Revanche

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Ren hielt sich immer öfter in seinen Räumen auf und dann war es an Hux, Befehle zu geben und Entscheidungen zu treffen. Seine Truppen waren es gewohnt, sich an ihn zu wenden, so dass es keine Schwierigkeiten gab, was deren Einsätze anging. Von den höheren Offizieren jedoch gab es einige, die anfingen seine Autorität infrage zu stellen, allen voran Peavey.

Keiner wagte es jedoch jemals, sich gegen Ren zu stellen, wenn dieser wie ein dunkler Geist auf der Brücke erschien und seine Befehle gab. Immer war er genauestens über die Vorgänge auf dem Schiff und in der Galaxis informiert, immer machten seine Pläne Sinn und erreichten ihr Ziel und dennoch hatte Hux das sichere Gefühl, dass er sich mehr und mehr zurückzog.
Seinem Ansehen bei der Besatzung tat das keinen Abbruch, eher im Gegenteil. Auch Snoke war immer nur im Hintergrund tätig gewesen, eine angsteinflößende, düstere Instanz, deren Macht niemand in Zweifel gezogen hatte. Ren konnte vermutlich ebenfalls auf diese Art herrschen, aber Hux vermutete, dass das nicht mehr sein oberstes Ziel war. Er fragte sich, ob er weiterhin mit Rey in Kontakt stand, ob sie versuchte ihn zu wenden, oder ob Ren derjenige war, der versuchte, sie auf seine Seite zu ziehen.

Das Band, das er zwischen sich selbst und Ren gespürt hatte, auch wenn er es nicht einmal vor sich selbst zugegeben hatte, wurde schwächer, schien zu verschwinden. Und es fühlte sich an, als würde auch er selbst dadurch immer mehr verblassen. Das Vertrauen, das Ren ihm entgegengebracht hatte, das Gefühl wichtig für ihn zu sein: all das hatte er bereits wieder verloren und erst jetzt merkte er, wie sehr er sich tatsächlich danach gesehnt hatte. Es hatte etwas in ihm lebendig werden lassen, das er längst tot geglaubt hatte. Es war nur noch so wenig von ihm übrig und er begriff nicht, wie das sein konnte, nachdem er Jahre seines Lebens darauf verwendet hatte, etwas zu werden. Rens Aufmerksamkeit, die Gespräche mit ihm hatten das Gefühl der Taubheit in seinem Innern zurückgedrängt, aber jetzt ergriff sie wieder mehr und mehr Besitz von ihm.

Der Tag, an dem er nach Felucia zurückkehren würde um vor den Rat zu treten, kam heran und er war sich sicher, dass Ren noch nicht einmal wusste, dass er das Schiff heute verließ. Er selbst war innerlich so betäubt, dass er nicht einmal nervös war, wie das letzte Mal. Es gab im Augenblick fast nichts mehr, das ihm Angst machte. Er hatte mehr Einfluss und Macht als jemals zuvor in seinem Leben und hatte sich nie bedeutungsloser gefühlt.

Er gab selbst den Befehl in den Sektor von Felucia zu springen. Ren hatte sich in diesem Zyklus noch nicht außerhalb seiner Räume blicken lassen. Hux hätte Jaron befehlen können ihn ein weiteres Mal zu fliegen, aber er entschied sich dagegen und steuerte das Shuttle.
Schließlich stand er wieder in der Mitte des runden Raumes, in dem der Rat tagte. Aufrecht, sein Gesicht ausdruckslos, lediglich seine Schultern waren angespannt und verrieten seinen inneren Kampf.

„Wir sind erfreut, sie wieder hier zu sehen, General", begann Anbar die Verhandlung. „Es wird sie freuen zu hören, dass wir beschlossen haben, die Zahlungen an die Erste Ordnung fortzusetzen."

Hux senkte den Kopf in Andeutung einer minimalen Verbeugung. „Es freut mich in der Tat sehr. Sie werden es nicht bereuen."

„Das hoffen wir", ließ sich Rayden vernehmen. „Teilen sie uns auch ihre Entscheidung in der anderen Sache mit, über die wir gesprochen haben?"

Hux blickte auf und sah ihn direkt an. „Sehr wohl. Ich stehe hinter Kylo Ren als Oberstem Anführer. Er hat meine uneingeschränkte Unterstützung."

Rayden runzelte die Stirn. „Sie fürchten seine Rache? Seinen Zorn? Das brauchen sie nicht, General. Sie müssen keinesfalls die ausführende Partei in dieser Sache sein."

„Sie können vergessen worüber wir gesprochen haben, sobald sie diesen Planeten verlassen", erklärte Anbar. „Wir haben bereits Leute auf ihrem Schiff. Geben sie uns lediglich ein paar Informationen, die für uns hilfreich sein können."

„Bedenken sie, General Hux, dass sie für den Posten des Obersten Anführers vorgesehen sind", wandte sich Rayden an ihn. „War das nicht immer ihr Ziel?"

„Kylo Ren ist mein Oberster Anführer", sagte Hux fest. „Ich kann und will seine Position nicht infrage stellen."

„Ich verstehe nicht ganz." Anbar klang ruhig, aber Hux hörte den Zorn und die Verwirrung in seiner Stimme. „Wir standen immer unter dem Eindruck, dass sie Konkurrenten seien."
„So ist es. Dennoch werde ich mich in dieser Sache nicht gegen ihn stellen. Mein Entschluss steht fest."

Einen Moment lang herrschte Stille.

„Sehr wohl", sagte Rayden schließlich. „Wenn es so ist, gibt es für uns nichts mehr zu besprechen, General. Kehren sie auf ihr Schiff zurück."

Hux nickte und drehte sich zum Ausgang. Er glaubte, dass er die Finalizer nicht lebend erreichen würde. Sie konnten nicht riskieren, dass er Kylo Ren von dieser Unterredung berichtete. Dennoch fühlte er sich vollkommen ruhig auf dem Weg zurück zu seinem Shuttle. Er war beinahe überrascht, als er diesen tatsächlich erreichte und ihn starten konnte. Auch der Ausgang des Hangardecks wurde ihm geöffnet.

Er war selbst erstaunt über seine Entscheidung. Bis er vor den Rat getreten war, war er sich nicht ganz sicher gewesen, was er ihnen antworten würde. Ihm war bewusst, was die logische Entscheidung gewesen wäre. Aber jetzt, da er sich auf Kylo Rens Seite gestellt hatte wusste er, dass es für ihn keine andere Möglichkeit gab. Und seltsamerweise fühlte er sich dadurch frei. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er eine wirklich eigene Entscheidung getroffen, die nicht von Ehrgeiz oder Geltungssucht getrieben war, oder von dem Wissen, was sein Vater über ihn dachte.

Möglich, dass er Kylo Ren nichts bedeutete, aber zumindest würde er nicht für dessen Tod verantwortlich sein. Falls er die Finalizer lebend erreichte, würde er Ren berichten, dass vom Rat ihrer Geldgeber Gefahr für ihn ausging. Falls das nicht der Fall sein sollte, würde Ren durch seinen Tod wissen, dass auch er selbst von dieser Seite bedroht wurde.
Hux blickte auf das undurchdringliche Meer von Grün, das sich unter ihm erstreckte und dachte für einen Moment, dass er es schaffen würde, dass sie ihn gehen ließen. Vielleicht hatte er von jetzt an die Möglichkeit doch noch etwas zu ändern, einen anderen Weg einzuschlagen, der nicht immer tiefer in Einsamkeit und Wut führte. Wenn er Ren sagte, dass er nicht vollkommen alleine war, dass er hinter ihm stehen würde ...

Seltsam. Er hatte immer gedacht, dass nur noch sehr wenig von ihm übrig war, nur noch eine Art Hülle, die er mit dem zu füllen versuchte, was er darstellte. Mit seinem Titel, seiner Wichtigkeit für die Erste Ordnung. Er hatte immer geglaubt, dass er selbst kaum noch existierte. Aber jetzt hatte sich gezeigt, dass es offenbar dennoch reichte, um eine eigene Entscheidung zu treffen und aus irgendeinem Grund machte ihn das stolz.

In diesem Augenblick traf das erste Geschoss sein Shuttle und brachte ihn von seiner Flugbahn ab. Natürlich, wenn sie ihn hier draußen abschossen, dann konnten sie es auf jemand anderen schieben. Auf die Rebellen oder einfach auf Piraten, die nur zufällig sein Shuttle ins Visier genommen hatten. Beides klang unlogisch, aber der Rat verfügte über genügend finanzielle Mittel. Niemand würde wagen anzuzweifeln, dass sie mit seinem Tod nichts zu tun hatten.

Bevor er reagieren konnte, wurde er von zwei weiteren Geschossen getroffen und verlor an Höhe. Seine Ohren schmerzten von dem plötzlichen Druckverlust und er hörte ein unerträgliches Rauschen. Ein durchdringendes konstantes Alarmsignal ertönte und die unbeteiligte Computerstimme verkündete, dass eine Außenwand zerstört und das Kontrollsystem beschädigt war. Sie forderte ihn zu sofortiger Notlandung auf. Er war kein so guter Flieger, als dass er seinen Angreifern hätte ausweichen können und es ging zu schnell, als dass er zurückschießen konnte. Er wusste noch nicht einmal wirklich, von wo er überhaupt angegriffen wurde oder wie viele es waren. Bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, begann sein Shuttle unkontrolliert zu rotieren und er stürzte der grünen Oberfläche des Planeten entgegen. Das war also sein Ende dachte er, aber es machte ihm nicht wirklich Angst. Wenn das hier der Preis dafür war, sich einmal in seinem Leben für das entschieden zu haben was er wollte, dann würde er ihn eben bezahlen. Und immerhin würde er es schnell hinter sich haben.

Die Oberfläche des Planeten raste immer schneller auf ihn zu. Er umklammerte die Lehnen seines Sitzes und schloss die Augen, wurde schmerzhaft nach hinten gegen seinen Sitz gepresst. Sein Sturz wurde von den gewaltigen Baumriesen abgebremst, aber beim Aufprall wurde er so hart nach vorne geschleudert, dass er das Bewusstsein verlor. Und dann war da für eine Weile nur noch Schwärze.

*

Als er zu sich kam, nahm er zunächst einen pochenden Schmerz in seinen Schläfen wahr, der ihm fast den Atem raubte. Außerdem hatte er Schwierigkeiten zu atmen. Er blinzelte und öffnete dann langsam die Augen. Lichtstrahlen drangen durch ein Meer aus grün, so dass er zunächst glaubte, er sei unter Wasser und bekäme deswegen keine Luft. Bis ihm einfiel, dass er sich noch immer auf Felucia befand, dass er abgestürzt war, weil jemand auf ihn geschossen hatte. Das bedeutete auch, dass der Sturz seines Fliegers beobachtet worden war. Er wusste nicht, wie lange er ohne Bewusstsein gewesen war, aber sie würden bald hier sein. Er versuchte sich aufzurichten, aber es gelang ihm nicht. Etwas drückte ihn nach unten und er stellte fest, dass es ein großes Trümmerteil aus seinem eigenen Shuttle war, das über seinen Oberkörper lag. Es war zu schwer, als dass er sich davon befreien konnte.

Mit einem leisen Stöhnen ließ er sich auf den weichen Boden zurücksinken. Das hier war kein schlechter Ort, um zu sterben. Er hatte sehr lange kein grün mehr gesehen. Auf der Finalizer gab es diese Farbe nicht. Es war still hier und die Luft war frisch und voll von Gerüchen, die er nicht kannte. Reich und süß kam sie ihm vor. Wenn nur der Schmerz in seiner Brust und der Durst nicht gewesen wären, die ihn quälten. Aber auch das würde bald vorbei sein. Er fühlte, dass er sich bereits wieder am Rande der Bewusstlosigkeit befand. Er schmeckte Blut und vermutete, dass er innere Verletzungen hatte. Es würde vielleicht bald vorbei sein.

Der Drang die Augen zu schließen war fast unwiderstehlich stark, denn er fühlte sich unendlich müde. Aber er würde sie vielleicht nie wieder öffnen und zumindest für eine Weile wollte er noch das grün ansehen, das ihn umgab und das Licht irgendeiner fernen Sonne, das Muster auf die Baumstämme und Blätter zeichnete. Es war beruhigend. Wenn er über seinen Tod nachgedacht hatte, hatte er nie zu hoffen gewagt, dass er friedlich sein könnte.

Durch den Dschungel hörte er etwas näherkommen. Mühsam wandte er den Kopf. Sein Blick verschwamm, aber er konnte erkennen, dass es sich um die schwarze Gestalt handelte, die ihn manchmal in seinen Träumen und Fantasien heimsuchte.

Wie passend, dass sie ihn abholte.

„Bist du schwer verletzt?" Kylo Ren kniete neben ihm nieder und Hux wurde aus der Ohnmacht zurückgerissen, in die ihn beinahe ganz umfangen hatte.

„Was machst du hier?" fragte er mühsam.

„Mich revanchieren. Weißt du wie schwer deine Verletzungen sind?"

Hux schüttelte den Kopf.

„Hast du Schmerzen?"

„Nein."

„Dann stehst du vermutlich unter Schock." Ren fühlte seinen Puls und Hux konnte spüren, wie Ren's Macht ihn umspielte. Auch jetzt war es kein unangenehmes Gefühl. „Ich muss dich schnell auf die Finalizer bringen. Du hast offenbar viel Blut verloren."

„Ren?"

„Ja?"

„Sie wollen dich töten." Es fiel ihm schwer zu sprechen, aber er musste Ren warnen. „Der Rat. Du musst ..."

„Nicht jetzt, Hux!"

„Hör mir zu!" Es war wütend, dass Ren ihn unterbrach, obwohl es so schwer war, die Worte zu formen. „Du musst aufpassen. Sie haben Leute auf dem Schiff."

„Sei jetzt ruhig! Schon deine Kräfte."

„Ren! Sie wollten, dass ich dich..."

„Ich weiß."

Das Gewicht, das Hux' Brust zusammengedrückt hatte, wurde sehr langsam angehoben und er konnte endlich besser atmen. Einen Augenblick lang konzentrierte er sich darauf, tiefe Atemzüge zu nehmen und schloss die Augen. Er spürte die Spritze an seinem Hals, den kurzen stechenden Schmerz als sie in seine Haut drang und gleich darauf das beinahe erhebende Gefühl als seine Schmerzen nachließen.

„Du solltest nicht auf die Finalizer zurückkehren", wollte er sagen, aber er war sich nicht sicher, ob seine Lippen die Worte tatsächlich formten. Sie schienen ihm nicht mehr gehorchen zu wollen und die Ohnmacht zog immer noch an ihm, wie ein dunkler Abgrund, der ihn willkommen hieß. Er spürte, wie Ren ihn hochhob, das Gefühl der Hilflosigkeit als er getragen wurde. Und dann verlor er das Bewusstsein

Fear of the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt