Ein Zittern durchfährt mich, als ich ihr kleines rotes Auto verlasse und die kühle Luft auf meine nackte Haut trifft. Das war das letzte Mal, dass ich so ein kurzes Kleid tragen würde!
„Hier." Sie hält mir eine rote Strickjacke entgegen. „Sonst erfrierst du mir noch."
Dankend nehme ich die Jacke entgegen und schlüpfe schnell in die kuscheligen Ärmel. „Ist rot eigentlich deine Lieblingsfarbe?"
Das fremde Mädchen lächelt leicht, bevor sie mich zu einer kleinen Bank zieht, auf der wir uns gemeinsam niederlassen. Ihre blauen Augen richten sich auf mich. „Ja, rot ist meine Lieblingsfarbe, aber orange..." Ihr Blick wandert von meinen Augen hinab zu meinen Socken mit den orangen Blumen. „...mag ich irgendwie auch ganz gern."
Ich merke sofort, wie mir das Blut in die Wangen steigt. Unauffällig versuche ich zu ihr hinüber zu schielen, aber ich bereue es sofort, als ich ihr breites Grinsen bemerke. Keine Ahnung wie das möglich ist, aber ich merke wie meine Wangen noch eine Nuance dunkler werden und schnell richte ich meinen Blick wieder nach vorne.
„Und was ist deine Lieblingsfarbe?", fragt sie mich schließlich.
Ich lächle leicht. „Orange."
Und dann herrscht Stille zwischen uns. Eine Stille, die viel Platz für Gedanken lässt.
Aber ich will die Gedanken nicht zulassen. Nicht jetzt, wo doch alles so friedlich, so wunderschön, zu sein scheint.
Dieses eine Mal sollen sie mir nicht alles kaputt machen.
Sie scheint meine innere Unruhe zu bemerken. „Geht's dir gut? Soll ich dich nach Hause fahren?"
Aber ich nicke leicht; lasse die Dämonen in meinem Kopf erneut mein Leben kontrollieren.
Ich bin so schwach.
Später, als ich bereits in meinem Bett liege, meine Wangen nass von den vielen Tränen, die ich vergossen habe ohne mir wirklich sicher zu sein, weshalb ich sie vergieße, wird mir eine Sache plötzlich schmerzlich bewusst; ich habe sie nicht einmal nach ihrem Namen gefragt.
Und die Stimmen in meinem Kopf werden lauter.
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Rot-Oranger Regenbogen
Short StoryÜber lange Nächte an leisen Orten, mit kurzen Worten zwischen lauten Stillen. Über Elisabeth und Gwendolyn. Über ihre Ecken und Kanten; ihre Unvollkommenheiten. Über ihre bedingungslose Liebe. @sommernachtsgewitter | april2021 - dezember2021