Heilung

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ls Hux kurze Zeit später wieder in seinem Sitz im Shuttle neben Lieutenant Jaron Platz nahm, war er noch immer nicht sicher, wie er sich fühlte. Anbars Worte verfolgten ihn, aber er wusste nicht, was er davon halten sollte.

„Ich dachte es würde länger dauern." sagte Jaron, während sie den TIE Fighter startete. „War es eine anstrengende Verhandlung?"

„Ja", sagte Hux und war froh, als sie daraufhin schwiegen und er seinen Überlegungen nachgehen konnte. Warum war der Gedanke, Kylo Ren aus dem Weg zu räumen plötzlich nicht mehr verlockend? Was hatte sich geändert?

Er sagte sich, dass es lediglich die Aussichtslosigkeit war, die ihn davor zurückschrecken ließ. Das hatte ihn jedoch früher nicht davon abgehalten, Pläne zu schmieden, wie er Ren dennoch ein für alle Mal loswerden konnte. Jetzt, da dessen Zustand manchmal regelrecht an Wahnsinn grenzte, war es vermutlich sogar einfacher, einen Weg zu finden. Ren war durch den Tumult in seinem Innern mit Sicherheit nicht in der Lage, alles vorherzusehen, was um ihn herum geschah und außerdem hatte Hux das seltsame aber sichere Gefühl, dass Ren ihm vertraute. Vielleicht nicht mit seinem Leben, aber zumindest so weit, dass er sich sicher fühlte, mit ihm zusammen zu arbeiten und sich ihm sogar zu öffnen.

Vielleicht war es genau das. In seinem ganzen Leben hatte ihn noch nie jemand als einen Vertrauten gesehen. Selbst seine Beziehung zu Phasma, die das näheste an einer Freundschaft war, das er je gehabt hatte, hatte ihre klaren Grenzen gehabt. Und sie hätte ihm nicht ihre Geheimnisse anvertraut. Menschen hatten ihn als einen wertvollen Verbündeten gesehen, einen fähigen Untergebenen, ja. Aber Ren sah etwas anderes in ihm und es gefiel ihm.

Er sagte sich, dass es lächerlich war, solchen Sentimentalitäten nachzugeben, unsinnig und gefährlich. Er hatte immer ein klares Ziel vor Augen gehabt und nichts und niemand hatte ihn davon abbringen können. Der Oberste Anführer zu werden war sein großer, einzigartiger Traum, seit er verstanden hatte, dass er selbst bestimmen konnte, ob er ein getretener Wurm oder ein angesehener Kommandant war. Ganz sicher würde er sich davon nicht abbringen lassen oder es auch nur infrage stellen, weil Kylo Ren ihm anvertraute, dass er noch immer seinen Vater hörte. Er stand weit über solchen menschlichen Schwächen. Unwillkürlich richtete er sich in seinem Sitz auf. Anbar und die Anderen hatten vollkommen recht. Die Erste Ordnung konnte jetzt niemanden wie Kylo Ren gebrauchen, der das Chaos in sich trug, während sie dabei waren, der Galaxis ein neues funktionierendes System zu geben. Er selbst war der richtige Mann dafür und wenn das bedeutete, dass Kylo Ren sterben musste, dann würde genau das passieren.

Er sah Rens große dunkle Gestalt stand auf der Reling des Hangardecks als sie durch das Portal flogen. Hux fragte sich, ob er auf sie gewartet hatte. Es musste so sein, denn sobald Jaron ihr Schiff gelandet hatte, kam er auf sie zu. Vielleicht hatte er doch noch ein Interesse an ihrer finanziellen Lage entwickelt. Hux beeilte sich alle Gedanken an einen Verrat in die hintersten Regionen seines Geistes zu verbannen.

„Irgendwelche Komplikationen?" wandte Ren sich an die Pilotin. „Angriffe?"

„Nein Oberster Anführer. Keinerlei Vorfälle."

„Gut."

