Die Sonne ist schon fast hinter dem Horizont verschwunden, als ich mich gemeinsam mit Heather auf die große Hollywoodschaukel in unserem Garten plumpsen lasse. Der Geruch von lieblichen Rosen umgibt uns und lächelnd fahre ich mit meiner Hand über die weichen Blüten. Erneut muss ich bei dieser Blume an Gwendolyn denken und an ihre weichen Lippen, die ich noch immer auf den meinen spüren kann, obwohl es jetzt schon fast zwei Wochen her ist.
Es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit.
Die Zeit vergeht unerbittlich; rauscht wie im Flug an uns vorbei und Gwen und ich stehen mitten drin. Ich spüre förmlich wie sie an uns rüttelt, wie sie versucht uns in alle möglichen Richtungen zu dirigieren, aber wir werden unseren eigenen Weg gehen. Und wir werden ihn gemeinsam gehen.
Egal wie lang es dauert. Da bin ich mir sicher.
Eine warme Sommerbrise fegt wie zur Bestätigung meiner Gedanken durch unseren Garten. Lässt die kräftig grünen Blätter rascheln und sorgt dafür, dass Heather und mir die Haare ins Gesicht wedeln. Ich lache leicht, als ich meine ältere Schwester dabei beobachte, wie sie versucht sich die dunkelblonden Strähnen aus dem Gesicht zu wischen.
„Lach nicht so schadenfroh, Elisabeth!"
Ich lache nur noch mehr. Meine Schwester verdreht die Augen, aber ich bemerke trotzdem wie ihre Mundwinkel leicht nach oben hüpfen. Sie dreht sich leicht in meine Richtung, um ihre Füße, die in pinken Converse stecken, auf meinen Beinen abzulegen.
„Weißt du, Beth...", Heather sieht mir nicht in die Augen, als sie mir ihrem schlanken Finger Muster auf die Hollywoodschaukel malt, die nur sie versteht. „Ich hab eine Weile gebraucht um zu bemerken, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt; dass es dir nicht gut geht. Und das tut mir wirklich unfassbar leid."
Ich schlucke schwer bei ihren Worten. Natürlich war mir klar, dass diese Unterhaltung irgendwann kommen würde, Heather ist meine Schwester und noch dazu nicht dumm, aber ich dachte immer ich hätte noch ein bisschen Zeit. Damit ich mir Worte zurecht legen konnte. Damit ich selbst erstmal die Antworten auf die vielen Fragen herausfinden konnte.
Aber dazu blieb mir nun keine Zeit mehr.
„Ich hätte da sein müssen, das weiß ich."
„Heather, hör zu-" Ich versuche den Sturm, der in den Augen meiner Schwester wütet zu beruhigen.
„Nein." Ihre grünen Augen richten sich direkt auf mich. „Ich hätte es bemerken müssen. Die vielen Zeichen, Beth, ich hätte sie erkennen müssen. Hätte mir Gedanken machen müssen, wenn du mit faulen Ausreden ankamst, um nicht mit uns zu essen und lieber für die Schule gelernt hast, als mit mir shoppen zu gehen!"
„So schlimm war es gar nicht.", flüstere ich. Dabei weiß ich jedoch nicht, wen von uns beiden ich versuche davon zu überzeugen. Auch Heather scheint dies zu bemerken.
Und als sie ihre warme Hand auf meine Wange legt und ihre Augen bis in den letzten Winkel meines verworrenen Kopfes zu blicken scheinen, habe ich das Gefühl wieder acht Jahre alt zu sein und abends im Bett neben meiner großen Schwester zu liegen, während sie dafür sorgt, dass ich meine Albträume vergessen.
Heather rutscht zu mir heran und drückt meinen Kopf auf ihre Schulter. „Es ist okay." Ihre Stimme wird vom Wind davon getragen. „Es ist okay."
Und ich will ihr glauben; wenigstens für diesen einen Moment.
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Ich hebe meinen Kopf erst wieder von Heathers Schulter, als der Klingelton meines Handys ertönt. Ein kurzes Klingeln, was mich ein wenig an den Sommer erinnert.
Durch den zersprungenen Bildschirm meines Telefons erkenne ich trotz allem die Nachricht von Gwendolyn.
heute abend lust auf autokino?
Meine Augen schweifen über die Nachricht und die kleinen Buchstaben, die dem Ganzen irgendwie etwas beruhigendes geben. Ich weiß, dass Gwen dies nur tut, weil ich ihr einst während einem unserer nächtlichen Telefongesprächen erzählt habe, wie sehr ich es liebe, wenn Leute nur kleine Buchstaben benutzen und sie zwar erst gegluckst hatte, es aber nun selber tut.
Eine Sache die mein Herz jedes Mal zum schneller schlagen bringt. Denn es sind die kleinen Dinge im Leben, die zählen, wie mein Dad immer sagt.
Meine Finger fliegen über die Tastatur, als ich ihr antworte; die Vorfreude scheint mich beinahe umzubringen.
klaro.
„Mir antwortest du nie so schnell!" Heather sieht mich beleidigt an und ich kann nur unbeholfen mit den Schultern zucken. „Aber ich versteh schon, nicht jeder kann so wichtig sein, wie deine Freundin."
Die Hitze steigt mir sofort in die Wangen, während mein Blick zu Heather schießt. „Uhm... also... wir sind eigentlich gar nicht zusammen." Um ehrlich zu sein habe ich mir darüber bisher auch nie Gedanken gemacht.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht sie mich an. „Naja, aber ihr habt euch geküsst, also kann es nicht mehr lang dauern."
Meine Wangen werden, falls dies überhaupt möglich ist, noch ein bisschen dunkler. Das passiert gerade nicht wirklich! „Woher-"
„Woher ich das weiß?" Meine Schwester lacht mich fassungslos an. „Gott, Beth! Du bist abends puterrot nach Hause gekommen und hast die verträumt an die Lippen gefasst. Sogar Mum und Dad wissen es!"
Ich verschlucke mich fast an meiner eigenen Spucke. Kann es eigentlich noch peinlicher werden? Ich glaube kaum.
„Hach, verliebt sein ist schon was Schönes, oder?" Heather grinst breit.
hol dich in 20 minuten ab. freu mich!
Oh ja, verliebt sein ist schön.
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Rot-Oranger Regenbogen
Short StoryÜber lange Nächte an leisen Orten, mit kurzen Worten zwischen lauten Stillen. Über Elisabeth und Gwendolyn. Über ihre Ecken und Kanten; ihre Unvollkommenheiten. Über ihre bedingungslose Liebe. @sommernachtsgewitter | april2021 - dezember2021