„They're so pretty it hurts. I'm not talking 'bout boys. I'm talking 'bout girls!" Gwens Stimme hallte über den gesamten Strand und ich muss verträumt lächeln, als ich sie dabei beobachte, wie sie sich ausgelassen zur Musik bewegt. „They're so pretty with their button-up shirts."
Die Musik strömt aus der kleinen roten Musikbox neben mir, die Gwen extra mitgebracht hatte. Nun genießt sie einen Song nach dem anderen, während ich es mir auf unserer bunten Picknick-Decke bequem gemacht habe und mich am Klang ihrer Stimme, ihrer Unbeschwertheit, sowie dem zufriedenen Ausdruck auf ihrem Gesicht erfreue.
Es stört sie auch nicht, als sich einige Leute zu uns umdrehen und sie argwöhnisch betrachten. Gwen singt einfach lauthals weiter, ihre Arme hat sie dabei ausgebreitet und ihren Kopf in den Nacken gelegt.
Etwas, das ich schon immer an ihr bewundert habe.
Ich beobachte wie Gwen nun zum See geht. Aber als sie sich nochmal zu mir umdreht, um mir mit ihrer Hand ein Zeichen zu geben, dass ich sie ins Wasser begleiten soll, schüttle ich kurz mit dem Kopf. Achselzuckend verschwindet sie schließlich im tiefblauen Wasser des Sees, dessen Farbe mich so sehr an ihre Augen erinnert.
Ich umfasse mit meinen Armen meine angewinkelten Beine und lege meinen Kopf auf ihnen ab. Ich bin Gwen dankbar, dass sie immer zu wissen scheint wann bei mir eine Grenze erreicht ist. Zwar geht es mir um einiges besser, als noch vor ein paar Wochen und Stück für Stück lerne ich meinen Körper zu akzeptieren, aber trotzdem sind dort manchmal diese schwarzen Löcher, die mich zu übermannen drohen.
Es gibt eben gute und schlechte Tage; manchmal auch irgendetwas dazwischen.
Gwendolyn weiß das und dafür liebe ich sie jeden Tag ein Stückchen mehr.
„Das letzte Mal, als ich Gwen so glücklich erlebt habe, waren unsere Eltern noch am Leben."
Überrascht schaue ich nach links, wo sich Astaroth gerade neben mir niederlässt. Die Ähnlichkeit zwischen Gwen und ihrem kleinen Bruder fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Genau wie ihre enge Beziehung. Man könnte fast neidisch werden, wenn man sieht wie die beiden miteinander umgehen und aufeinander Acht geben.
Vor einem Monat hatte ich Gwen vorgeschlagen bei mir zu wohnen. Ich konnte es einfach nicht ertragen sie wieder zurück zu ihrem Onkel gehen zu lassen nach allem was sie mir erzählt hatte. Ich hatte gemerkt, wie sie mit sich rang, hatte den inneren Konflikt in ihren Augen erkennen können.
Es war keine große Überraschung für mich, dass sie ihren kleinen Bruder nicht mit ihrem Onkel allein lassen wollte.
Trotz allem bin ich für jede Nacht dankbar, die sie neben mir in meinem Bett verbringt; eng aneinander gedrängt, sodass ich ihre Haut an der meinen spüren kann. Denn jede Nacht, in der Gwen friedlich neben mir ruht, ist eine Nacht weniger in der ihr Onkel ihr wehtun könnte.
„Die hilfst ihr auf eine Art und Weise, wie es niemand anderes jemals könnte. Nicht einmal ich.", fährt Astaroth schließlich fort. Er schenkt mir ein warmes, ehrliches Lächeln.
Ich fühle mich überrumpelt von den ehrlichen Worten, die seine Lippen verlassen. „Wir haben uns gegenseitig geholfen.", sage ich. Haben versucht das Herz der jeweils anderen zu heilen, indem wir Stück für Stück die zerbrochenen Teile aufsammelten und sie wieder zusammenfügten.
Astaroth stupst mich schließlich zaghaft mit seiner Schulter an und ich richte meinen Blick wieder auf ihn, nachdem er mal wieder automatisch zu Gwendolyn gehuscht ist, die immer noch schwimmen ist.
„Ich freu mich, dass du heute mitgekommen bist. Jetzt hab ich endlich mal die Chance das Mädchen besser kennenzulernen, von dem meine Schwester die ganze Zeit so schwärmt."
Ich lache leise, während meine Wangen einen rötlichen Ton annehmen und schließlich stupse ich ihn ebenfalls mit meiner Schulter an. „Freut mich auch, dich endlich mal kennenzulernen, Astaroth."
Er grinst mich breit an, steht schließlich auf und reicht mir seine Hand. „Hast du Lust mit Volleyball zu spielen?" Ich zögere kurz. Ich schaue kurz zu seinen, und Gwens, Freunden, die schon begonnen haben zu spielen und schließlich ergreife ich seine Hand. „Klar."
Mit seiner Hilfe erhebe ich ich von unserer Picknick-Decke, bevor ich mir ein wenig Sand von meiner schwarzen Jeans klopfe.
„Ey, As, hör auf meine Freundin zu nerven!"
Wir drehen uns beide gleichzeitig zu dem schwarzhaarigen Mädchen um; Astaroth, um ihr seinen Mittelfinger zu präsentieren und ich, weil mich zwei ihrer gesagten Wörter gerade richtig aus dem Konzept gebracht haben.
Als Gwendolyn in mein Gesicht blickt scheint auch sie zu bemerken, was sie gerade gesagt hat und ihre Wangen werden puterrot. „Ich... uhm... also... wenn du das nich-"
Ich unterbreche sie, indem ich ihr Gesicht mit meinen Händen umfasse und ihr einen stürmischen Kuss gebe. „Nein. Es ist richtig so. Nenn mich nie wieder anders." Ihre Augen leuchten mir entgegen, bevor nun sie diejenige ist, die mich küsst. „Wie du willst."
„Ok ihr zwei Turteltauben. Das ist ja wirklich romantisch hier, aber kommt jetzt. Wir wollen Volleyball spielen." Astaroths Stimme holt uns aus unserer eigenen Welt, in der es gerade nur uns beide gab.
Gwendolyn und Elisabeth. Wir. Alles was zählt.
Ich muss breit grinsen, als Gwendolyn schließlich meine und Astaroths Hand ergreift und uns euphorisch hinter sich her zum Volleyballfeld zieht.
Alles was zählt.
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Rot-Oranger Regenbogen
Short StoryÜber lange Nächte an leisen Orten, mit kurzen Worten zwischen lauten Stillen. Über Elisabeth und Gwendolyn. Über ihre Ecken und Kanten; ihre Unvollkommenheiten. Über ihre bedingungslose Liebe. @sommernachtsgewitter | april2021 - dezember2021