„General Hux, ich erwarte sie in Kürze auf der Brücke für ihren Bericht."

„Ganz wie sie wünschen, Oberster Anführer."

Hux sah Ren nach und fragte sich, ob es tatsächlich sein konnte, dass Ren sich Sorgen gemacht hatte. Warum hatte er sich nach Angriffen erkundigt? Glaubte er tatsächlich, dass die Rebellen sie hier aufspüren konnten?

*

Hux hatte nicht erwartet, dass ihn die Unterredung mit ihren Geldgebern so sehr aufwühlen würde. Er hatte gewusst, dass es kein leichtes Unterfangen werden würde, sie davon zu überzeugen, ihre Sache weiter zu unterstützen. So etwas brachte ihn normalerweise nicht aus dem Gleichgewicht. Er war schließlich bekannt dafür, dass er auch unter größtem Druck seine Fassung bewahrte. Und die Entscheidung, die ihm abverlangt wurde, war keine, die ihm in irgendeiner Form schwerfallen sollte. Es war keineswegs gesagt, dass er das Attentat alleine durchführen musste. Mit seiner Hilfe konnten mit Sicherheit Wege gefunden werden, um selbst Kylo Ren beiseite zu schaffen. Er kannte seine Schwachpunkte, wusste wie er ihn dazu bringen konnte, dass der seidene Faden riss an dem sein Verstand zurzeit hing. Ren war vielleicht noch nie so verwundbar gewesen, wie jetzt und es war schon immer Hux' Art gewesen, so etwas für sich auszunutzen.

Es gab also wirklich keinen Grund dafür, nachts schweißgebadet und schwer atmend aufzuwachen, von einem Traum in dem er Ren ein Messer in den Rücken gerammt hatte. „Licht auf 50 Prozent", befahl er mit heiserer Stimme und noch während er sich benommen im Bett aufrichtete sagte er sich, dass es nur an seiner generellen Anspannung lag unter der er zurzeit stand. So vieles lastete auf seinen Schultern, seitdem er und Ren zu zweit die Erste Ordnung befehligten. Die Suche nach der neuen Basis der Rebellen war bisher vollkommen im Sande verlaufen, überall in der Galaxis gab es kleinere Aufstände, denen sie sofort Einhalt gebieten mussten und selbst sein Vertrauen in seine Sturmtruppen war nach dem Verrat von FN-2187 erschüttert.

Er setzte sich an den Rand des Bettes und vergrub sein Gesicht in den Händen. Seine Schulter, die er noch immer nicht hatte versorgen lassen, pochte schmerzhaft. Es nützte nichts es zu leugnen. Er war innerlich erschüttert über den Verrat, den er selbst im Schlaf begangen hatte. Kylo Ren zu töten wäre bei weitem nicht die erste verwerfliche Handlung die er beging, um weiter nach oben zu steigen. Aber nichts von dem, was er zuvor getan hatte, kam ihm so falsch, so widerwärtig vor. Er zitterte beinahe vor Selbstekel.

Nach und nach begriff er, dass er es nicht tun konnte. Er konnte ihnen noch nicht einmal dabei helfen, auch wenn er sich selbst nicht mehr verstand.

Aber was, wenn sie nicht auf ihn warteten?

Der Gedanke kam ihm zum ersten Mal und er richtete sich auf. Ihre Schutzschilde waren bereits einmal durchbrochen worden, sie hatten bereits einen Verräter unter sich gehabt und mehrere Eindringlinge, selbst auf der angeblich uneinnehmbaren Starkiller Base. Was, wenn der Rat gar nicht auf seine Entscheidung wartete, sondern dem Obersten Anführer, der nicht in ihr Bild passte, einfach ein Ende bereiteten?

Hux war in zwei Schritten bei seinem Kommunikator. Kylo Ren hatte mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Ruhezyklus. Sie beide hatten nur noch sehr wenige davon und fast nie gleichzeitig. Er musste mit ihm sprechen.
„Ren?"

„General Hux?" reagierte Ren fast sofort. „Ist etwas nicht in Ordnung?"

Hux zögerte einen Moment. Ihm wurde erst jetzt bewusst, wie absolut absurd es klingen würde, Ren zu sagen, dass er einen Alptraum gehabt hatte und sich deswegen vergewissern wollte, dass mit ihm alles in Ordnung war. Er räusperte sich. „Alles in Ordnung. Ich wollte nur sicher gehen, dass du mich nicht brauchst."

„Es ist alles ruhig. Keine Neuigkeiten. Du solltest schlafen. Du wirst deine Kräfte benötigen."
Selbst durch den Kommunikator konnte Hux hören, dass Ren niedergeschlagen klang.

„Bist du auf der Brücke?"

Ren zögerte. „Nein. Auf dem Aussichtsdeck."

„Ich bin in wenigen Minuten dort."

Das Aussichtsdeck lag direkt über der Brücke und auch hier befand sich ein großes Panoramapaneel. Hux war nicht klar gewesen, wie sehr Ren es offenbar mochte, in den Weltraum hinaus zu sehen und er war sich nicht sicher, ob das für seinen ohnehin schon unruhigen und erratischen Geist das Beste war.

Ren war nicht alleine. Neben ihm stand Captain Peavey, ungefähr die letzte Person, die Hux jetzt sehen wollte. Es wirkte fast so, als seien er und Ren in ein Gespräch vertieft gewesen und Hux ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Was hatte dieser Emporkömmling hier zu suchen und warum hörte Ren ihm zu?

Ren wandte sich zu Hux um. Mit den Worten „Sie kennen meine Befehle, Captain", entließ er Peavey.

„Sehr wohl, Oberster Anführer." Peavey deutete eine Verbeugung an, die Hux wie reine Heuchelei vorkam. Er trat nicht zur Seite, als der Andere die Brücke verließ und da Peavey ebenfalls nicht auswich, stießen sie leicht gegeneinander. Hux bereute seine Entscheidung sofort, als ein scharfer Schmerz durch seine Schulter zuckte, der ihn fast in die Knie gehen ließ.

Er war froh, dass Peavey sich nicht mehr zu ihm umdrehte, aber Ren betrachtete ihn mit einer Mischung aus Interesse und fast so etwas wie Mitgefühl.

„Du warst also noch immer nicht auf der Krankenstation."

„Ich hatte keine Zeit", brachte Hux hervor. Er wusste, dass er vermutlich kreideweiß im Gesicht war und er hätte sich gerne gesetzt, versuchte aber seine Haltung zu wahren. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass er seine Hand schützend auf die Schulter legte. Der Schmerz strahlte in seine gesamte rechte Seite aus.

Ren kam auf ihn zu, blieb direkt vor ihm stehen. Hux war es gewohnt, ihm so nahe zu sein, denn Ren nutzte seine imposante Gestalt gerne, um Andere einzuschüchtern. Hux bemühte sich immer darum, zu zeigen, dass es Ren bei ihm nicht gelang und auch jetzt wich er seinem Blick nicht aus.

Kylo sprach nicht, streckte jedoch seine Hand aus und legte sie auf Hux' Schulter. Der zuckte zurück und versuchte Rens Hand zur Seite zu schieben, was ihm natürlich nicht gelang. Ganz automatisch stellte sich sein Körper auf den Schmerz ein, den er seit jeher mit Berührung verband und es verwirrte ihn, als er nicht kam.

Stattdessen breitete sich ein angenehm warmes und prickelndes Gefühl in seiner Schulter aus, das mit nichts zu vergleichen war, das er bisher gespürt hatte. Am ehesten ähnelte es vielleicht einer warmen Dusche, aber auch der Vergleich war weit hergeholt, weil dieses Gefühl von innen kam und sich unsagbar viel besser anfühlte. Unwillkürlich schloss er die Augen, presste die Lippen zusammen und hoffte, dass es andauern würde, auch wenn es ihm gleichzeitig Angst machte. Er fühlte, wie sein gesamter Körper sich entspannte und der pochende Schmerz nachließ, so als habe er ein starkes Sedativum erhalten.

Ren ließ von ihm ab und trat zurück und Hux ertappte sich bei dem Gedanken, dass er seine Berührung zurücksehnte. Er sich fragte sich, wie sie sich angefühlt hätte, wenn Ren keine Handschuhe und er selbst keine Uniform trüge. Wäre das Gefühl dann noch stärker gewesen?
Er öffnete die Augen und tastete prüfend über seine Schulter, hob seinen Arm, was ihm nur noch unter Schmerzen möglich gewesen war. Nichts. Es fühlte sich nicht einmal mehr unangenehm an.

„Ich wusste nicht, dass du auch über so eine Macht verfügst", sagte er.

Ren schüttelte den Kopf. „Es gibt nur eine Macht und sie ist in allem. In mir und auch in dir. Alles was ich tun kann ist sie für meine Zwecke zu lenken."

Hux hatte die Macht bis vor kurzem nur als zerstörerisch kennen gelernt. Weder Snoke noch Kylo Ren hatten sie je benutzt außer um ihn zu unterdrücken und ihm Schmerzen zuzufügen und er wusste nicht, was es bedeuten sollte, dass Ren sie ihn seit Neuestem auch auf ganz andere Art spüren ließ.

„Geht es deiner Schulter besser?" fragte Ren, wandte sich aber bereits ab als brauche er nicht wirklich eine Antwort.

„Ja." Hux trat neben ihn. Er zögerte einen Augenblick. „Es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen muss."

„Das habe ich schon gedacht, nachdem du deinen Ruhezyklus nach der Hälfte unterbrochen hast. Was ist es?"

„Der Besuch auf Felucia hat gezeigt, dass nicht jeder mit der neuen Ordnung einverstanden ist. Es werden dich vielleicht nicht alle als Obersten Anführer akzeptieren."

Hux sah, wie Ren die Kiefer aufeinanderpresste. „Das werden sie. Nach und nach."

„Dennoch sollten wir vorsichtig sein. Du solltest Wachen haben, wie Snoke. Du bist jetzt in einer sehr angreifbaren Position."

Ren schüttelte den Kopf. „Snoke haben seine Wachen nichts gebracht. Im Gegensatz zu ihm würde ich es spüren, wenn jemand vorhat mich zu verraten." Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Glaub mir Hux, es ist zu oft passiert, als dass ich es noch einmal übersehen würde."
Hux schluckte. „Warum rufst du nicht die Ritter von Ren an deine Seite? Du bist ihr Anführer, nicht wahr? Sie könnten deine Leibwache sein."

Ren drehte sich ruckartig zu Hux und sah ihn an als sei dieser Vorschlag geradezu absurd.

„Nein."

„Warum nicht? Sind sie nicht mehr auf deiner Seite? Was wollten sie von dir?"

„Das gleiche, was Snoke von mir verlangt hat."

„Deine Vergangenheit hinter dir zu lassen?"

„Alles hinter mir zu lassen."

„Rey?"

„Ja."

„Deine Mutter?"

„Leia. Ja."

„Und Luke Skywalker, nicht wahr? Und dazu bist du noch immer nicht bereit?"

„Geh jetzt, Hux."

Jetzt war Hux es, der seine Hände zu Fäusten ballte. „Du bist der Oberste Anführer der Ersten Ordnung, Kylo Ren. Du musst dich endlich voll und ganz für diese Seite entscheiden. Ruf die Ritter an deine Seite und tu was sie von dir verlangen."

„Geh jetzt!"

Ren drehte sich zu ihm um und Hux spürte die Macht, die von ihm ausging, rechnete fest damit, dass er von den Füssen gerissen oder gegen das Portal geschleudert werden würde. Aber nichts geschah, außer dass er die Kraft im Raum wahrnahm. Er drehte sich um und eilte hinaus.

Fear of the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt