Als sie in der Hauptstadt ankamen, war es schon mitten in der Nacht. Dementsprechend konnte Ajax nicht so viel von der Stadt sehen, aber wohl, dass sie sehr groß war. Die vielen Lichter und der Schnee... es war einfach wundervoll. Als sie vor dem Quartier der Fatui ausstiegen, klopfte Pulcinella Ajax auf die Schulter.
"Meine Rekruten zeigen dir dein künftiges Zimmer. Bitte schlag sie diesmal nicht zusammen", sagte er grinsend. Dann fuhr er mit seinem Schlitten davon. Wahrscheinlich hatte er eine bessere Unterkunft, als einer der obersten Fatui. Die Baracken hier waren wohl für die Anfänger bei den Fatui. Es waren riesig langgezogene Bauten aus grauem Beton mit Fenstern die nebeneinander standen und alle gleich aussahen. Er ging schweigend hinter den Rekruten her. Dann wurde er zu einem kleinen Zimmer gebracht. Dort war aber alles vor Ort, ein kleines Badezimmer und ein Ofen mit Kochstelle. Ajax hatte sich vorher nie vorgestellt alleine zu leben. Vor allem nicht nur in einem Zimmer. Aber es war bestimmt in Ordnung... besser als bestraft zu werden. Fertig von dem Tag kuschelte er sich auf die Matratze und schlief sofort ein.
Am nächsten Morgen um sechs Uhr früh ging der Alarm los, den man durchs ganze Haus hörte, ebenso wie die Rekruten die sich dienstbereit machten. Ajax spielte mit dem Gedanken einfach liegen zu bleiben. Dann entschloss er sich jedoch dazu, unter die Dusche zu springen und sich anzuziehen. Er wollte gerade seine Kleidung anziehen, als sich ein Schlüssel in der Tür bewegte und Pulcinella ungefragt in sein Zimmer kam.
"Das muss morgen schneller gehen. Du hast Welpenbonus. Außerdem, hier, deine Uniform", sagte er und warf sie ihm entgegen. Ajax starrte ihn mit großen Augen an – immerhin stand er gerade fast splitterfasernackt vor ihm und er hielt das Handtuch erschrocken vor sich, während er noch versuchte, die Uniform zu fangen. Und jetzt lachte dieser Pulcinella-Typ auch noch.
"Jaja. Danke", murmelte er und ging ins Bad zurück. Sollte er doch seinen Hintern sehen. Trotzig zog er so schnell wie möglich trotzdem seine neuen Sachen an und kam hervor. Es war eine rote Uniform mit dunkelgrauer Jacke.
"Gut. Wenn du fertig bist, gehen wir aufs Übungsfeld. Ich will sehen, wie du kämpfst", sagte Pulcinella.
"Wie ich kämpfe? Ich dachte, du willst mich nicht ausbilden?", fragte er überrascht.
"Das entscheide ich dann. Also enttäusche mich nicht so wie dein Dorf", sagte Pulcinella streng. Ajax blickte betreten auf den Boden. Das hatte aus welchem Grund auch immer gesessen. Der Fatui General war zwar verrückt und sicherlich ein Sklaventreiber, aber diese Art von Autorität und wie er diese durchsetzte, imponierte Ajax und so hatte er keine andere Wahl, als ihm sein Können zu beweisen. Außerdem hatte bisher noch nie jemand sehen wollen, wie er kämpfte. Nein, es war immer als etwas Schlechtes angesehen worden. Er könnte es ihm ja zumindest zeigen, einmal...
Also ging er mit ihm mit. Auf dem Übungsplatz waren diverse Vorrichtungen aufgestellt worden, die für das Training geeignet waren. Pulcinella erklärte ihm, wie sie funktionierten und gab ihm ein Schwert in die Hand.
"Dann zeig mal, was du drauf hast", sagte er herausfordernd. Ajax nickte.
"Du wirst nicht enttäuscht sein, Pulcinella", sagte er und sprach seinen Namen mit Absicht falsch aus. Dann zückte er das Schwert und bahnte sich in unglaublicher Schnelligkeit seinen Weg durch die Trainingsvorrichtungen. Er schlug auf die Attrappen ein und kam in Windeseile zum Ziel. Als er zum Stehen kam, bemerkte er, wie Pulcinella der Mund halb offen stand.
"Da staunst du, was?", fragte Ajax und grinste frech.
"Naja... du warst ... ganz gut, ja", spielte Pulcinella es herunter. Die Wahrheit war allerdings, dass er ohnegleichen war. Keiner der neuen oder auch bestehenden Rekruten hatte jemals so etwas fertig gebracht. Und da war noch mehr...
"Ganz gut? Das ist alles?", fragte Ajax überrascht.
"Ich frage mich halt nur, woher du in deinem zarten Alter so kämpfen gelernt hast", erwiderte Pulcinella und grinste schief.
"Betriebsgeheimnis. Und was heißt hier "zartes Alter"? Ich bin kein Kind mehr", entgegnete Ajax frech und lachte.
"Du bist mit Abstand der Jüngste hier im Lager. Aber ich werde dich nicht wie ein Kind behandeln, sondern wie einen Rekruten: Ich werde dich ausbilden", sagte Pulcinella und lächelte leicht.
"Nur, wenn ich auch gegen Menschen und nicht nur blöde Puppen kämpfen darf", erwiderte Ajax fordernd. Kein Wunder, wenn die Fatui-Rekruten solche Luschen waren.
"Sinn der Sache. Aber erstmal brauchst du eine ordentliche Ausbildung. Auch in Elementarkräften selbstredend", sagte Pulcinella.
"Ele-was?", fragte Ajax und schaute ihn mit großen Augen an.
"Du hast doch bestimmt schon vom göttlichen Auge gehört, oder?", fragte der Fünfte der Fatui und ging näher auf Ajax zu.
"Ja, schon... in den Geschichten von meinem Vater... aber das haben doch nur ... ganz besondere ähm... Personen... die dann auch...solche Eiskräfte oder so einsetzen können...", stammelte Ajax und war sich sicher, dass er so etwas doch nicht einfach so lernen könnte. Und wenn er das nicht konnte, dann war es das sicher, oder? Wieso waren die Leute aus seinem Dorf eigentlich auf die Idee gekommen, zu den Fatui zu schicken?
"Das ist korrekt. Die meisten in Snezhnaya verfügen über die Kryo-Kraft. Aber es gibt auch andere Elementarfähigkeiten", erklärte Pulcinella.
"Achso... du meinst diese Waffen da oder wie?", fragte Ajax und blickte hinüber zu anderen Soldaten, die sich an Frostgewehren ausprobierten.
"Nein. Das sind nur Elementarwaffen, die wir den Rekruten geben. Hätte ich sonst etwa das göttliche Auge und die Fähigkeiten erwähnt?", fragte Pulcinella und lachte.
"Ähm... achso ja, na klar... das göttliche Auge...", erwiderte Ajax und bluffte, "Natürlich. Ich werde dich bestimmt auch darin mit meinen Kräften überzeugen können."
"Ich habe noch nie einen Jungen wie dich getroffen – du weißt gar nicht, dass du eins hast, oder?", fragte Pulcinella und sah ihn mit einem stechenden Blick an. Ajax fuhr sich verlegen durchs Haar und lachte.
"War eine Notlüge", sagte er peinlich berührt und wurde leicht rot. Pulcinella ging jedoch zu und packte ihn am Kragen.
"Jetzt hör mir mal gut zu, Junge. Du weißt es wahrscheinlich selbst nicht, aber ich habe es eben gesehen, dass du ein göttliches Auge hast", sagte Pulcinella ernst.
"Was?!", fragte Ajax verwundert. "Ich?!! Ähm... also... ich will nur klarstellen, dass ich ein gewöhnlicher Junge aus dem Dorf bin... wirklich... ich habe nichts getan oder irgendein göttliches Auge gestohlen... also...", versuchte er sich herauszureden. Noch konnte er sich ja nicht sicher sein, ob Pulcinella ihn nicht vielleicht doch bestrafen wurde.
"Ja. Natürlich. Du hast keines. Und ich habe eben auch nichts gesehen", erwiderte Pulcinella sarkastisch und ließ ihn los.
"Was hast du gesehen?", fragte Ajax trotzig und zog sich die Kleidung zurecht.
"Ich habe es vielmehr gespürt. Es ist wahrscheinlich hydro, aber das muss ich noch prüfen. Eine recht seltene Elementarkraft hier in Snezhnaya. Schau her", meinte er und zeigte ihm etwas, das aussah, wie ein glänzender Stein mit einem Symbol darin eingelassen. Er zeigte es ihm jedoch so kurz, dass Ajax nicht richtig erkennen konnte, was es war.
"Besitzt du so etwas? In blauer Farbe vielleicht?", fragte er, an ihn gewandt.
Plötzlich erinnerte Ajax sich. Er biss sich auf die Lippe und wusste nicht, wie er das jetzt erklären sollte. Aber am besten sagte er die Wahrheit, oder?
"Es gibt so etwas in meinen Besitztümern. Ich habe es als Kind beim Eisfischen mit meinem Vater gefunden. Ich dachte, es wäre wie eine Art kleiner Schatz und habe es immer mitgenommen, als eine Art Glücksbringer", sagte er verlegen und lächelte.
"Schatz... wie recht du wohl hast...", sagte Pulcinella und schüttelte den Kopf. "Ich habe noch nie einen Jungen wie dich gesehen. Ich werde dir zeigen, wie man mit Elementarkräften kämpft. Wir fangen gleich morgen damit an. Die Ausbildung wird nicht einfach, da du Schwertkampf und Elementarfähigkeiten gleichzeitig erlernen wirst. Also vermassele es nicht", direkt wurde sein Ton wieder strenger. Aber es war eine anspornende Strenge, die mit der kalten Strenge seines Vaters nicht zu vergleichen war.
"Du wirst schon sehen", sagte Ajax und lächelte. Jetzt fühlte er sich herausgefordert, vor allem da er offenbar noch über stärkere Kräfte verfügte, als zunächst angenommen. Er konnte es kaum erwarten, ihm und diesen ganzen Haufen von Unfähigen zu zeigen, was in ihm steckte.
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In den nächsten Tagen ging das Training wirklich an Ajax' Grenzen. Vor allem die Kontrolle über diese Elementarkraft wollte geübt werden. Erschöpft saß er in einer Pfütze und fuhr sich durchs nasse Haar.
"Du solltest das Wasser auf die Vorrichtung lenken, nicht auf dich selber. Jetzt machen wir das Ganze noch mal", sagte Pulcinella streng.
Ajax seufzte. Das war ihm schon klar, aber wenn er jetzt mit ihm herum diskutierte, würde das alles nur erschweren.
"Gleich. Erstmal muss ich schauen, ob der Brief etwas abgekriegt hat", murmelte er und zog ein Blatt Papier aus seiner Tasche, das leicht durchnässt war. Die Schrift war an einigen Stellen verwischt.
"Ach, verdammt. Jetzt kann ich den nochmal schreiben", murmelte er und warf ihn weg. Dann zwang er sich aufzustehen, und weiter mit seiner Hydro-Kraft zu üben. Dabei war er so vertieft, es jetzt besser zu machen, dass er gar nicht mitbekam, dass Pulcinella den Brief aufgehoben hatte und mit belustigter Miene zu lesen begann. Als er schließlich lachte, drehte Ajax sich um. Als er bemerkte, dass er den Brief las, war es ihm auf der Stelle peinlich.
"Gib das her!", sagte er wütend, rannte auf Pulcinella zu und versuchte, den Brief zu fassen. Dieser wich jedoch mit einer Leichtigkeit aus.
"Bei den Fatui kann ich schon richtig gut kämpfen und ich bin dabei viel besser als alle anderen Rekruten, das hat sogar mein Ausbilder gesagt. Ich lerne jetzt auch die Hydro-Elementarkraft. Wenn ich euch das nächste Mal besuchen komme, werde ich super stark sein. Liebe Grüße, euer Ritter!", las er vor und lachte.
Ajax wurde rot und fuhr sich verlegen durchs Haar. "Tch", grummelte er.
"Du bist auch gar nicht angeberisch", sagte Pulcinella und schüttelte belustigt den Kopf.
"Und das geht dich nicht mal was an", fauchte Ajax und schnappte sich den Brief, der dabei zerriss.
"Möglich. Aber pass auf, dass du dich nicht überschätzt. Das ist ein Fehler, den viele Rekruten machen. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe", sagte Pulcinella streng.
"Wie kommst du darauf, dass ich mich überschätzen würde?", fragte Ajax nach einem Moment unzufrieden.
"Weil du noch kein Ritter bist. Bestenfalls ein Knappe... Du bist gerade einmal als Dorfjunge vor ein paar Tagen hier in die Kaserne gekommen. Ja, es stimmt, du hast einen ausgesprochenen Kampfgeist und Fertigkeiten, aber sie sind nicht unbedingt zielführend. Du bist nicht ausgebildet. Damit fangen wir an diesem Punkt erst an und deine Ausbildung wird ein langer Weg", erklärte Pulcinella.
"Hmm...", murmelte Ajax und seufzte leicht.
"Oh, da kommt mir eine Idee. Damit du das nicht vergisst, werde ich dich "Childe" nennen. Das ist ein anderes Wort für Knappe. Weiß nicht aus welcher Sprache, das hab ich vergessen", sagte Pulcinella ausdruckslos.
"Childe!!?", fragte Ajax überrascht, "aber...warte, mein richtiger Name ist-", wollte er sich endlich vorstellen, da er das bisher versäumt hatte. Doch Pulcinella unterbrach ihn.
"Nicht wichtig. "Childe" ist gut. Du musst ihn mir nicht sagen."
"Aber...", murmelte Ajax unsicher. Es war eine seltsame Situation, ganz plötzlich einen anderen Namen zu bekommen. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.
"Viele Fatui haben einen Codenamen. Die meisten davon sind höhere Offiziere. Das festigt ihre Identifikation mit den Fatui. Die obersten Fatui, zu denen ich gehöre, haben sogar besondere Namen, eher Titel. "Pulcinella" ist deswegen auch nicht mein richtiger Name. Da du mir deinen Namen nicht verraten wolltest, habe ich mir überlegt, dir auch ein Alias zu geben. Vielleicht spornt dich das ja auch mehr an", erklärte Pulcinella und legte ihm die Hand auf die Schulter.
"Achso... hmm... das klingt interessant", sagte Ajax und seine Augen wurden immer größer, "Dann bin ich stolz, jetzt einen Codenamen zu haben! Danke Pulcinella!"
Dieser grinste nur vor sich hin.
"Das freut mich. Na los. Geh weiter üben, Childe!", sagte er und lachte leicht.
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The birth of a hero
FanfictionEin Streit in einem Ort, Schneeflocken in Shnezhnaya, einsame Nächte in der Kaserne, ein Mentor, von dem der Junge ohne Namen nicht weiß was er halten soll... Was ist geschehen, bevor Tartaglia aka Childe einer der Elf wurde und nach Liyue gekommen...