht, aber dieser Umstand ist schlimm." „Irgendwie habe ich eine Ahnung wer es gewesen sein könnte." Plötzlich riss ich meine Augen auf.

Die Flucht vor den SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt