- Kapitel 22 -

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„Hast du mein Shirt irgendwo gesehen?", fragt er mich verzweifelt. Ich helfe ihm beim Suchen. Nach einer Weile finde ich es unter meinem Bett, ist wahrscheinlich versehentlich darunter gerutscht, als wir voll bei der Sache waren. Ich werfe ihn damit ab. „Wenn du willst, dass ich nackig bleibe, sag das ruhig, dafür brauchst du doch nicht meine Sachen zu verstecken", neckt Aiden mich. Ich stöhne auf und antworte ihm daraufhin: „Wenn ich will, dass du nackt bist, dann lass ich es dich wissen, Großer." Er nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Bist du bereit? Können wir los?", fragt Mr. Perfektion mich enthusiastisch. „Ich glaube schon. Soll ich noch irgendwas mitnehmen?" Er schaut sich um und steckt seine Hände dabei in seine Jackentasche. „Ein Haargummi wäre nicht schlecht", scherzt er und zwinkert mir dabei zu. Ich schmunzele, weil man es falsch verstehen könnte. Natürlich ist das auf die Cabrio-Fahrt bezogen. Ich binde mir daraufhin die Haare zu einem tiefen Zopf zusammen, während er mich von hinten umarmt und sein Gesicht in meinen Nacken vergräbt.

Wir verlassen mein Zimmer und aus der Küche höre ich Franny. Wir verabschieden uns laut und gehen nach draußen. Heute ist es sehr sonnig, aber dennoch frisch. Der Wind haucht mir ins Gesicht, sodass meine Babyhaare in alle Richtungen fliegen. Da hilft auch kein Haarspray. Aiden springt sofort ins Auto, statt einfach die Tür zu öffnen und wie Normalzivilisierte in das Auto zu steigen. „Mach die Tür nicht auf, sondern spring rein! Für das Feeling!", fordert er mich auf. Für das Feeling? Was quasselt er da? Dennoch nehme ich die Herausforderung an, für das Feeling. Ich nehme Anlauf und springe auf die Beifahrerseite. Es ist wohl zu viel Schwung gewesen, denn meine weißen Sneakers treffen sein Gesicht. Ich erschrecke mich, da er sich die Nase reibt und eine Verletzung vortäuscht. „Oh Gott, habe ich dich verletzt?", frage ich ihn besorgt. Sein Grunzen beim Lachen verrät ihn, woraufhin ich ihn fest stoße. Schwachkopf. Er holt aus dem Handschuhfach eine Schachtel und reicht sie mir. „Ich sagte doch: Alles, für das Feeling", teilt er mir mit. Ich öffne die kleine Box und finde ein Tuch, welches Frauen in den Filmen immer auf dem Kopf tragen, damit ihr Haar nicht wie wild durch die Luft weht. Ich lächele und packe es sofort aus. Aus meiner Tasche fische ich meine alte Gucci-Sonnenbrille und setze sie auf. Nun binde ich mir das Tuch um den Kopf. „Und jetzt aber ab nach Hollywood oder?", sage ich und verstelle meine Stimme dabei. Er lacht und schaltet den Motor an. Seine Augen treffen auf meine: „Dein Wunsch ist mir Befehl, mi hermosa."

Wind im Haar, Sonne im Gesicht und Aiden an meiner Seite. So muss sich wohl Glück anfühlen. Für einen Moment sind alle meine Gedanken wie weggeblasen. Wir fahren einen Highway entlang und dabei strecke ich meine Hände in die Luft. Aidens Hand liegt auf meinem Oberschenkel, während im Radio der neue Song von Justin Bieber „Deserve you" läuft.

Nach der ersten Strophe bemerke ich, dass Aiden wohl das Lied bewusst gewählt hat.

„Nacht für Nacht schläfst du auf mir ein. Ich bete, dass ich nicht zurück gehe zu dem, was ich war."

Als ich mich in seine Richtung drehe, stelle ich fest, dass er mich mit einem Strahlen im Gesicht anlächelt. Aidens Ausstrahlung ist bemerkenswert, sie lässt einen an seinem inneren Leuchten teilhaben. So viel Positivität auf einmal. Man kann neben ihm keine schlechte Laune bekommen. Ich bin echt dankbar ihn zu haben.

Er fährt bei einem Drive-In entlang und bestellt uns Burger zum Essen. Meinen natürlich ohne Tomaten, denn auch das hat er sich gemerkt. Er drückt mir die Tüte in die Hand und bezahlt beim Kassierer. Daraufhin fahren wir erneut zu dem Berg vom letzten Mal.

Dort angekommen, öffnet Aiden den Kofferraum und schmückt diesen mit vielen Kissen und Decken, damit wir nicht frieren. Er hilft mir beim Reinsetzen und holt das Essen vom Beifahrersitz. Wir essen unsere Burger und die mit Käse überbackenen Pommes, während das Radio noch Musik abspielt. Die Aussicht ist wieder atemberaubend, denn die Sonne geht gleich unter. Der Himmel verfärbt sich gold-rötlich. Obwohl es ziemlich frisch ist, halten uns die Decken warm. Aiden zeigt mir sein richtiges Ich, das was die Leute von außerhalb nicht mitbekommen. Einerseits ist das schön, denn ich fühle mich besonders, weil er mich daran teilhaben lässt - andererseits macht es mich auch traurig, weil alle Anderen ein komplett falsches Bild von ihm haben. Ihm scheint es egal zu sein, er will keinem gefallen. Ich bin, denke ich mal, die Ausnahme.

Nachdem ich aufgegessen habe, lehne ich meinen Kopf an Aidens Schulter. Er nimmt seine Hand, legt sie auf meine Wange und streichelt mir dabei das Gesicht. Seine Lippen berühren meinen Kopf und für einen kleinen Moment, scheint die Welt in Ordnung zu sein.

Leider fängt es an zu regnen und wir packen hektisch alles zusammen. „Man ey! Mein Vater bringt mich um, er wollte ja unbedingt, dass ich die Abdeckung mitnehme und ich habe nicht auf ihn gehört", beklagt er sich. Wir steigen in das Auto und machen uns sofort auf den Weg. Glücklicherweise nieselt es nur und die Sitze werden nicht sonderlich nass.

Nach zwanzig Minuten sind wir schon in der Nähe der WG. „Darf ich dich was fragen?", kommt es ganz leise aus seiner Richtung. Ich bin ganz Ohr und nicke. „Hast du schon vielen von dieser Sache erzählt?" Mein Gesicht verzieht sich. Wie bitte? Diese Sache? „Worauf willst du hinaus Aiden?", entgegne ich. Er atmet laut aus: „Ob du vielen von uns erzählt hast? Ich möchte nicht, dass es die große Runde macht..." Die Alarmglocken in meinem Kopf läuten. Sowas sagt nur ein Fuckboy. Jemand der es nicht ernst mit dir meint oder der sich vielleicht sogar für dich schämt. „Nein, nur den Mädels", lüge ich kalt. Ramona weiß es ja auch, aber das ist gerade egal. „Du weißt doch wie das ist, wenn das jeder weiß, dann mischt sich jeder auch ein", versucht er sich zu erklären. Ich bin zutiefst schockiert. Das klingt nach einer billigen Ausrede und ich bin verletzt, weil ich alles erwartet habe, außer das. Ich meine, dass man nach so einer kurzen Zeit nicht zusammen ist, ist klar, aber uns wie Fremde vor Anderen zu verhalten, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Wir fahren die Einfahrt rein und er hält an meiner Haustür an. Ich rühre mich nicht vom Fleck, da ich es im Moment einfach nicht schaffe. Da öffne ich mich einmal und das bekomme ich zurück. Wollte er mich nur ins Bett kriegen oder was war seine Mission? Warum küsst er mich dann im Uni-Flur, wo uns jeder sehen kann oder auf der Party? Er sagt wieder etwas, doch ich höre ihn nicht, sondern starre einfach geradeaus. „Rachel?", ruft er mich. Ich drehe mich um und schaue ihm kalt in die Augen. „Ich hoffe, du hast es nicht falsch verstanden. Du kennst meinen Ruf, ich möchte nur nicht, dass du dich von Anderen beeinflussen lässt." Ich schüttele den Kopf und lache leicht hysterisch: „Danke Aiden, dass du mir diese Entscheidung nimmst. Dass du denkst, dass ich so leicht zu manipulieren bin und ich nur auf Andere hören würde-", er unterbricht mich: „Du hast es komplett in den falschen Hals bekommen, ich will nicht, dass es jemand kaputt macht. Ich mag dich nämlich sehr...", begründet er seine Aussage. „Keine Sorge, das schaffst du schon von ganz allein", drücke ich ihm und steige aus dem Auto.

Picasso am MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt