Schmerz

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Es war drei Zyklen her, dass Hux das letzte Mal geschlafen hatte und er wusste, dass sein Körper es ihm nicht mehr verzeihen würde, wenn er ihn weiter mit künstlichem Adrenalin vollpumpte. Jetzt schon zitterten seine Hände und sein Herzschlag raste auf dem Weg von Rens Quartier zurück in sein eigenes. Der Gedanke zu schlafen und die Vorgänge auf dem Schiff solange unbeobachtet zu lassen war ihm fast unerträglich, aber es ging nicht anders. Leider war er nur ein Mensch und seine Möglichkeiten gingen nicht über das Menschliche heraus. Über seinen Kommunikator gab er seinem obersten Offizier den Befehl, ihn auf der Stelle zu wecken, falls auch nur die winzigste Unregelmäßigkeit auftreten sollte.

Einen viertel Zyklus Schlaf würde er sich gönnen, beschloss er. Der Anblick seines Bettes ließ eine solche Erschöpfung in ihm aufsteigen, dass er beinahe einfach niedergesunken wäre. Er schaffte es allerdings zumindest seine Stiefel auszuziehen, bevor er hineinkroch und das dünne Laken über sich zog.

„Fünf Prozent Licht", murmelte er, während ihm bereits die Augen zufielen.

Der Schlaf zog ihn tief hinab und er hatte keine Möglichkeit mehr, sich dagegen zu wehren, auch wenn er spürte, dass dort in der Dunkelheit etwas auf ihn wartete. Oder vielmehr jemand.

„Du bist noch immer eine Enttäuschung." Die kalten Augen seines Vaters sahen auf ihn herab. „Schwach, dünn wie Papier und ebenso nutzlos. Daran wird sich nie etwas ändern."

„Du bist nicht real", flüsterte Hux. „Ich habe deinen Tod veranlasst."
„Weil du zu feige warst es selbst zu tun."

Hux schwieg und presste seine Lippen aufeinander. Die beste Möglichkeit um dieses Hirngespinst dazu zu bringen zu verschwinden war, es nicht zu beachten. Jegliche Art von Aufmerksamkeit ließ es stärker werden. Sein Vater war ihm seit Jahren nicht mehr außerhalb von Alpträumen erschienen, nicht derart real und greifbar. Es musste an den vielen Aufputschmitteln in seinem Blut liegen und daran, dass Kylo Ren ihn an diese Schwäche erinnert hatte.

Er schloss die Augen und als er sie wieder öffnete, war sein Vater verschwunden. Er fühlte sich noch immer grenzenlos erschöpft, aber gleichzeitig so angespannt, dass er wusste, dass er nicht schlafen würde. Seine Augen wanderten zu der Schublade in der Wand, in der er die Beruhigungsmittel aufbewahrte, aber nach all dem Adrenalin, das er sich gespritzt hatte, war es zu gefährlich, zu diesem Mittel zu greifen. Die Gedanken in seinem Kopf rasten und schließlich setzte er sich auf.

Auf der Brücke drehte sich Peavey überrascht zu ihm um und beeilte sich dann, ihm Bericht zu erstatten. Seine Worte schienen in Hux' Kopf widerzuhallen und er war kurz davor, ihn zu bitten leiser zu sprechen. Das Piepen einer Konsole sandte kleine Stiche in sein Gehirn und er fühlte Schwindel in sich aufsteigen. Als ein rasender Kopfschmerz seinen Schädel zu spalten drohte, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte, indem er hierhergekommen war. Er musste es zurück in sein Quartier schaffen, bevor seine Beine unter ihm nachgaben und er sich vor Peavey und seinen Untergebenen schwach zeigte. Das konnte er sich auf gar keinen Fall leisten. Nicht jetzt, da die Erste Ordnung sowieso aus dem Gleichgewicht geraten war.

Er nahm kaum wahr, dass er auf seinem Weg von der Brücke an Kylo Ren vorbei ging, alles erschien ihm wie von einem Nebel umgeben. Draußen im Gang musste er sich mit einer Hand an der Durastahlwand abstützen. Normalerweise hätte er sich dieses Zeichen der Schwäche niemals erlaubt, aber er fürchtete, sonst tatsächlich umzufallen. Einen Augenblick lang konnte er sich auch nicht daran erinnern, in welcher Richtung sich sein Quartier befand.
Und dann fühlte er plötzlich, wie etwas ihn umgab. Er konnte kaum beschreiben, wie es sich anfühlte. Ein wenig als würde ihn eine Decke einhüllen, angenehm und warm. Gleichzeitig merkte er, wie ein Teil seiner Kräfte zurückkehrte und er atmete auf, als seine Knie aufhörten zu zittern. Ein bisschen fühlte es sich an, wie wenn er ein Aufputschmittel nahm, aber sanfter und weniger intensiv, dafür umso wirkungsvoller. Als habe sein Körper tatsächlich wieder mehr Energie.

Er richtete sich auf und sah zur Seite. Kylo Ren beobachtete ihn ausdruckslos. Und dennoch begriff er. Er hatte die Macht bisher nur als etwas gespürt, das ihm Schmerzen und Gewalt zufügte. Das hier musste ihre andere Seite sein.

Seine Wangen wurden warm. Wenn Ren so weit ging, das hier für ihn zu tun, dann musste er auch wissen, wie nahe Hux einem Zusammenbruch gewesen war.

„Du solltest schlafen", sagte Ren und Hux erinnerte sich, dass er selbst genau diese Worte vor einer Weile zu Kylo gesagt hatte. Er nickte und Ren drehte sich von ihm weg.

Als Hux in seinem Quartier ankam, stellte er fest, dass er jetzt sogar noch genug Energie hatte, um zu duschen. Er wusste, dass er danach besser schlafen würde. Erst nachdem er sich entkleidet hatte, fiel ihm auf, dass seine Schulter, dort wo Ren ihn während des Gefechts auf Crait gegen die Durastahlwand befördert hatte, grün und blau war. Er hatte bisher keinen Schmerz gefühlt, was vermutlich an dem Adrenalin in seinem Körper lag und daran, dass er sich keine Sekunde Ruhe gegönnt hatte. Jetzt allerdings fühlte er ein unangenehmes Pochen, hatte jedoch nicht mehr die Kraft, die Krankenstation aufzusuchen. Es würde warten müssen bis sein Ruhezyklus beendet war. Er wollte sich sowieso nur vier Stunden Schlaf gönnen. Länger konnte er das Schiff nicht alleine lassen.

Das warme Wasser auf seiner Haut tat gut, entspannte seine Muskeln, ließ seine Gedanken zum ersten Mal ein wenig zur Ruhe kommen. Zumindest sagte er sich, dass es das warme Wasser war und nicht das angenehme Gefühl, das ihm seit dem Erlebnis auf dem Gang noch immer durchströmte.

Als er die dunkle Präsenz, die sich ihm näherte dieses Mal wahrnahm, spürte er zunächst die gleiche Panik, die ihn immer durchflutete. Dann jedoch kam ihm der Gedanke, dass es Snoke nicht mehr gab. Niemand mehr, der in seine Gedanken eindrang, bis in jeden hintersten Winkel, vor dem er keine Geheimnisse haben konnte.

Ren war anders als Snoke. Hux war bewusst, dass auch er ihn jederzeit durchleuchten konnte, aber er tat es nicht. Er hatte noch nie gespürt, dass Rens Macht nach ihm gegriffen hatte, um in seinen Kopf einzudringen und seine Gedanken zu lesen. Manchmal las er vielleicht einzelne Splitter an der Oberfläche, aber dies hier hielt Hux tief in seinem Unterbewusstsein versteckt.

Mit hängenden Schultern stand er unter dem Wasser, das auf ihn herabprasselte, sein Atem schneller werdend, und wartete darauf, dass es herankam. Das Dunkle, das er gleichzeitig fürchtete und begehrte. Er wusste nicht mehr, wie lange es ihn schon begleitete und es war lange her, dass er ihm erlaubt hatte, sich zu nähern.

Er bebte, als sich Arme um ihn schlossen, er von einem Umhang eingehüllt wurde. Ein Teil von ihm würde immer dieser Sehnsucht gehören. Er atmete tief ein und legte den Kopf zurück, hörte was die Gestalt ihm zuflüsterte: dass er nicht versagen würde, dass er stark war und wertvoll. Nie hatte jemand anders solche Worte zu ihm gesprochen. Er fühlte Hände, die über seinen Körper strichen und ihn überall berührten, so dass er sich schließlich auch selbst berühren konnte. Er war erregt, wie jedes Mal, wenn das Dunkle bei ihm war, das Gefühl eingehüllt zu sein von etwas das er nicht verstand und nicht infrage stellte, war überwältigend für ihn. Es dauerte niemals lange mit seiner Stimme nah an seinem Ohr, Händen, die ihn streichelten und ihm zeigten, dass sie ihn begehrten. Er wurde gehalten, als er schließlich so heftig kam, dass seine Beine fast unter ihm nachgaben.

Er stand mit einer Hand an die Fliesen gelehnt, schwer atmend und fragte sich wie jedes Mal, ob es einfach nur seine Fantasie war, die ihm etwas vormachte. Auf jeden Fall hatte es für ihn noch nie eine andere Möglichkeit gegeben, um zum Höhepunkt zu kommen, als diese. Und auch das unvermeidliche Gefühl der Scham und des Versagens stellte sich wieder ein, konnte aber nicht verhindern, dass er sich gleichzeitig gelöst und befreit fühlte. Er wusste, dass er würde schlafen können.

Es fühlte sich gut an, sich auf das Laken sinken zu lassen. Viel besser als sonst. Er war angenehm müde und seine Glieder waren schwer. Nicht so, als habe er das Schlafmittel genommen, eher so als sei das Adrenalin aus seinem Körper gespült worden. Lediglich seine Schulter schmerzte noch immer und er hätte gerne ein Bactapatch dafür gehabt. Sobald er erwachte, würde er daran denken müssen. Niemand besuchte dieses Mal seine Gedanken ehe er in den Schlaf hinüberglitt und er war dankbar dafür.

Als er von dem leisen Alarm seines Datapads geweckt wurde, fühlte er sich tatsächlich erfrischt. Das war bei weitem nicht immer so, wenn er erwachte. Manchmal schien Schlaf ihn fast noch mehr zu erschöpfen, aber heute hatte er keine düsteren Träume gehabt. Als er allerdings bemerkte, dass er einen kompletten Zyklus verschlafen hatte, richtete er sich so schnell auf, dass seine verletzte Schulter mit einem stechenden Schmerz protestierte. Wie hatte das passieren können? Er war sich sicher, dass er lediglich einen Viertel Zyklus eingegeben hatte. Jemand musste seinen Befehl überschrieben haben. Aber der einzige, der so etwas konnte war der Oberste Anführer.

Warum sollte Kylo Ren so etwas tun? Warum sollte es ihn überhaupt interessieren, wie lange er schlief? Allerdings war es ihm auch nicht egal gewesen, ob Hux im Gang zusammenbrach. Er dachte daran, wie sehr er manchmal das Gefühl hatte, Ren vor sich selbst schützen zu müssen. Vielleicht erging es diesem ähnlich? In jedem Fall waren sie beide seit Snokes Tod die obersten Befehlshaber der Ersten Ordnung. Möglicherweise war Ren bewusst, dass er ihn brauchte.

Durch diesen Gedanken ein wenig besänftigt, zog er sich schnell an, um seine Abwesenheit auf der Brücke nicht noch mehr in die Länge zu ziehen. Er war sich jetzt schon sicher, dass Peavey es als Anlass sehen würde, seine Fähigkeiten erneut insgeheim infrage zu stellen.
Auch wenn er jetzt ein wenig hungrig war, würde er vorher weder etwas essen, noch die Krankenstation aufsuchen.

Seine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt, als er mit wehendem Mantel die Brücke betrat und Kylo Ren in ein Gespräch mit Peavey vertieft fand. Er blieb wie versteinert stehen, bis sich Ren gleich darauf zu ihm umwandte.

„General Hux, folgen sie mir", sagte er und verließ die Brücke in Richtung einer der Kontrollstationen, ohne abzuwarten ob Hux ihm folgte. Natürlich tat er es. Die automatische Tür schloss sich hinter ihnen.

„Hast du meinen Alarm überschrieben?" fragte Hux.

Ren nickte. „Es war offensichtlich, dass du mehr Schlaf brauchtest als einen Viertel Zyklus, um zu Kräften zu kommen."

„Ich möchte dennoch selbst bestimmen, wie lange ich ruhe."

„Und ich möchte einen General, der nicht vor Erschöpfung im Dienst zusammenbricht und die Moral der Truppen untergräbt."

Hux widersprach nicht, weil es zu offensichtlich war, dass Ren Recht hatte. „Habe ich etwas verpasst? Wie läuft die Verfolgung der Rebellen?" Er trat an eins der Kontrollpanels.

„Wir haben bisher keine Anhaltspunkte über ihren Aufenthaltsort."

Das waren keine guten Nachrichten. Dennoch war Hux erleichtert, dass er zumindest keine Ereignisse von großer Wichtigkeit verpasst hatte.

„Du hättest mich geweckt, wenn es einen Angriff gegeben hätte, hoffe ich?"

„Höchstpersönlich."

Hux sah zur Seite, konnte aber nicht feststellen, ob Ren sich einen Scherz mit ihm erlaubte. Eigentlich war er sehr gut in der Lage, Kylo Rens Stimmungslage zu lesen. Das hatte er sogar schon ausnehmend gut beherrscht, als Ren noch ständig seinen Helm getragen hatte. Jetzt jedoch war er sich nicht sicher. Zumindest glaubte er zu spüren, dass die an Wahnsinn grenzende Wut und Frustration ein wenig zur Ruhe gekommen war.

„Fühlst du dich besser?" stellte Ren die Frage, die auch Hux auf der Zunge gelegen hatte.
Hux sah nicht vom Kontrollpanel auf, auch wenn er bereits festgestellt hatte, dass es kaum relevante Eintragungen gab. „Ja. Wie sieht es mit dir aus? Sind weitere Schattenkämpfe mit ehemaligen Mentoren geplant?"

Sobald er sie ausgesprochen hatte hoffte er, dass er mit der Frage nicht zu weit gegangen war. Seine Schulter machte ihm noch zu sehr zu schaffen, als dass er eine neue Begegnung mit Rens Macht wünschte.

„Im Augenblick nicht."

„Ren." Hux sah jetzt von seinem Monitor auf und stellte fest, dass Kylo ihn aufmerksam musterte. Er stand ganz still und wenn er nicht gespürt hätte, dass seine Macht noch immer in Aufruhr war, hätte man glauben können, er sei innerlich vollkommen ruhig. Hux wusste, dass Ren, wie andere Nutzer der Macht Meditationstechniken beherrschte, die es ihm erlaubten einen Zustand der vollkommenen Losgelöstheit zu erlangen, um die Macht in sich zu stärken. Vielleicht hatte Ren den letzten Zyklus dafür genutzt. Etwas hatte sich zumindest geändert und er schien wieder mehr Herr seiner selbst.

„Ja?"

„Du solltest ehrlich zu mir sein." Hux umrundete die Konsole und trat einen Schritt auf ihn zu. „Was ist in Snokes Thronraum passiert? Was wollen die Ritter von dir? Ich bin dein Oberster Befehlshaber. Du solltest mich ins Vertrauen ziehen. Wen sonst?"

„Es gibt Dinge, die du lieber nicht wissen solltest. Die gefährlich für dich sein könnten."

„Wie meinst du das?"

„Wie ich es sage."

„Willst du behaupten dir läge irgendetwas daran, mich vor Gefahren zu beschützen?"
Ren presste seine Lippen aufeinander. „Du bist noch am Leben oder nicht?"
Hux wich Rens Blick aus und sah auf den Boden. „Was ist mit ihr?"

„Du meinst Rey?"

Hux nickte, versuchte aufzusehen, blickte aber dann auf das Kontrollpanel. „Ja."

„Ich habe im Moment keinen Kontakt mit ihr."

„Aber du bist noch immer mit ihr verbunden? Durch die Macht?"

„Ich glaube es."

„Also weißt du es nicht?"

„Die Macht legt sich niemandem vollkommen offen dar, Hux. Vielleicht ist es für dich schwer nachzuvollziehen, aber auch ich beherrsche sie nicht vollkommen. Was ist mit deiner Schulter?"

Hux wusste nicht, ob Ren durch diesen Themenwechsel nur ablenken wollte, oder ob er tatsächlich wahrnahm, wie sehr Hux verletzte Schulter schmerzte, weil sein Körper sich bei ihren letzten Sätzen so extrem angespannt hatte.

„Erinnerst du dich nicht?"

Einen Moment lang sah Ren ihn an ohne zu verstehen. Dann begriff er. „Crait."

Hux nickte.

„Du hättest nicht versuchen sollen, mich zurückzuhalten."

„Irgendjemand muss dich aufhalten, Ren. Und ich hatte Recht, nicht wahr?"

Ren nickte zögernd. „Ich war nicht ganz ich selbst vor diesem Kampf."

Falls das so etwas wie eine Entschuldigung sein sollte, war es die erste, die Hux jemals von Kylo Ren erhalten hatte und er hatte nicht damit gerechnet jemals eine zu bekommen.
„Ein Bactapatch und ich bin in einem Zyklus geheilt."

„Dann solltest du jetzt auf die Krankenstation gehen."

Hux' persönliche Konsole zeigte mit einem Piepen an, dass er eine Nachricht erhalten hatte. Er las sie sofort und hoffte, dass er nicht sichtbar blasser wurde. „Akh Anbar."

„Anbar?" Ren runzelte die Stirn.

Typisch für Ren, noch nicht einmal diesen Namen zu kennen. „Unser wichtigster Geldgeber." Hux war bereits dabei, eine Antwort in die Konsole einzugeben. „Er wünschte ein Treffen mit mir auf Felucia. Andere Förderer werden ebenfalls dabei sein."

„Warum auf Felucia?" fragte Ren scharf. „Warum kommunizieren sie nicht über
Holoprojektionen?"

Hux schüttelte den Kopf. „Nach unserem Versagen auf Crait? Niemals. Dafür werde ich mich persönlich rechtfertigen müssen." Er war dabei, seine sofortige Zusagen zu schreiben und wünschte, Ren hätte ihn solange in Ruhe gelassen. Hiermit hätte er rechnen müssen, aber er hatte es geschafft, es in seinem Geist nach hinten zu drängen.

„Warum musst du gehen?" fragte Ren und trat neben ihn. „Wir könnten einen Offizier schicken. Oder Peavey."

„Nein. Sie haben immer mit mir verhandelt." Er sah auf. „Verstehst du nicht, Ren? Es geht um unsere finanziellen Mittel. Denkst du ein Schiff wie dieses ist leicht zu unterhalten?" Er machte eine ausladende Handbewegung und verzog das Gesicht als seine Schulter schmerzte.

„Nein, aber sie wollen, dass wir für sie die Erste Ordnung in der Galaxis etablieren, oder nicht?"

„Es ist komplizierter als du denkst, Ren. Springen wir nach Felucia oder soll ich ein Shuttle nehmen?"

„Wir springen. Aber warum dieser vollkommen unbedeutende Dschungelplanet? Warum nicht Canto Bight?"

„Neutraler Boden. Und die meisten unserer Geldgeber wollen anonym bleiben." Hux drehte sich um, um auf der Brücke den Befehl für den Sprung zu geben. Ren folgte ihm.

Hux überwachte, wie Lieutenant Mitaka, die Koordinaten für den Sprung eingab. Dann verließ er die Brücke, um sich zum Hangar Deck zu begeben. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Es würde schwer sein zu erklären, wie ihnen eine Handvoll Rebellen auf Crait entkommen konnten, wenn sie lediglich einen uralten Stützpunkt und ein paar schrottreife Flieger zu ihrer Verteidigung hatten, während sich auf ihrer Seite eine ganze Serie von TIE Fightern und AT-M6- Walker befunden hatte. Nicht alle ihre Geldgeber waren so zivil wie Akh Anbar und er konnte sich vorstellen, dass einige darunter waren, die ihn gerne einen Kopf kürzer sehen wollten. Er wünschte, er hätte Phasma noch an seiner Seite gehabt. Es gab niemand anderen, dem er zutraute, ihn zu beschützen, falls es zu Problemen kam.

„Du solltest nicht gehen, Hux." Er hatte nicht gemerkt, dass Ren ihm gefolgt war und jetzt auf dem Gang mit ihm Schritt hielt.

„Glaub mir, ich habe keine Wahl."

„Dann komme ich mit dir. Die Niederlage liegt in meiner Verantwortung."

„Du musst auf diesem Schiff bleiben. Ren, es ist im Moment schwierig genug. Du darfst die Crew nicht noch zusätzlich verunsichern. Das hier ist nicht meine erste Verhandlung."

Er sah zur Seite und zu seinem Erstaunen wirkte Ren über die Maßen wütend. „Sie haben kein Recht jetzt deine Anwesenheit zu fordern."

„Doch, das haben sie. Wir brauchen ihr Geld, Ren. Und ihre Unterstützung. Einige haben Kontakte zum Senat. Vielleicht haben sie noch andere Informationen für uns."

Ren gab nach. „Gut. Wen nimmst du mit dir?"

Hux hob die Schultern und bereute es sofort, als er einen erneuten schmerzhaften Stich spürte.

„Lieutenant Jaron", sagte Ren. „Sie ist zurzeit unsere beste Pilotin." Er gab gleichzeitig einem Androiden das Zeichen, sie zu verständigen.

Hux verlor keine Zeit mehr, bevor er sich in den Flieger begab.

*

Felucia war in der Tat ein vollkommen unbedeutender Planet, auf dem es fast nur pflanzliches Leben gab. Nicht einmal Hux war bewusst gewesen, dass es hier einen Stützpunkt der ersten Ordnung gab, oder vielmehr einen Stützpunkt ihrer Förderer. Verborgen in dem undurchdringlichen Dschungel, der die gesamte Oberfläche des Planeten bedeckte, fand sich eine Raumbasis mit modernster technischer Ausstattung, mit einem Schutzschild vor jeglichen Blicken und Sensoren geschützt. Schon als Hux seinen Flieger verließ wurde ihm klar, dass das hier jemand gebaut hatte, dem es auf Geld nicht ankam. Fighter und Silencer der modernsten Bauart reihten sich aneinander, das Hangardeck war riesig und ganz und gar in weiß gehalten, so dass es fast in den Augen schmerzte. Absorber saugten quasi jedes Geräusch in sich auf, so dass es beinahe unnatürlich still war und das Deck wie ausgestorben wirkte, obwohl bei genauerem Hinsehen reges Treiben herrschte.

„Warten sie hier, Lieutenant", wandte er sich an Jaron. „Es kann sein, dass wir schnell wieder aufbrechen müssen."

Sie schüttelte den Kopf und verließ den Flieger. „Der Oberste Anführer hat mir befohlen an ihrer Seite zu bleiben, General."

Hux runzelte die Stirn, widersprach aber nicht. Das Gefühl, dass Kylo Ren seine Sicherheit wichtig war, ja dass er sich regelrecht um ihn sorgte, verstärkte sich. Arrogant wie Ren nun einmal war hätte er ihm nicht zugetraut, tatsächlich einzusehen, dass er Hux brauchte, dass es wichtig war, ihn an seiner Seite zu haben. Aber offenbar war es so.

Bewundernd sah er einem Droiden vom Typ F9 hinterher, deren Fähigkeiten die ihrer Vorgänger bei weitem übertrafen, wie er wusste.

Das weiß als vorherrschende Farbe setzte sich auf der gesamten Station fort, wie Hux feststellen konnte. Der Raum in dem er schließlich auf die Förderer traf war ebenfalls komplett in weiß gehalten und kreisrund. Er selbst befand sich in der Mitte des Raumes, während Akh Anbar und andere Geldgeber der ersten Ordnung auf hochlehnigen Stühlen um ihn herum saßen. Es machte ihm nichts aus, derart ausgeliefert im Mittelpunkt zu stehen, er war es gewohnt. Dennoch hätte er sich gewünscht, wenigstens einen Pult zu haben, das ihm ein wenig Sicherheit gegeben hätte.

Er hatte erwartet, dass diese Befragung schwierig werden würde, aber es war noch unangenehmer, als er befürchtet hatte. Immer wieder kreisten sie um dieselben Fakten und Hux erklärte alles drei Mal oder vier Mal. Er hatte gerade in solchen Situationen eine hervorragende Selbstkontrolle, aber selbst er fühlte sich langsam am Ende seiner Geduld.
„Natürlich war es ein Fehler, die Rebellen entkommen zu lassen", wiederholte er dennoch ruhig. „Aber der Kampf gegen Skywalker war wichtig. Wir sind uns doch alle einig darüber, was für eine Bedeutung Skywalker für die Rebellen hat. Ein Leuchtfeuer der Hoffnung in einer dunklen Zeit. Vielleicht die größte Gefahr für unsere Sache."

„Uns wurde jedoch berichtet, dass der Kampf von Kylo Ren nicht gewonnen wurde, General."
„Aber auch nicht verloren. Wir sind sicher, dass er Skywalker zu viel Kraft gekostet haben muss, als dass er ihn überlebt hat."

„Ein Opfer, das sicher nicht unbemerkt bleiben wird."

„Vermutlich, aber lebend wäre er eine noch größere Bedrohung. Kylo Ren hat richtig gehandelt, als er ihn zu seiner Priorität gemacht hat."

„Sie stehen also hinter seiner Entscheidung?" Es war Akh Anbar, der diese Frage gestellt hatte und Hux wandte sich ihm zu.

„Voll und ganz."

„Obwohl sie ihm kurz vor der Auseinandersetzung einen anderen Rat gaben?"

Hux schluckte. Irgendjemand aus ihren Reihen gab also Informationen weiter. „Ich habe meine Meinung im Nachhinein geändert", sagte er fest.

Anbar nickte. „Das überrascht mich etwas, General. Bisher kamen sie mir nie vor wie Rens größter Fürsprecher.

„Kylo Ren ist überaus mächtig. Seine Handhabung der Macht sucht seinesgleichen. In dieser Zeit ist er die beste Wahl für den Obersten Anführer, die wir haben."

Garrat Rayden, ein überaus einflussreicher und Respekt einflößender Zabrak erhob sich. „Nicht alle sind dieser Meinung, General Hux."

Hux spürte einen wütenden Stich, der ihn selbst überraschte. Seit wann war es ihm wichtig, dass Ren als Oberster Anführer anerkannt wurde? „Möglich." Er verschränkte die Arme.
„Es gibt durchaus Stimmen, die ihn gerne aus dem Weg räumen möchten. Trotz seiner Macht."

„Dann wünsche ich diesen Stimmen viel Glück dabei, es zu versuchen." Hux hob eine Augenbraue. „Es kann sehr gut sein, dass ein gezielter und schmerzhafter Einsatz der Macht sie vom Gegenteil überzeugen wird."

Er wünschte sich plötzlich für einen Moment, Ren würde auftauchen und diesen Wichtigtuern eine kleine Demonstration seiner Fähigkeiten geben. Es würde ihn vermutlich ein müdes Lächeln kosten, ihre Reihen deutlich zu lichten.

„... die lieber sie auf dem Thron des Obersten Anführers sehen würden."

„Wie bitte?"

„Ich sagte es gibt durchaus Parteien, die lieber sie auf dem Thron sehen würden, General", wiederholte Akh Anbar. „Wie ich bereits andeutete. Aber jetzt, nach Snokes Tod ist die Lage natürlich akuter."

„Oh", sagte Hux. Er wich einen Schritt zurück. „Ja. Natürlich."

„Von unserer Seite wird es keine Nachfragen geben, sollte Kylo Ren etwas zustoßen", fügte Rayden hinzu. „Was unsere weitere Förderung ihrer Sache angeht benötigen wir zehn Zyklen Bedenkzeit nach ihren Darlegungen."

Hux nickte. Er fühlte sich benommen, unfähig zu antworten.

„Wir erwarten sie nach Ablauf der Frist wieder hier, General. Und wir erwarten eine Entscheidung."

„Ich verstehe." Es fühlte sich an, als würde ihn etwas daran hindern zu schlucken.

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