Verrat

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Als Hux Kylo Ren das nächste Mal begegnete war es auf der Krankenstation. Ren saß auf einer der Bahren und ein Medizinischer Android kümmerte sich um die Wunde in seinem Gesicht. Hux, der die Brücke nicht verlassen hatte, seit sie die Verfolgung der Raddus aufgenommen hatten war hier, um sich Spritzen mit einem Aufputschmittel zu holen. Er konnte sich im Augenblick keinen Schlaf leisten und sagte sich, dass es bald ausgestanden sein würde. Ein wenig musste er noch durchhalten. Die Rebellen hatten bald keine Energie mehr, keinen Treibstoff für die Tanks. Und dann konnten sie ihnen endlich nahe genug kommen, um auf sie zu feuern. Diesen Augenblick durfte er nicht verpassen.

„Du schwächst dich dadurch", sagte Ren mit einem Nicken in Richtung der Spritzen, die ihm ein Androide brachte.

„Darüber machst du dir Gedanken?"

„Ich nutze niemals Aufputschmittel. Und auch keine Schlafmittel."

„Ich zerstöre dafür keine Räume oder Monitore." Hux legte den Kopf zur Seite, so dass der Androide ihm die Spritze in den Hals geben konnte. Kylo Ren saß ganz ruhig und auf Hux wirkte es fast so, als habe er etwas von seiner inneren Balance wiedererlangt. Er spürte, dass auch die Wellenbewegung der Macht, die ihn umgab ruhiger geworden war, weniger chaotisch und gleichzeitig stärker.

Der Druide zog die Spritze zurück und Hux glaubte zu spüren, wie das Adrenalin durch seine Adern jagte. Er atmete tief ein und spürte sein Herz augenblicklich in einem schnelleren Rhythmus schlagen. Er nahm sich einen Moment um sich zu sammeln. Dann sah er Kylo an.
„Was geht in dir vor?" fragte Hux.

„Wie meinst du das?"

„Was ist geschehen? Halt mich nicht zum Narren, Kylo Ren. Ich fühle, dass sich etwas geändert hat in dir. Weiß der oberste Anführer davon?"

„Egal ob er es weiß oder nicht, du wirst es jedenfalls nicht erfahren, Hux."

Kylo Ren sprach seinen Namen mit der größtmöglichen Herablassung aus.

„Wie auch immer. Ich hoffe, du begibst dich nicht in große Schwierigkeiten."

„Im Gegenteil. Du hoffst ich begebe mich in große Schwierigkeiten. Aber du wirst nicht erfahren, um was es sich handelt. Deine Neugier wird nicht befriedigt werden." Er musterte Hux mit dem gleichgültigen Blick, den dieser so sehr hasste. Wut konnte er deutlich besser ertragen. „Nur so viel: Ich habe jemanden gefunden, der mir ebenbürtig ist. Jemanden, der sich mit mir verbünden wird."

„Du glaubst, dass sie zu dir kommt. Das Mädchen."

In Kylo Rens Blick zeigte sich echte Überraschung und Hux war selbst erstaunt darüber, dass er sich so sicher war, dass es sich dabei um die Lösung des Rätsels handelte. „Du glaubst sie wird sich auf deine Seite stellen, nicht wahr?"

„Wie kommst du darauf?"

„Intuition." Er ging ein paar Schritte auf Kylo Ren zu. „Du hingegen gibst dich einer Illusion hin, wenn du glaubst sie könnte sich je mit dir verbünden. Hast du vergessen, wer dir das gegeben hat?" Er wies auf Kylos Wunde.

Kylo hielt seinen Blick stand.

„Wie kommunizierst du mit ihr?" fragte Hux.

„Wir sind durch die Macht verbunden, Rey und ich."

„Durch die Macht."

Der Druide ließ von Rens Gesicht ab und er stand auf. „Es ist irrelevant, was du darüber denkst, Hux. Kümmere dich um die Verfolgung und Auslöschung der Rebellen. Das ist deine Aufgabe."

Ren verließ die Station und Hux blieb wie erstarrt auf seinem Platz stehen. In ihm wuchs eine so allumfassende Wut, dass es ihm für einen Augenblick schwerfiel zu atmen. Er konnte noch nicht einmal wirklich sagen, worauf sich diese Wut bezog. Darauf, dass Ren seine Selbstsicherheit zurückerlangt hatte? Dass er ihn zu einem Ausführer von Befehlen degradiert hatte? Oder darauf, dass es Ren nicht einmal für nötig ansah, ihn in seine Pläne einzuweihen?

Er fand sich in Snokes Thronsaal wieder, ohne dass er wirklich wusste, wie er dort hingelangt war. Er war noch immer rasend vor Wut, getrieben von dem Verlangen dem, wovon Ren ihm erzählt hatte ein Ende zu bereiten.

Mit brennendem Blick sah er zu Snokes Thron auf. Seine Fäuste öffneten und schlossen sich.
„Er steht in Verbindung mit dem Mädchen, Oberster Anführer." Seine Stimme klang mühsam beherrscht. „Er hat es selbst eingestanden."

„Und du glaubst tatsächlich, dass mir etwas so Fundamentales entgangen sein könnte?" Snokes entstellte Züge verzogen sich zu etwas, das vielleicht einmal ein ironisches Lächeln gewesen wäre.

„Natürlich nicht, Oberster Anführer", Hux senkte ein wenig den Kopf. „Aber wollen Sie diesem Treiben nicht Einhalt gebieten? Kylo Rens ist instabil genug. Braucht es wirklich noch jemanden auf der Seite des Lichts, der ihn beeinflusst?"

„Sie wird es nicht schaffen, ihn zu wenden."

„Können wir da sicher sein?"

Snoke beugte sich auf seinem Thron vor und Hux wich unwillkürlich einen Schritt zurück. „Du hast keine Angst davor, dass er sich wieder der hellen Seite zuwenden wird. Du hast Angst davor, dass er zu mächtig wird. Dass du überflüssig für ihn wirst."

„Ich ... nein." Hux schluckte. „Meine einzige Sorge gilt unserer gemeinsamen Mission, Oberster Anführer."

Snoke lehnte sich wieder zurück. „Alle Pläne kannst du getrost mir überlassen. Kümmere dich um dieses Schiff und den Angriff auf die Rebellen. Das ist deine Aufgabe." Er entließ Hux mit einer Handbewegung.

Seine Worte waren denen von Kylo Ren so ähnlich, dass Hux für einen Augenblick rotsah. Natürlich ließ er sich nichts anmerken, denn er wusste, dass jedes Widerwort dazu führen konnte, dass er wie eine Puppe durch den Raum flog und schmerzhaft mit einer Wand kollidierte. Man sollte denken, dass Jahre der Misshandlung dazu geführt hätten, dass er an die Demütigungen und Schmerzen gewöhnt war. Er konnte besser damit umgehen, sie eher über sich ergehen lassen, aber er scheute noch immer davor zurück, ließ sich dadurch einschüchtern.

„Wie sie wünschen, Oberster Anführer." Nach einer leichten Verbeugung verließ er den Thronsaal.

Seit Kylo Ren stärker wurde, sah der Oberste Anführer nur noch dessen Potential, dessen Stärke. Er selbst verblasste gegen den favorisierten Schüler seines Meisters. Und er verblasste auch für Kylo Ren. Hux schlug mit der Faust gegen die silbermetallische Verkleidung des Ganges, der zur Brücke führte und tadelte sich sofort selbst, wegen seiner Unbeherrschtheit. Er konnte es sich nicht leisten, die Kontrolle zu verlieren. Besonders jetzt nicht. Reuevoll rieb er seine schmerzenden Knöchel.

Er nahm seinen Posten auf der Brücke ein, ließ den Blick über die Monitore und dann zu dem Panoramalpaneel schweifen, das Ausblick auf die Raddus bot. Bald würde er sie zerschmettern können, diese letzten Aufständischen und mit ihnen ihre Pläne die Galaxis erneut ins Chaos zu stürzen, ihre Arroganz und die Macht, die sie immer noch über Kylo Ren hatten. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, aber in seinem Blick war ein gefährliches Leuchten, als er auf der Raddus ruhte. Dann konnte vielleicht eine Zukunft entstehen, in der Ordnung und Disziplin tatsächlich die höchsten Güter waren. Ein System, in dem er herrschen konnte, in dem es niemanden mehr gab, der ihn ungestraft misshandeln durfte.

Sein inneres Ungleichgewicht, seine Wut und Verwirrung und mit Sicherheit auch der Schlafmangel führten dazu, dass ihm ein winziges Detail in den technischen Logbüchern ihrer Schiffe entging, die er während Gefechten immer äußerst genau studierte. Eine winzige Unregelmäßigkeit, die das Schutzschild der Supremacy betraf und die in den darauffolgenden Stunden verheerende Auswirkungen haben sollte.

Wenn er im Nachhinein daran dachte, fühlte es sich an wie ein Alptraum, in dem es ihm zunächst gelang, die Kontrolle zu erlangen, nur damit ihm dann alles aus den Händen gleiten konnte, ohne dass er noch eine Chance hatte, es zu verhindern.

Er erinnerte sich nur dunkel an das Triumphgefühl, als Phasma ihm berichtete, dass sie einen kleinen Trupp von Rebellen aufgegriffen hatten, die ihren Hyperspace Tracker zerstört hatten. Es ließ ihn innerlich zu Eis gefrieren, dass es jemandem gelungen war, das Sicherheitssystem zu durchbrechen für das er verantwortlich war. Aber die Gefahr war noch einmal abgewendet worden, konnte sogar in einen wichtigen Erfolg umgewandelt werden. Sie schafften es von dem Codeknacker, den die Rebellen dabei hatten, die wichtige Information zu erkaufen, dass die Raddus bereits evakuiert wurde.

Hux erinnerte sich später an den Schwindel, der ihn bei dem Gedanken erfasst hatte, dass sie ihnen doch noch beinahe entkommen wären, dass sein großer Plan fast gescheitert wäre. Er erinnerte sich an seine Genugtuung, dass ausgerechnet der Verräter FN-2187 unter den Gefangenen war und er ihm persönlich seine Verachtung aussprechen konnte. Er sah mit Wohlbehagen zu, während die Evakuierungsflotte von seinen Zerstörern abgeschossen wurde und jeder Schuss brachte ihm seinem persönlichen Ziel näher. Selbst seine Erschöpfung fühlte er nicht mehr und die Wut auf Kylo Ren trat für den Moment in den Hintergrund.

Und dann geschah sein entscheidender Fehler, der beinahe alles zunichtemachte.
Er hatte nicht mit der Aufopferungsbereitschaft der Rebellen gerechnet und genau diesen Aspekt hätte er im Blick haben müssen. So gab er den Befehl, die Raddus nicht mehr zu beachten und ausschließlich auf die Evakuierungsschiffe zu schießen.
Eine Sekunde bevor die Raddus mit Lichtgeschwindigkeit in die Supremacy gesteuert wurde, wurde er sich der Gefahr bewusst aber da war es zu spät. Der Aufprall teilte das Schiff förmlich in zwei Hälften. Hux wurde durch das gewaltige Beben von den Füßen gerissen und rutschte hilflos über den Boden der Kommandobrücke, ehe er sich an einem der Kontrollpaneele festklammern konnte. Voller Entsetzen musste er auf einem der Bildschirme mit ansehen, wie das gesamte Frachtdeck in Flammen aufging, ehe das System versagte. Das Schiff war verloren.
Zitternd zog er sich hoch und ließ sich auf eine der Konsolen sinken. Er stützte die Stirn in die Hände und für ein paar Sekunden nahm er um sich herum nichts mehr wahr. Die Schreie der Besatzung, die versuchte, sich in Sicherheit zu bringen, als klar war, dass das Schiff flugunfähig war, das durcheinander Laufen der Sturmtruppen, das allgemeine Chaos.

Das hier war sein Ende.

Er würde ohne seine Uniform und ohne seinen Titel zu einem Nichts werden. Zum Sohn einer Küchenmagd. Dünn wie ein Blatt Papier und genauso nutzlos, wie sein eigener Vater es ausgedrückt hatte. Und deswegen klammerte er sich an dieser Position fest, deswegen versuchte er in Snokes Ansehen aufzusteigen. Aber diesen Fehler würde Snoke ihm nicht nachsehen. Er würde ihn vernichten.

Nach wenigen Augenblicken erhob er sich wie eine Marionette von seinem Platz. Selbst jetzt gab es für ihn keine andere Option als zu Snoke zu gehen, ihm alles zu berichten und seine nächsten Befehle zu befolgen. Auch wenn er wusste, dass es tatsächlich seinen Tod bedeuten konnte.

Mit dem, was ihn im Thronsaal erwartete, hätte er jedoch niemals gerechnet. Vollkommen fassungslos sah er auf den Leichnam des Obersten Anführers hinab, der in zwei Hälften geteilt vor ihm lag. Jegliche Würde, alles Angsteinflößende war seiner Gestalt genommen und er sah nur noch einen völlig zerstörten Körper, der sein Ende gefunden hatte. Er wusste nicht, was er empfand, aber irgendetwas in seinem Innern löste sich bei dem Anblick, ließ ihn sich etwas mehr aufrichten.

Langsam drehte er sich um und sah zu Kylo Ren, der besinnungslos auf dem Boden des Thronsaals lag. Er wusste, dass er noch am Leben war, da er das leise Vibrieren seiner Macht spürte. Und er wusste, dass das hier die Gelegenheit war, es zu beenden. Hier und jetzt konnte er die Führung der Ersten Ordnung an sich nehmen, wenn er ...

Langsam näherte sich seine Hand seinem Blaster. Zu langsam. Kylo Ren bewegte sich und Hux zog die Hand zurück, verbarg die Waffe wieder unter seinem Mantel. Ren schlug die Augen auf und war sofort auf den Beinen.

„Was ist hier passiert?" fragte Hux schneidend.

„Das Mädchen. Rey. Sie hat Snoke getötet und ist mit seinem Rettungs TIE Fighter entkommen."

Hux ließ seinen Blick über den Anblick schweifen, der sich ihm bot. „Sie hat alleine Snoke und die praetorianische Garde besiegt und dich besinnungslos geschlagen."

„Zweifelst du an meinen Worten?"

„Natürlich nicht." Hux wusste, dass Ren nicht die Wahrheit sagte, konnte sich aber auch nicht wirklich einen Reim darauf machen, was tatsächlich vor sich gegangen war. Sein Gefühl sagte ihm, dass Ren Snoke getötet hatte. Hatte er die Seiten gewechselt? Warum war er dann noch hier? Er versuchte in Rens Gesicht zu lesen, aber da sah er nur Hass und Rachedurst.

„Befiehl deinen Truppen, die Rebellen auf Crate anzugreifen. Allen Truppen."

Jetzt flammte auch Hux' Wut in ihm auf. Die Wut über Rens Arroganz, die Selbstverständlichkeit, mit der er sich über Hux stellte. Er bereute, dass er ihn nicht sofort getötet hatte. Warum hatte er gezögert? Warum war das nicht seine erste Handlung gewesen als er den Raum betreten hatte, anstatt sich in Gedanken über Snokes Schicksal zu verlieren?

„Wer gibt dir das Recht meine Truppen zu befehligen? Der Oberste Anführer ist tot."

Im nächsten Moment bereute er seine Worte, als sein Hals zusammengepresst und ihm die Luft zum Atmen genommen wurde. Es fühlte sich nicht an wie eine Hand, die sich um seinen Hals legte, sondern wie eine Kraft, die seine Atemwege von innen zusammenzog und ihn zu ersticken drohte. Es war lange her, dass er Kylos Macht am eigenen Körper gespürt hatte und soweit er sich erinnern konnte, hatte er sie bei ihm noch nie so derart drastisch angewandt. Wie hatte er vergessen können, mit wem er es zu tun hatte, welche rohe Kraft in Kylo steckte?

„Der Oberste Anführer ist tot..." begann Kylo Ren.

„Lang lebe der Oberste Anführer", brachte Hux erstickt hervor. Im nächsten Moment konnte er wieder frei atmen. Dankbar sog er den Sauerstoff in seine Lungen und versuchte trotz seiner zitternden Knie stehen zu bleiben. Er würde sich nicht wieder so offen gegen Ren auflehnen.

Dann kam Ren auf ihn zu, blieb direkt vor ihm stehen und betrachtete ihn prüfend. „Zwing mich nicht mehr so etwas zu tun."

„Ja, Oberster Anführer."

Ren drehte sich von ihm weg und Hux schloss die Augen, erlaubte sich, eine Hand an seinen Hals zu legen. Ren hatte sich über ihn erhoben und damit war das eingetreten, was er immer befürchtet hatte.

Auf der anderen Seite glaubte er nicht, dass dieser ihn für das Ende der Supremacy zur Verantwortung ziehen würde, so wie Snoke es getan hätte. Kylo brauchte ihn. Er war ein Kämpfer, vielleicht auch ein Anführer und er war mächtig. Aber er war kein Stratege und Hux konnte sich nicht vorstellen, dass er die Bedürfnisse und Anforderungen einer Armee, geschweige denn einer ganzen Flotte im Blick haben würde. Hux' bisherige Position war weniger gefährdet als sie es unter Snoke gewesen wäre.

„Kommst du?" fragte Ren und drehte sich am Ausgang des Thronsaales zu ihm um. „Wir müssen dieses Schiff evakuieren."

Fear of the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt