- Kapitel 14 -

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Ich laufe zum Parkplatz und steige dann in mein Auto. Ramona muss morgen auf jeden Fall mit mir in der Bibliothek lernen, sonst falle ich durch die Prüfungen, da ich immer noch im Rückstand bin. Auf dem Weg nach Hause, blicke ich aufs Handy – keine Nachricht von Aiden. Er ist bestimmt beschäftigt. Völlig vertieft in mein Handy, merke ich gar nicht, dass die Ampel mittlerweile auf grün geschaltet ist. Erst das Laute Hupen des Autos hinter mir, lässt mich das realisieren. Zuhause angekommen, raffe ich mich zusammen und rufe meinen Vater an.

Erst nach dem dritten Klingeln geht er ran. „Oh, hey Rachel", klingt er verwundert. Ich begrüße ihn und frage wie es ihm geht. „Naja wie soll es mir gehen, du wirfst mein Geld aus dem Fenster für ein Kunststudium." Seine Aussage trifft mich direkt, dass ich kurz sprachlos bin. Naja, ich habe es um ehrlich zu sein, nicht anders erwartet. „Ich hoffe wir kriegen dich an Ostern trotzdem zu sehen, deine Großmutter kommt extra aus Phoenix angereist", teilt er mir mit. Ich wusste das bereits, da mir meine Mutter das letzte Woche schon getextet hatte. „Ja Dad, ich werde da sein", informiere ich ihn. Er verabschiedet sich: „Gut Kleines. Ich habe jetzt einen Patienten und muss mich kurz vorbereiten. Dann bis in zwei Wochen." Und er legt auf. Wow, danke für das Gespräch. Erniedrigt werfe ich mich auf mein Bett. Eigentlich müsste ich für die nächsten Vorlesungen meine Notizen auffrischen, damit ich nicht mit dem Stoff hinterherhinke. Meine Laune befindet sich aber gerade im Keller, weshalb Lernen auf jeden Fall nicht funktionieren wird.

Werde ich meinen Eltern es irgendwann Recht machen können? Werden sie mich irgendwann akzeptieren so wie ich wirklich bin?

Ich begebe mich in die Küche und schaue lustlos in den Kühlschrank. Mein Hunger überkommt mich, weil ich den Cheeseburger aus der Mensa kaum angerührt habe. Nach zwei Toast mit Salami kann ich wieder wie ein normaler Mensch denken. Ich denke darüber nach wie toll es wäre, wenn es mit dem Praktikum echt klappen würde. Logan und ich verstehen uns super, also wäre es auch cool, ihn außerhalb des Campus zu sehen.

Ich berichte Aiden die guten Neuigkeiten mit einer Nachricht:

»Hey, ich habe mich heute um einen Praktikumsplatz gekümmert. Ich hoffe es wird was. Was hast du heute noch so vor?«

Ich spüle mein Geschirr und gehe zurück in mein Zimmer. Mir fällt ein Bild von mir auf, welches ich noch nicht beendet habe. Irgendwas gefällt mir nicht daran, weshalb ich es auf meine Staffelei stelle und kritisch mustere. Es ist Zeit für ein Make-Over. Ich ziehe mir ein Schlabbershirt an, das dreckig werden kann, binde mir die Haare zu einem Dutt und mische mir Farben zusammen. Mit grau und beige fange ich an das Bild zu verändern.

Nach zwei Stunden bin ich mit dem Hintergrund fertig und bin über das Ergebnis sehr zufrieden. Mein Handy klingelt - Aidens Name wird sichtbar. Ich nehme seinen Anruf entgegen. „Hola mi hermosa", begrüßt er mich. Ich liebe es, wenn er spanisch spricht, das lässt ihn so sexy klingen. Sein Vater ist Puerto-Ricaner, weshalb er die Sprache fließend beherrscht. Er führt fort: „Ich war bis eben noch in einem Café mit Michigan lernen. Kann ich kurz vorbeikommen, dann sehe ich dich. Heute Abend bin ich nämlich mit den Jungs im Kino, ein neuer Marvel-Film ist draußen." Ich sage natürlich ja. Ich will ihn unbedingt sehen. „Dann mach bitte die Tür auf, ich stehe schon unten", teilt er mir lachend mit. „Was? Nicht dein Ernst, Aiden. Was hättest du gemacht, wenn ich nicht da gewesen wäre?", frage ich ihn belustigt. „Dann hätte ich Pech gehabt."

Ich öffne ihm die Tür und er steht mit einer kleinen Tüte vor mir und einem großen Becher Kaffee vor mir. „Tolles Outfit, mir fallen ja fast die Augen aus", macht er sich über mich lustig. Ich stoße ihn. „Du Vollidiot, ich war gerade am Malen." Er kommt rein und küsst mich als hätte er mich zehn Tage nicht gesehen. Heute tanzen meine Schmetterlinge Bolognese, weil das Kribbeln sich im ganzen Körper verteilt. Am liebsten würde ich ihm gerne die Klamotten vom Leib reißen. Er unterbricht meine Gedanken, in dem er direkt in mein Zimmer stolziert. Ich folge ihm und blicke vorher in den Spiegel, der im Flur hängt. Na toll! Ich habe weiße Farbe an der Wange und mir hängen tausende von Strähnen aus dem Dutt. Das Wegreiben der Farbe im Gesicht bringt leider gar nichts, außer Rötungen. Super. Ich setze mich zu ihm aufs Bett und erzähle ihm meine Neuigkeiten. „Ich war heute bei Logan und der kann mir vielleicht ein Praktikumsplatz im Atelier klarmachen, weil eine Freundin von ihm das führt. Er wird mich empfehle-", er unterbricht mich: „Moment mal, wer ist Logan?" Ich erstarre kurz. Habe ich echt Logan gesagt? „Ich meine natürlich Mr. Bailey, entschuldige", versuche ich mich rauszureden. Die Antwort reicht ihm anscheinend aus, da er nichts hinterfragt. Er erzählt mir, dass er sein Praktikum bei seinem Vater in der Firma machen wird, da er Business Management studiert und er eines Tages das Unternehmen leiten will. Ich freue mich für ihn, weil er seine Ziele nicht aus den Augen verliert und genau weiß was er will. Und schon stelle ich ihn mir in einem Anzug vor. Wie sexy das wohl aussieht ... Oh Gott, warum denke ich jetzt an 50 shades of Gray?

Er holt die Tüte, woraus er ein kleines Päckchen rausholt und drückt es mir in die Hand. „Für mich?", frage ich vorsichtig. Er nickt. Ich packe es behutsam aus, damit er mir meine Neugierde nicht ansieht. Es ist ein Ölfarbenset. „Ich habe diese Box heute in einem kleinen Laden in der Stadt entdeckt, als ich Mittagessen wollte." Es sind sehr hochwertige Farben. Ich lächele ihn glücklich an. „Das ist sehr aufmerksam von dir, vielen Dank Aiden." Ich merke, dass er mir zuhört, wenn ich etwas erzähle. Als wir nämlich auf dem Berg waren, erzählte ich davon, dass ich neue Farben brauche, da meine schon etwas älter sind. Ich umarme und küsse ihn. Wir legen uns ins Bett und ich schmiege mich an seine Schulter.

Ich höre seinen Herzschlag und spüre seinen Atem auf meiner Stirn. Sein Handy klingelt, woraufhin er rangeht.

Während er telefoniert schaut er mir in die Augen. Das macht mich so wahnsinnig, weil ich nicht weiß was er denkt. Er streichelt mir die Haare vom Gesicht und lächelt mich an. „Ich hoffe du nimmst mir das nicht übel, aber ich muss die Jungs abholen", sagt er vorsichtig. Laut schnaubend, verdrehe ich die Augen. „Na los, hau ab", sage ich spöttisch. Aiden lacht laut auf und umarmt mich fest. „Mi hermosa, wenn ich süßen Popcorn nicht so lieben würde, würde ich im Kino an dir knabbern", teilt er mir mit, als er vom Bett aufsteht. Ich mache Würggeräusche und tue so als würde ich mir eine Waffe mit meinen Fingern an den Kopf halten. Er springt wieder auf das Bett, verabschiedet sich mit einem langen Kuss und verlässt dann daraufhin die WG. Die Zeit mit ihm verfliegt immer so schnell.

Ich verlasse mein Zimmer und gehe in die Küche. Dort sitzen Franny und Abby. Während ich mich dazu setze, kommt es mir so vor, als würden sie mich beide ignorieren. „Im Kühlschrank findest du noch Nudeln, wenn du möchtest", informiert mich Franny ohne mich dabei anzuschauen. „Ist irgendwas?", frage ich vorsichtig. Abby antwortet rasch: „Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee mit Aiden ist. Meint er es überhaupt Ernst mit dir? Ihr kennt euch doch kaum?!"

Picasso am MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt