Auch wenn Hux gerade erfahren hatte, dass sein eigenes Leben in großer Gefahr war, konnte er sich auf nichts anderes konzentrieren als auf das, was Kylos Kuss in ihm ausgelöst hatte. Er war vollkommen überwältigt. Sein Herz schlug schnell wie er es sonst nur kannte, wenn er Angst hatte. Aber er hatte keine Angst. Stattdessen fühlte es sich an, als würde etwas Wundervolles in seinem Inneren immer größer werden. Besser konnte er es nicht beschreiben.
„Was war das?" Seine Stimme klang schwach, aber er war noch immer zu verwirrt um darüber auch nur nachzudenken. „Hat das etwas mit der Macht zu tun?"
„Nein Hux." Auf Rens Gesicht erschien der Anflug eines Lächelns. Das allererste Mal, dass Hux so etwas bei ihm sah. „Das hat nichts mit der Macht zu tun." Er runzelte die Stirn. „Oder vielleicht doch. Auf eine andere Art."
„Können wir es nochmal tun?" Es war ihm unangenehm die Frage zu stellen, aber er konnte nicht anders. Die Gefühle, die der Kuss in ihm auslöste, waren einfach zu stark, zu überwältigend und er wollte wissen, ob es wieder so sein würde.
„Ja. Aber zunächst müssen wir überlegen, wie es weitergehen soll."
„Ja. Du hast Recht." Hux richtete sich etwas auf, versuchte sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden, die Kontrolle über sich zurückzuerlangen.
„Jetzt von hier zu verschwinden würde dich in Gefahr bringen. Die Spritzen schränken dich zu sehr ein und du bist noch nicht vollkommen geheilt. Du brauchst zumindest noch zwei Zyklen Erholung, bevor wir von hier fliehen können."
„Fliehen?" Hux hatte das Gefühl, dass Ren mindestens drei Kapitel weiter war als er selber, oder ein vollkommen anderes Buch las. „Was meinst du damit?"
„Dass du auf der Finalizer nicht mehr sicher bist, sobald sie begreifen, dass ich dich nicht töten werde. Also werden wir dieses Schiff und die Erste Ordnung verlassen."
„Du bist der Oberste Anführer, Ren." Hux war fassungslos. „Du kannst nicht desertieren."
„Hast du nicht verstanden was die Alternative ist? Du würdest sterben. Durch meine Hand oder durch die Hand der Ritter."
Der Gedanke, dass Ren vorhatte, die Erste Ordnung zu verlassen, seinen Titel aufzugeben, um ihm das Leben zu retten schaffte es nicht, in Hux' Gedanken wirklich Gestalt anzunehmen. Er war zu absurd, zu abwegig. Er war nichts, zumindest von einem menschlichen Standpunkt aus betrachtet. Er war ein guter Stratege, jemand der Pläne schmieden konnte, aber das war alles. Ganz sicher konnte Ren nicht glauben, dass er es Wert war, alles aufzugeben.
Er schüttelte den Kopf. „Das kannst du nicht ernst meinen Ren."
„Ruh dich jetzt aus." Ren erhob sich und sah beinahe grimmig auf ihn herab. „Du wirst deine Kräfte brauchen."
Hux hatte den Impuls ihn zu fragen, ob er bei ihm bleiben würde, denn der Gedanke, dass Ren gehen würde war mehr als unangenehm. Schon immer war es ihm aus irgendeinem Grund lieber gewesen in Rens Nähe zu sein, so eifersüchtig er auch auf ihn gewesen war, so sehr er auch versucht hatte, ihn auszustechen. Jetzt jedoch hatte sich das Gefühl um ein Vielfaches verstärkt. Was wenn er erwachte und feststellte, dass doch alles nur ein Traum war? Oder dass Ren ohne ihn gegangen war.
Natürlich stellte er die Frage nicht. Auch jetzt noch hatte er die größte Abneigung dagegen, Schwäche zu zeigen, vor allem vor Kylo Ren. Der kurze Moment, in dem er sich selbst fast vollkommen verloren hatte war vorüber. Zumindest hoffte er das.
„Was wirst du tun?"
„Ich bereite alles vor. Ich plane seit vielen Zyklen für diesen Moment. Mach dir also keine Sorgen, ich bin nicht vollkommen unvorbereitet."
„Soll ich dir nicht dabei helfen? Ich könnte..."
„Hux, du warst schwer verletzt." Ren sah beinahe wütend auf ihn herab. „Es war meine Schuld. Ich hätte wissen müssen, dass dich das Verlassen des Schiffs in große Gefahr bringt, auch wenn es dieses Mal der Rat war, durch den das geschehen ist. Ich hätte das voraussehen müssen. Auch was sie von dir verlangt haben."
„Es war nicht deine Schuld."
„Auch unsere Flucht ist dadurch gefährdet. Du bist so geschwächt, dass du noch mehrere Zyklen auf der Krankenstation bleiben müsstest."
„Ich fühle mich gut. Aber du solltest darüber nachdenken ob es nicht noch einen anderen Weg gibt. Die Erste Ordnung..."
„Die Erste Ordnung ist für mich gestorben." Rens Stimme klang hart aber im nächsten Moment streckte er die Hand aus um eine Haarsträhne aus Hux' Gesicht zu streichen. Der Ausdruck in seinem Gesicht änderte sich und da war wieder diese Spur von Sorge und ... war es Unsicherheit? „Du kommst doch mit mir, nicht wahr?"
„Ja." Hux war selbst erstaunt darüber, wie schnell seine Antwort kam, wie bereit er war, alles aufzugeben, wofür er sein ganzes Leben lang gearbeitet hatte. Aber all das fühlte sich jetzt leer und bedeutungslos an. Er hatte immer gekämpft und für was? Sein Vater, den er hatte beeindrucken wollen hatte nichts als Hass für ihn übriggehabt. Snoke, dem er gedient hatte nichts als Verachtung. Phasma, den einzigen Menschen, der ihm gegenüber loyal gewesen war hatte er verloren. Die Erste Ordnung verlangte, dass er Ren tötete und damit einen Dolch in sein eigenes Herz rammte. Und was mehr wog als alles andere war, dass er den Gedanken nicht ertragen konnte, nicht bei Ren zu sein. „Ich komme mit dir."
Bisher konnte er noch nicht weiterdenken als dass Ren und er gemeinsam der Ersten Ordnung den Rücken kehrten. Als mehr konnte er ihre Flucht noch nicht ansehen, sonst wäre er zu sehr überwältigt gewesen.
Er war sich sicher gewesen, dass er zu aufgewühlt war, um schlafen zu können. Aber offenbar schätzte Ren seinen Zustand richtig ein und er war noch sehr geschwächt. Denn noch während er sich in sein Kissen zurücksinken ließ, schlief er bereits ein.
Dieses Mal wurde er aus dem Schlaf gerissen, weil jemand ihn an der Schulter berührte. Im ersten Augenblick überfiel ihn Panik und er versuchte sich zu wehren.
„Ich bin es", sagte Ren und Hux hielt inne. „Es tut mir leid, dass ich dich wecken muss, aber wir müssen jetzt verschwinden. Sie wollen nicht mehr warten und werden das Schiff bald erreicht haben. Ich habe versucht sie hinzuhalten, aber ich glaube, sie haben bereits begriffen, dass ich dich nicht töten werde."
„Die Ritter?" Hux gefiel es nicht, wie schwach seine Stimme klang.
„Ja. Und sie werden sich nicht mehr mit Diskussionen aufhalten lassen. Wir müssen verschwinden."
Er reichte Hux Kleidung, die er offenbar aus seinem Quartier geholt hatte. Nicht seine Uniform, sondern die etwas bequemeren Sachen, die er allerdings fast nie trug. Ren half ihm dabei, sich anzuziehen und Hux war noch zu benommen, als dass er davon unangenehm berührt gewesen wäre. Bereits beim ersten Schritt taumelte er und Ren hob ihn kurzentschlossen hoch.
„Was machst du?" fragte Hux, während er instinktiv die Arme um Rens Hals schlang.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich habe dafür gesorgt, dass uns niemand begegnen wird."
Sie verließen die Krankenstation. Hux gefiel es nicht, wie schwach er sich fühlte, und auch nicht, dass Ren ihn trug. Allerdings war er sich auch nicht sicher, ob er seinen eigenen Beinen trauen konnte.
„Wohin bringst du mich?" fragte er.
„Zunächst in einen Shuttle. Das ist weniger auffällig als mein Y-Wing. Und dann an einen Ort an dem du dich hoffentlich eine Weile erholen kannst."
„Weiß irgendjemand an Bord der Finalizer darüber Bescheid, dass wir verschwinden?"
„Natürlich nicht."
„Ren."
„Was? Wir schulden ihnen nichts."
Hux schwieg aber der Gedanke die Erste Ordnung und damit alles, was er von Kindheit an kannte zurückzulassen kam ihm ungeheuerlich vor. Trotzdem war da kein Zweifel in ihm, dass er Ren folgen würde. Was das anging war er sich selten in seinem Leben so sicher gewesen. Er fragte sich, wie sich dieser Schritt für Ren anfühlte. Aber Ren hatte bereits einmal alles was er kannte aufgegeben. Vielleicht war ein solcher Schritt beim zweiten Mal einfacher.
Getragen zu werden war seltsam und ungewohnt, aber Ren hielt ihn so sicher, dass es ihn weniger störte, als er angenommen hatte. Es machte es ihm leichter, diese Flucht einfach geschehen zu lassen und nicht darüber nachzudenken. Nach einer Weile lehnte er seinen Kopf sogar an Rens Schulter und schloss die Augen. Beinahe fand er es jetzt angenehm.
Sie begegneten niemandem auf dem Weg zum Hangardeck und Hux nahm an, dass Ren die Macht benutzte, um ihren Weg frei zu halten. Auch auf dem Hangardeck war auffällig wenig Betrieb. Ren ließ ihn sanft zu Boden gleiten, nachdem sie es betreten hatten, ließ ihn aber nicht los. Hux war überrascht darüber, wie schwach er sich auf den Beinen fühlte und wie schwindelig ihm sofort wurde. Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, war aber froh über Rens Arm, der ihn stützte.
„Denkst du, du schaffst es bis zum Shuttle?" fragte Ren. „Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass wir gesehen werden. Und so würden wir weniger Aufsehen erregen."
Hux merkte erstaunt, dass sich bei dem Gedanken tatsächlich seine Mundwinkel ein wenig hoben. Es hätte vermutlich tatsächlich für Gesprächsstoff gesorgt, wenn einer der Sturmtruppler beobachtet hätte, wie der Oberste Anführer seinen General in einen Shuttle trug.
„Natürlich", sagte er, hoffte allerdings gleich darauf, dass er sich nicht überschätzt hatte. Seine Rippen schmerzten und der Schwindel wurde stärker. Ren blieb dicht neben ihm und im nächsten Moment fühlte er sich auch wieder eingehüllt von der angenehmen Wärme und es fiel ihm leichter, aufrecht zu gehen.
„Danke", flüsterte er.
Trotz Ren's Hilfe war Hux froh, als er sich in den Sitz des Co-Piloten sinken lassen konnte. Er sah auf Ren's Hände als dieser mit wenigen sicheren Bewegungen das Shuttle startete und konnte noch immer nicht fassen, dass sie gerade dabei waren, gemeinsam zu desertieren. In seinen wildesten Träumen hätte er sich das niemals ausmalen können, selbst wenn er sich diese erlaubt hätte.
„Kannst du mir nicht etwas genauer sagen wohin wir fliegen?" fragte er.
„Zunächst zu einem geheimen Unterschlupf", sagte Ren, den Blick starr nach vorne gerichtet. „Und von dort aus werden wir weitersehen."
Die Aussage war äußerst vage, aber Hux hatte mit nichts anderem gerechnet. Natürlich gab es keinen Ort mehr für sie, nachdem sowohl die Rebellen als auch die Erste Ordnung ihre Feinde waren. Die Erste Ordnung würde alles daransetzen, sie zu finden und hinzurichten und sie hatten die Mittel dazu. Und Kylo empfand die Ritter von Ren sogar als noch größere Bedrohung. Gerade Ren konnte sich vor ihnen nicht verstecken, da sie die Möglichkeit hatten, die Macht zu benutzen. Vielleicht konnte Ren sich für eine kurze Zeit vor ihren Blicken verbergen, aber sicher nicht für lange.
Nein, das hier war nicht wirklich eine Flucht. Ren erkaufte ihnen ein paar Zyklen, vielleicht auch nur wenige Stunden, die sie gemeinsam verbringen konnten. Das war alles worauf Hux zu hoffen wagte. Danach würde sein Leben auf die ein oder andere Weise beendet werden. Dessen war er sich sicher. Und dennoch fühlte er eine innere Ruhe, die er nie zuvor gekannt hatte. Ren war an seiner Seite. Ein Mensch, dem er etwas bedeutete, für den er nicht Nichts war. Das war mehr als er jemals zu hoffen gewagt hatte.
„In Ordnung", sagte er und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Er sah hinaus zu den Sternen und zum ersten Mal begriff er, was Ren an diesem Anblick liebte.
Es war als könne er die Unendlichkeit in seinem eigenen Innern spüren.
*
Er vermutete, dass er für ein paar weitere Stunden geschlafen hatte, auch wenn sich an dem Anblick als er die Augen öffnete nichts geändert hatte. Und auch Ren war noch immer neben ihm. Konnte man in einem Traum einschlafen und erwachen und trotzdem weiter träumen? Über ihm lag eine dünne Decke, die nur Ren dort platziert haben konnte. Aber nach allem was geschehen war, kam ihm das nicht mehr so undenkbar vor.
„Wir haben sie vorerst abgehängt", sagte Ren ruhig. „Möchtest du etwas essen oder trinken? Wir haben genug Vorräte. Im hinteren Teil des Shuttles.
Ren steuerte den Shuttle sehr ruhig, aber Hux stützte sich trotzdem an der Durastahlwand ab auf den Weg in den hinteren Teil des Schiffs. Er war erstaunt darüber, wie viele Kisten mit Vorräten und Ausrüstung er dort hinten fand. Sie waren ordentlich sortiert in Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und Kleidung und eine komplette Kiste war mit seiner eigenen Kleidung gefüllt. Sogar zwei Paar Stiefel waren dabei. Er hob eins davon hoch.
„Ich bin nicht in dein Quartier eingebrochen, falls du das denkst", sagte Ren. „Ich habe die Sachen nach der Wäsche oder Reinigung mitgenommen."
Darüber hatte sich Hux in diesem Moment allerdings keine Gedanken gemacht. „Wie lange planst du diese Flucht schon?" fragte er.
„Ich habe schon nach Snokes Tod angefangen darüber nachzudenken. Und nachdem die Ritter von Ren mir mitgeteilt haben, was sie von mir erwarten, bin ich in meinem Entschluss immer sicherer geworden."
Hux hätte gerne gefragt, ob Ren ebenso lange plante, ihn auf dieser Flucht mitzunehmen. Alle Zeichen sprachen dafür. Vor allem, dass Ren all dies auf sich nahm um seinen Tod zu verhindern.
Auch die Sachen, die Ren für ihn mitgenommen hatte, waren nicht seine Uniformen, die er immer trug, sobald er sein Quartier verließ, sondern die bequemeren Hosen und weicheren Oberteile, die er bevorzugte, wenn er alleine war und keinen Besuch erwartete. Er überlegte sich, ob ihm seine Uniform lieber gewesen wäre, beschloss dann aber, dass es besser so war. Er hatte die Erste Ordnung hinter sich gelassen, so ungeheuerlich das schien. Es gab keinen Grund mehr, ihre Uniform zu tragen.
Mit zwei Proteinriegeln und einer Flasche mit angereichertem Wasser ließ er sich wieder in den Sitz neben Ren sinken.
„Kannst du mir sagen, was unser nächstes Ziel ist?" Er hielt Ren einen der Riegel hin.
„Ein fast unbekannter Planet, nahe dem äußeren Rand", sagte Ren. „Derjenige, von dem ich die Koordinaten habe nennt ihn Jarras."
„Und du kannst mir nicht sagen, wer das ist?"
„Noch nicht." Ren blickte ihn beinahe entschuldigend an, aber Hux war es erstaunlich gleichgültig. Er fühlte sich sowieso als sei er in einer Art Niemandsland, in der seine Vergangenheit nicht zählte und seine Zukunft vollkommen ungewiss war. Er wünschte allerdings zwischen ihm und Ren müsste es keine Geheimnisse mehr geben.
„Es gibt etwas, das ich dir noch nie erzählt habe", begann er. „Oder es gibt sehr viel, aber diese eine Sache ist wichtig."
„Was ist es?" Ren warf ihm einen forschenden Seitenblick zu.
Hux' Hand schloss sich etwas fester um die Wasserflasche. „Es ist meine Schuld, dass die Supremacy zerstört wurde. Ich habe nicht vorausgesehen, dass noch jemand an Bord der Raddus sein und sie in unser Schiff steuern könnte."
„Wenn du es nicht vorausgesehen hast, dann war es nicht vorauszusehen", sagte Ren. „Außerdem macht das jetzt keinen Unterschied mehr." Er berührte kurz Hux' Knie. „Denkst du wirklich es interessiert mich jetzt noch, welche Fehler du vielleicht begangen hast?"
Hux fühlte, wie sich etwas in seinem Inneren löste. So als habe er durch Rens Worte Absolution erhalten für so vieles, das auf ihm wog wie Felsgestein. Vielleicht konnte er all das wirklich noch einmal hinter sich lassen und für die kurze Zeit, die ihnen noch blieb ein Mensch sein, der nicht von seinem eigenen dunklen Ehrgeiz erdrückt wurde.
„Du solltest etwas essen", sagte Ren. Er nahm ihm den Proteinriegel aus der Hand und packte ihn aus, bevor er ihn zurückgab. „Mehr als das hier, wenn es geht."
Aber Hux schaffte es kaum, den Riegel hinunter zu bekommen, bevor ihm wieder die Augen zufielen.
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Fear of the Dark
FanfictionNachdem General Hux auf Snokes Auftrag hin Kylo Ren von der Starkiller Base rettet, spürt Hux, dass seine Beziehung zu Kylo Ren sich auf verwirrende Art verändert. Das und auch die Tatsache, dass Ren zahlreiche Geheimnisse vor ihm zu haben scheint...