Ein Versprechen, eine Hoffnung

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Stella

Als ich begriff was in Reiners Kopf vorging ließ ich meine Taschen fallen und rannte zu ihm. Ich packte seine Schultern und sprach mit ihm. Viele Leute, auch Hanji, verstanden nicht was grad vor sich ging. Selbst wenn sie es wüssten, würden sie es nicht verstehen, sie könnten nichts machen. Reiner starrte ins Nichts bis er endlich in meine Augen sah. Sein Körper gab nach und zusammen mit ihm fiel ich auf die Knie und sofort schloss ich ihn in meine Arme. „Komm wir gehen wohin, wo niemand uns hören kann.“ Meine Stimme war so leise, dass nur er meine Worte hören konnte. Es vergingen einige Sekunden bis Reiner sich regte und wir zusammen aufstanden. Ich löste mich von Reiner und sagte zu ihm er solle nicht auf die Blicke der anderen Menschen achten. „Setz dich auf irgendeine Bank, ich werde kurz mit Hanji reden, okay?“ Er sah mich nur kurz an bis er schließlich paar Meter weiter sich auf eine Bank niederließ. Mit gemischten Gefühlen ging ich zurück zu meiner besten Freundin. „Du hast sicherlich Fragen.“ Hanji stand mit offenen Mund da und nickte mir zu. „Wir kennen uns schon. Reiner Braun ist einer meiner Patienten und er war kurz davor eine Panikattacke zu bekommen, naja es ist noch nicht vorbei, daher muss ich jetzt sofort mit ihm reden.“ Mein Blick drückte mein Bedauern aus, aber Hanji meinte es wäre nicht schlimm und sie würde hier warten.

Ich eilte zu ihm und saß mich behutsam neben ihm. Plötzlich zog er seine schwarze Lederjacke aus und ich hatte einen Blick auf seine nackten Arme die übersät waren von Narben. Höchstwahrscheinlich welche von den Granatensplitter, aber garantiert auch welche die er sich selbst zugefügt hatte. Ich musste mich zurückhalten um nicht anfangen zu weinen. Wie viel konnte ein Mensch ertragen? Wie oft konnte ein Mensch die Albträume ertragen bis derjenige daran zerbrach? Ich sagte zwar selbst man muss akzeptieren das die Kameraden gefallen sind und damit leben, aber der Weg dorthin war noch lang. „Ich hatte mal vor gehabt mir den Schädel weg zu pusten, aber dann hörte ich Gabi mit ihren Freunden. Ich konnte den Abzug nicht betätigen, aber meine Gedanken kreisen unaufhörlich darum.“ Es wunderte mich nicht, dass er schon mal daran gedacht hat sich das Leben zu nehmen, aber es wunderte mich auch nicht das der Grund seines Zögerns seine Cousine war. Reiner wollte einfach nur Frieden, für seine Familie und für sich selbst. Ich hatte für ihn etwas gekauft, was ich ihm eigentlich in der nächsten Sitzung geben wollte, aber ich zog es dann doch vor. „All das wundert mich nicht und eigentlich hätte ich wissen müssen das dein Kopf auf die Umgebung reagieren wird. Ich habe für dich ein Armband gekauft, du musst es immer bei dir haben und wenn du merkst die Panik, die Angst steigt in dir auf musst du dran ziehen und wieder los lassen. Diese Methode verwendet man häufig. Versprichst du mir es zu tragen und es anzuwenden?“ Erst sah er mich ungläubig an, aber dann nahm er mir das schwarze Lederarmband aus der Hand und zog es an. „Es war wohl gut, dass wir uns getroffen haben, denn sonst wüsste ich nicht wie der Tag ausgegangen wäre. Es ist eh das erste Mal seit Monaten das ich wirklich für mehrere Stunden außerhalb meiner Wohnung bin.“ Ich lächelte ihn an und stimmte zu, dass es wirklich gut war uns gesehen zu haben.

Reiner und ich saßen noch einige Minuten da und sprachen über alles mögliche bis er sich wieder dazu bereit fühlte um mit Hanji und mir was essen zu gehen. Schnell zog er seine Lederjacke wieder an bevor Hanji die ganzen Narben sah, man musste ja nicht alles preisgeben. Ich sah es in Hanjis Gesicht das sie am liebsten tausend Fragen stellen würde, aber sie besann sich und stellte keine einzige. „Es wäre besser nicht hier in der Galerie zu essen. Habt ihr Lust auf Sushi? Vielleicht haben wir Glück und im Oishii ist noch ein Platz für drei Personen frei. Ich würde da dann grad anrufen.“ Hanji und Reiner schauten sich an und machten einen zufrieden Ausdruck, sofern man es bei Reiner als zufrieden durch gehen konnte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war jedenfalls schon mal besser, als der vor einer Viertelstunde. Ich griff nach meinem Handy um keine Zeit zu verlieren und zu unserem Glück hatten sie wirklich einen Tisch frei. „Kommt Leute. Wenn wir uns beeilen haben sie noch ein Tisch für uns.“

Mit einem schnellen Tempo gingen wir die Bahnhofstraße hinunter bis wir rechts abbiegen mussten. Im Oishii aß ich für mein Lebend gern, gutes Sushi und gutes Bier. „Hallo. Ich habe vor einigen Minuten angerufen, mein Name ist Stella Weiß.“ Man brachte uns schnell zu unserem Tisch und sofort schnappte ich mir die Getränkekarte. „Wieso guckst eigentlich noch rein Stella? Du bestellst doch eh immer das selbe Bier.“ Hanji grinste mich nur an und eigentlich hatte sie damit recht daher reichte ich Reiner die Karte. „Bier klingt nicht schlecht. Da sage ich auch nicht nein.“ Diese Worte aus seinem Mund klangen so ehrlich und es schwang keine Melancholie mehr mit. Dann kam auch schon der Kellner und jeder von uns holte das selbe Bier. In der Zeit suchte jeder von uns schon auf dem Tablet fünf Sachen zu essen aus. „Ich habe mitbekommen das ihr dieses Jahr zu Rock am Ring gehen wollt. Was für Bands kommen eigentlich dieses Jahr dorthin?“ Ich suchte die Seite auf dem Handy und legte mein Handy zu Reiner. „Einige gute Bands zum Beispiel Billy Talent, Fall out Boy, Green Day, Black Veil Brides, Korn, System of a Down, the Pretty Reckless und noch andere. Ich freu mich schon darauf.“ Ich grinste Reiner an und ich versteckte meine Freude davor nicht. Dann fing Hanji plötzlich an zu lachen und bei ihrer Lache dachte man immer direkt sie dreht komplett durch.

Die anderen Gäste sahen uns schon merkwürdig an und ich musste deswegen ein wenig Schmunzeln aber dann kam auch  schon unsere Getränke und wir stoßen an. Reiner blickte dann wieder zu meinem Handy und reichte es mir wieder rüber. Ich wollte ihm etwas sagen, aber so das es Hanji nicht mitbekam daher entschied ich mich dafür ihm eine Notiz auf dem Handy zu schreiben. „Es wird wieder alles besser und vielleicht kannst du auch wieder unbeschwert auf Konzerte gehen. Denk an die Therapie und ihre Wirksamkeit.“ Ich schob wieder mein Handy zu ihm, nachdem er die Notiz gelesen hatte sah er mich wieder richtig an und schenkte mir ein zögerliches Lächeln.

Die Flucht vor den SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt